Auszug
Dieses Kapitel wird sich damit auseinandersetzen, auf welche Weise sich die sozialwissenschaftlich orientierte Kommunikations- und Medienforschung bislang mit der Aneignung und Nutzung von Medien der interpersonalen Telekommunikation beschäftigt hat und welche Erkenntnisse sich daraus für die hier in Frage stehende Konstitutionsanalyse telekommunikativen Handelns ableiten lassen. Das Hauptaugenmerk wird sich dabei auf die Frage richten, welche Erklärungsmodelle unterschiedlichen Forschungsansätzen dominant zugrunde liegen und inwiefern diese in der Lage sind, die oben skizzierten Prozesse der Telematisierung kommunikativen Handelns aus einer akteursbezogenen und alltagsweltlich verankerten Handlungsperspektive zu rekonstruieren.
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Literatur
Mit Blick auf unterschiedliche internetbasierte Kommunikationsformen lassen sich aus einer kommunikationswissenschaftlichen Perspektive betrachtet etwa folgende aktuelle Sammelbände und Monographien anführen (hier: auf den deutschsprachigen kommunika tionswissenschaftlichen Forschungskontext beschränkt): Beck 2006; Boos et al. 2000; Döring 2003a; Höflich 1996, 2003b; Neverla 1998; Rössler 1998; Schmidt 2006; Schönhagen 2004; Stegbauer 2001; Thiedeke 2000, 2004; Thimm 2000. Was die Analyse neuer mobiler Kommunikationsformen (allen voran das Mobiltelefon) anbelangt, kann hier beispielhaft auf folgende (internationale) Forschungsbeiträge verwiesen werden: Brown et al. 2002; Glotz et al. 2006; Haddon 2004; Höflich und Gebhardt 2005; Höflich und Hartmann 2006; Katz und Aakhus 2002; Ling 2004; Ling und Pedersen 2005; Nyiri 2005.
Ganz allgemein lässt sich die Theorie der sozialen Präsenz auf die von Mehrabian (1969: 203) formulierten Überlegungen zur „Unmittelbarkeit“ („immediacy“) zwischenmenschlicher Kommunikationsprozesse zurückführen, die er als jene „communication behaviors (definiert, d. V.), which enhance closeness to an nonverbal interaction with another“ (vgl. dazu Rourke et al. 1999).
Aufbauend auf dieser theoretischen Grundlage wurden in den letzten Jahren zahlreiche Versuche unternommen, unterschiedliche mediale Verwendungsweisen zu typologisieren. Die Forschungsaktivitäten beschränken sich dabei in großen Teilen auf eine Exploration unterschiedlicher und teilweise aus der Massenkommunikationsforschung bekannter Gratifikationspotenziale-angefangen von Gratifikationsstudien zur Nutzung des Telefons im privaten und beruflichen Kontext (z. B. Aronson 1977; Claisse 1989; Dimmick et al. 1994; Dobos 1992; Noble 1987; O’Keefe und Sulanowski 1995) über die Verwendung internetgestützter Kommunikationsnetzwerke (bspw. Garramone et al. 1986; Weinreich 1998), die Nutzung von E-Mail im häuslichen und organisatorischen Umfeld (z. B. Boneva et al. 2001; Dobos 1992; Flanagin und Metzger 2001; Stafford et al. 1999), die Verwendung des Instant Messengers (bspw. Grinter und Palen 2002; Leung 2001; Nardi et al. 2000) bis hin zur Nutzung von Pagern (z. B. Leung 1998), Mobiltelefonen (bspw. Leung und Wei 2000; Woodruff und Aoki 2003), SMS (z. B. Grinter und Eldridge 2003; Höflich und Rössler 2002) und MMS (bspw. Kurvinen 2003).
Der Begriff der sozialen bzw. kulturellen Praxis im Kontext der Medienverwendung wird in einem späteren Kapitel noch genauer diskutiert, wenn es darum geht Medien, der interpersonalen Telekommunikation als vergesellschaftete Kommunikationswerkzeuge zu konzeptionalisieren (vgl. Kapitel 3.5). Es soll an dieser Stelle nur angedeutet werden, dass unter dem Begriff der sozialen Praxis sowie unter Bezugnahme auf Hörning (2001: 160) ein Set an häufig wiederkehrenden Handlungsweisen verstanden wird, die sich zu kollektiven Handlungsmustern und-stilen verdichtet haben und damit bestimmte Handlungsformen erwartbar werden lassen. Unter dem Begriff der Kultur lässt sich dabei zunächst ganz allgemein ein System an kollektiv geteilten Wissensbeständen und typischen Deutungsschemata verstehen, die sich in bestimmten kulturell eingelebten und über das Einzelindividuum hinausweisenden typischen Gepflogenheiten, Handlungspraktiken und Wirklichkeitsauslegungen manifestieren.
Wenngleich die Forschungsaktivitäten dabei zunächst auf die so genannte Nuklearfamilie bezogen waren (z. B. Hirsch 1992), so wurden diese in der Folge auch auf andere soziale Beziehungsgefüge ausgedehnt, so z. B. allein erziehende Mütter und Väter (bspw. Haddon und Silverstone 1995; Russo Lemor 2005), Telearbeiter (z. B. Haddon und Silverstone 1995), Heimarbeiter (bspw. Ward 2005), kleinere und mittlere Unternehmen (z. B. Pierson 2005) sowie unterschiedliche soziale Segmente und Nutzergruppen, bspw. Senioren (z. B. Haddon und Silverstone 1996), Teenager (bspw. Hartmann 2005), Manager und leitende Angestellte (z. B. Silverstone und Haddon 1996) oder so genannte Computerhacker (Hapnes 1996).
Technische Artefakte werden in diesem Zusammenhang und hinausgehend über ihre rein funktionalen Aspekte häufig auch als „Texte“ einer Kultur konzeptionalisiert (vgl. Posner 1991: 46), deren „codierte Botschaften in spezifischen Perspektiven und bezogen auf spezifische gesellschaftliche Diskurse interpretiert werden“ (Krotz 1997a: 76). Die oben genannte Bedeutungsoffenheit einer Kommunikationstechnologie ergibt sich dabei schon allein dadurch, dass die in unterschiedlichen sozialen Kontexten handelnden Akteure nicht nur bis zu einem gewissen Grad recht vielfältige, sondern mitunter eben auch durchaus konfligierende „Lesarten“ zu Grunde legen (vgl. Höflich 2003b: 94f.).
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(2008). Interpersonale Telekommunikation als Gegenstand der Kommunikations- und Medienwissenschaft. In: Telekommunikatives Handeln im Alltag. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-91050-5_2
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-531-91050-5_2
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften
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Online ISBN: 978-3-531-91050-5
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