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Das Konstrukt Kompetenz — Ein theoretischheuristisches Modell

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Zusammenfassung

Die Aufmerksamkeit der vorliegenden Untersuchung ist — wie bereits deutlichwurde — auf jene Rationalitäten sozialer Differenzierung gerichtet, welche mit dem Konstrukt Kompetenz verbunden sind und durch welche die Individuen in geeignet und nicht geeignet, in passend und nicht passend eben in kompetent und nicht kompetent eingeteilt werden (können). Dabei soll mit dem Begriff der Rationalität nicht auf eine transzendentale Vernunft verwiesen werden, sondern vielmehr „[…] auf historische Praktiken, in deren Kontext Wahrnehmungs- und Beurteilungsstrategien generiert werden. Er impliziert also keine normative Wirkung, sondern besitzt vor allem relationale Bedeutung: »[…] Es handelt sich also nicht darum, die Dinge an etwas Absolutem zu messen, sodass sie als mehr oder weniger perfekte Formen der Rationalität bewertet werden können, sondern darum zu untersuchen, wie Rationalitätsformen sich selbst in Praktiken oder Systemen von Praktiken einschreiben und welche Rolle sie in ihnen spielen. Denn es ist wahr, dass es keine >praktiken< ohne eine bestimmte Rationalitätsordnung (régime de rationalité) gibt (Foucault 1994c, S. 26; S. 25–30; Übersetzung T.L.)“ (Lemke/Krasmann/Bröckling 2000: 20; Hervorheb. i.O.). Die Rationalität sozialer Differenzierung, die hier untersucht werden soll, bezeichnet somit die Gesamtheit der Wahrnehmungs — und Beurteilungsstrategien, die mit dem Konstrukt Kompetenz einhergehen.

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Literatur

  1. Ohne auf den Prozess der Internalisierung weiter eingehen zu können (vgl. hierzu ausführlicher Berger / Luckmann 2003; Mead 1995), soll an dieser Stelle aber doch die Dialektik von Externalisierung, Objektivation und Internalisierung betont werden, die grundlegend für das Entstehen und Fortbestehen von Institutionen ist.

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  2. Auch Höffling et al. (2002) haben ein Konzept sozialer Deutungsmuster entwickelt, mit dem sie über die lebensweltlich verankerten Deutungsmuster hinausgehen. Sie distanzieren sich hierbei allerdings explizit von der foucaultschen Diskurstheorie. Durch die Verhaftung in der wissenssoziologischen Tradition grenzt sich ihr Ansatz aber m. E. auf theoretischer Ebene nicht entscheidend von den bisherigen Konzeptionalisierungsversuche ab (vgl. Lüders/Meuser 1997; für eine eingehende kritische Würdigung siehe Keller 2005b).

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  3. Die Besonderheit dieses Wissen liegt nach Schütz in der geringeren „Bereitschaft, Dinge als fraglos gegeben anzunehmen“ (Schütz 1972: 89). Im Gegensatz zum „Mann auf der Straße“, dessen lebensweltliche Relevanzen ihm siene Alltagswelt als ‘taking for granted’ wahrnehmen lässt, sind dem Experten nach Schütz die ihm auf seinem Gebiet auferlegten Relevanzen durchaus zugänglich. Eine solche Differenzierung, die als idealtypisch zu betrachten ist, hält nach Meuser und Nagel (1997) einer empirischen Überprüfung kaum Stand. Sie schlagen deshalb vor, auch bezüglich des Expert(inn)enwissens davon auszugehen, dass gewisse Relevanzen und Regeln (zumindest teilweise) unhinterfragt sind: „Solche kollektiv verfügbaren Muster, die zwar nicht intentional repräsentiert sind, aber als subjektiv handlungsleitend gelten müssen, lassen sich ebenfalls als auferlegte Relevanzen verstehen, die allerdings nur ex post facto entdeckt werden können“ (ebd. Schütz 1972: 468). Vor dem Hintergrund der folgenden Überlegungen soll dieser Einschätzung hier vorgreifend gefolgt werden.

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  4. Zum Konzept der Ko-Konstruktion vgl Mecheril (2003). Es kann hier jedoch allenfalls von einer Reflexion der Ko-Konstruktionen gesprochen werden, kann und soll man sich hiervon im Forschungsprozess — so wie es Mecheril ausführt — nie vollkommen frei machen. So besteht die wissenschaftliche Leistung aus dieser Sicht ja gerade in der Produktion solcher Ko-Konstruktionen (vgl. Kapitel 3).

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  5. In der Archäologie des Wissens vertritt Foucault die Auffassung, dass die diskursiven Beziehungen die primären und sekundären Beziehungen beeinflussen würden. Der Diskurs würde somit die diskursiven und die nicht-diskursiven Praktiken miteinander verbinden und wäre den nicht-diskursiven Beziehungen vorgängig. Foucault gibt diese strukturalistisch geprägte Sichtweise in späteren Schriften auf und geht weitaus differenzierter auf die wechselseitige Abhängigkeit von diskursiven und nicht-diskursiven Praktiken ein. Zur weiteren Diskussion (vgl. Dreyfus / Rabinow 1994, siehe auch Abschnitt 2.4.2).

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  6. Gerade hinsichtlich der Veränderbarkeit des Gegenstands wird deutlich, dass die Wahl des Begriffs Kompetenz zwar ein begründetes (vgl. Einleitung), aber letztlich doch nur ein Hilfskonstrukt sein kann, um das zu bezeichnen, was das Interesse dieser Arbeit ist. Foucault selbst weist darauf hin, dass es unmöglich sei, „dass man ohne Bezugspunkte alle möglicherweise so erscheinenden Relationen beschreiben kann. Bei einer ersten Annäherung muss man eine provisorische Zerteilung in Kauf nehmen: Ein anfängliches Gebiet, das bei der Analyse umgestoßen und, wenn nötig, neu organisiert wird“ (Foucault 1981: 45/46).

