Auszug
Bereits in den zwei vorangegangenen Auswertungskapiteln wurden unter unterschiedlichen Perspektiven die Bezüge der Selbstbeschreibungen zu Gesellschaft, (Bildungs-) Politik oder zu den hinter der Arbeit stehenden Prinzipien untersucht. In dem nun folgenden Kapitel soll dies systematisch bezogen auf die Frage nach einer Orientierung der Selbstbeschreibungen an weltanschaulichen Idealen, gesellschaftspolitischen Konzepten oder übergeordneten Wertvorstellungen stattfinden. Der Blick in die Geschichte des Berufsbildes hat gezeigt, dass das Selbstverständnis der Erwachsenenbildung und ihrer Akteure sich im Laufe der Entwicklung immer wieder geändert hat, an gesellschaftliche Veränderungen und Umbruchsituationen angepasst, von ihnen beeinflusst oder auch vereinnahmt wurde. In unterschiedlichen Zeitabschnitten und unter wechselnden Vorzeichen lassen sich Tendenzen beobachten, die Erwachsenenbildung in den Dienst und unter die Logik anderer Systeme zu stellen. Bereits in den Wurzeln der Erwachsenenbildung zeichnet sich diese Figur ab. Die Erwachsenenbildung der Weimarer Republik ist getragen von einem Berufungs- und Missionsgedanken und versteht sich eher als ‚Bewegung’ denn als eine zu etablierende Profession. Entsprechend ist die Selbstbeschreibung der Akteure die von „Protagonisten einer sozialen Bewegung“ und grenzt sich ab von einem „Fachmenschentum“ (Nittel 2000, S. 95). Aber auch in den 70er und 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, die durch einen Ausbau der Erwachsenenbildung und die Etablierung der neuen sozialen Bewegungen geprägt sind, reproduzieren viele ErwachsenenbildnerInnen häufig die institutionelle Selbstbeschreibung der Träger oder die normative Programmatik eines bestimmten pädagogisch-politischen Lagers. Nittel sieht Parallelen zwischen diesen beiden Entwicklungsphasen: Der Beruf des Erwachsenenbildners ist in der Weimarer Republik nach dem Vorbild einer Mission gestaltet, in der Phase der Bildungsreform ist es das Modell des vorwiegend emanzipatorischen Zielen folgenden Planers und Organisators, der ebenfalls im Dienste höherer Zwecke agiert. (Nittel 2000, S. 129) Er diagnostiziert eine „überpolitisierung“ der Erwachsenenbildung in dieser Zeit, die mit einer Zersplitterung des Berufsbildes einhergeht, welche den Aufbau eines inneren Commitments gegenüber einem Grundgedanken erwachsenenpädagogischen Handelns erschwert (ebd., S. 120 f.). Gieseke formuliert die These, dass „… die hohe politische Außenorientierung, die von den Berufsvertretern bewusst und fraglos als inhaltlicher Kern des eigenen Tuns übernommen wurde, mitentscheidend für die nicht gelungene professionelle Entwicklung ist.“ (Gieseke 2001, S. 295). Damit ist die Ausbildung und die Vertretung eines Zentralwertbezuges der Erwachsenenbildung jenseits von gesellschaftspolitischen oder wirtschaftlichen Interessen erschwert. Eine zentralwertbezogene Definition von Erwachsenenbildung, also eine klare Bezugnahme auf die Bildung und das Lernen Erwachsener, ist Merkmal und Voraussetzung der Etablierung der Profession.
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(2008). Technikorientierung versus Mission. In: Berufskulturelle Selbstreflexion. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-91000-0_9
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