Auszug
Wenn von Sartres Intersubjektivitätstheorie die Rede ist, dann bezieht man sich hauptsächlich auf das berühmte Blick-Kapitel in seinem philosophischen Hauptwerk Das Sein und das Nichts von 1943. Zum einen ist es eben jene von Honneth so bezeichnete »Aura der radikalen Desillusionierung« (Honneth 2003: 71), von der die Faszination der Analyse des Blicks ausgeht. Zum anderen wird aber gerade jener Negativismus zum Vorwurf gemacht, der den Schwerpunkt auf den Konflikt legt, gelingende zwischenmenschliche Verhältnisse offenbar ausschließt und in jener berühmten Erklärung aus Sartres Theaterstück Geschlossene Gesellschaft (Huis Clos) gipfelt: »die Hölle, das sind die anderen« (Sartre 1991: 59). Wie ein roter Faden durchzieht daher auch der — natürlich verständliche — Vorwurf des Negativismus die gesamte Forschungsliteratur, die sich mit dem Thema der Intersubjektivität beschäftigt hat (vgl. z. B. Danto 1993, Honneth 1999, Waldenfels 1987). Nach jenen zwar verführerisch düsteren, aber dennoch überspannt wirkenden Ausführungen in Das Sein und das Nichts sind Reziprozität und Symmetrie ausgeschlossen, da ich entweder vom Anderen angeblickt, also objektiviert werde oder meinerseits den Anderen anblicke, also objektiviere. Entweder bin also ich Objekt und der Andere ist Subjekt oder ich bin Subjekt und der Andere ist Objekt: Es fällt ins Auge, dass es in erster Linie Sartres ontologischer Dualismus ist, der seine phänomenologischen Beschreibungen durchdringt und für die starren Entgegensetzungen verantwortlich ist, die sich immer wieder in Das Sein und das Nichts durchsetzen.
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Literatur
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Sartre, Jean-Paul (1985), Der Idiot der Familie. Gustave Flaubert 1821 bis 1857. Bd. 1: Die Konstitution, Reinbek bei Hamburg: Rowohlt
Sartre, Jean-Paul (1985a), Über Der Idiot der Familie. Interview mit Michel Contat und Michel Rybalka, in ders.: Was kann Literatur? Interviews, Reden, Texte 1960–1976, Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, S. 150–169
Sartre, Jean-Paul (1988), Sartre über Sartre 1969. Interview mit new left review, in ders.: Sartre über Sartre. Autobiographische Schriften, Reinbekbei Hamburg: Rowohlt, S. 163–187
Sartre, Jean-Paul (1990), Was ist Literatur? Reinbek bei Hamburg: Rowohlt
Sartre, Jean-Paul (1991), Geschlossene Gesellschaft. Tote ohne Begräbnis. Die respektvolle Dirne, Reinbek bei Hamburg: Rowohlt
Sartre, Jean-Paul (1994), Das Sein und das Nichts. Versuch einer phänomenologischen Ontologie, Reinbek bei Hamburg: Rowohlt
Sartre, Jean-Paul (1999), Fragen der Methode, Reinbek bei Hamburg: Rowohlt
Sartre, Jean-Paul (2005), Entwürfe für eine Moralphilosophie, Reinbek bei Hamburg: Rowohlt
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Bonnemann, J. (2008). Wege der Vermittlung zwischen Faktizität und Freiheit Zur Methodologie der Fremderfahrung bei Jean-Paul Sartre. In: Phänomenologie und Soziologie. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-91037-6_17
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