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  7. Der markanten positiven Rechtfertigung der foucaultschen Skepsis gegenüber der Hermeneutik soll nicht völlig unkommentiert zugestimmt werden. Auf eine eingehende Diskussion hierzu soll aber aufgrund der tief greifenden und umfassenden Thematik an dieser Stelle verzichtet werden. Zur kritischen Auseinandersetzung weiterführenden Diskussion vgl. Hitzler (2002).

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  8. Ein typisches Beispiel für solche Deutungsangebote sind die Technologien des Selbst, wie sie von Foucault (1993) beschrieben werden. Keller (2005b) bezeichnet diese besondere Form der Deutungsmuster als Subjektpositionen.

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  9. Bei Goffman wird der Rahmenbegriff oftmals in einer doppelten Bedeutung genutzt. Er bezeichnet dann sowohl die konkreten Referenzsetzungen (frame in use) als auch die Aspekte des bereits vorgängig Existierenden (frame as structure), die er als durch Sozialisation vermittelt begreift (vgl. Goffman 1980). Die hier entwickelte Begriffsbestimmung soll dieser Doppeldeutigkeit begegnen.

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  10. Zu den einzelnen Merkmalen des Gesprächs vgl. Deppermann (2001).

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  11. Lepschy (1995) begreift die agentenseitige Entscheidungsfindung als ein Abwägen der Übereinstimmung möglichst vieler Zielkriterien und lehnt sich damit eher an Studien eignungsdiagnostischer Provenienz an, die aus bereits erläuterten Gründen in der vorliegenden Arbeit nicht berücksichtigt werden (vgl. Einleitung).

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  12. Gleichzeitig ist nicht zu missachten, dass die Bewerbungsgespräche als Aushandlungspraktiken zu verstehen sind (siehe Abschnitt 2.3.4) und somit auch die Sanktionsentscheidungen stets mit einem gewissen Maß an situativer Varianz verbunden sind. Struck (2001) sieht durch den Ermessenspielraum der Gatekeeper gerade eine wichtige Funktion des Gatekeeping gewährleistet, nämlich die Erhaltung der Stabilität der Institution einerseits bei einem gleichzeitigen Erhalt einer kontingenten Umweltoffenheit.

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  13. An diesem Punkt soll die Diskussion über die Abgrenzung von Diskurs und Praxis, also von diskursiven und nicht-diskursiven Praktiken zugespitzt werden. Foucault selbst löst dieses Problem zunächst dadurch, dass er zwischen Diskurs und Institution unterscheidet. So versteht er unter einer Institution „jedes mehr oder weniger aufgezwungene, eingeübte Verhalten. Alles was in einer Gesellschaft als Zwangssystem funktioniert, und keine Aussage ist, kurz also: alles nicht-diskursive Soziale ist Institution“ (Foucault 1978: 125). Diese — weder seine Interviewpartner(innen) noch den Leser(innen) noch anscheinend sich selbst — wenig überzeugende Differenzierung hebt er schließlich sehr pragmatisch auf, indem er darauf verweist, dass eine konkrete Abgrenzung beider Ebenen für die Analyse des Dispositivs nicht von Bedeutung sei. Diese theoretisch wenig befriedigende Antwort soll für das vorliegende theoretisch-heuristische Konzept dahingehend spezifiziert werden, dass zwischen der Ebene des Diskurses und der Ebene der Bewerbungsgespräche lediglich eine analytische Trennung von diskursiven und nicht-diskursiven Praktiken vorgenommen wird. Denn gerade die Tatsache, dass viele Praktiker(innen) theoretische Beiträge in mehr oder weniger wissenschaftlich ausgerichteten Fachzeitschriften publizieren oder gar eigene Monographien auf den Markt bringen, zeigt auf, dass sich schon auf der Ebene der Akteur(inn)enschaft massive Vermischungen abzeichnen. So füllt ein und derselbe Akteur u.U. eine Sprecherposition des Diskurses aus und ist zugleich Adressat der diskursiv angebotenen Subjektposition (zur begrifflichen Unterscheidung vgl. Keller 2005b). Und auch die oben beschriebenen Adaptionsleistungen der sozialen Akteure macht eine präzise Unterscheidung von symbolischen und lebensweltlichen Referenzsetzungen schwierig. Um diesem Dilemma zu entgehen und nicht in das nächste zu gelangen — nämlich jegliches Agieren und jegliche Vergegenständlichung als diskursiv zu interpretieren — soll für das theoretisch-heuristische Konzept der vorliegenden Arbeit eine ähnlich pragmatische, aber analytisch hinreichende Lösung gefunden werden. Es wird demnach davon ausgegangen, dass sich die Ebenen der diskursiven Praktiken und der institutionalisierten Handlungspraktiken als typischer Weise diskursive bzw. nichtdiskursive Praktiken verstehen lassen. Diese Sichtweise schließt somit eine Überschneidung keineswegs aus, agiert aber mit den jeweiligen Typiken der Ebenen der Wirklichkeitskonstitution wie sie insgesamt in diesem Kapitel beschrieben sind.

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(2008). Das Konstrukt Kompetenz — Ein theoretischheuristisches Modell. In: Kompetenzdiskurs und Bewerbungsgespräche. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-91046-8_2

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-531-91046-8_2

  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften

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