Auszug
Das allgemeine und übergeordnete Ziel der vorliegenden Arbeit lautet, den Prozess der Institutionalisierung von Diversity Management in deutschen Organisationen zu untersuchen. Institutionen setzen Diskurse voraus und werden durch sie gestützt (Phillips et al. 2004). Deswegen wird als forschungsmethodologischer Hintergrund die Diskursanalyse gewählt, denn sie fragt danach,
„was [jeweils gültiges] Wissen überhaupt ist, wie jeweils gültiges Wissen zustande kommt, wie es weitergegeben wird, welche Funktion es für die Konstituierung von Subjekten und die Gestaltung von Gesellschaft hat und welche Auswirkungen dieses Wissen für die gesamte gesellschaftliche Entwicklung hat“ (Jäger 2001, S. 81).
In den Organisationswissenschaften finden sich zahlreiche Untersuchungen65, die beleuchten, inwiefern diskursive Praxen in organisationale Prozesse und die Routinen organisationalen Verhaltens ‘eingewoben’ sind. Auch an organisationswissenschaftlichen Studien, die auf den Foucaultschen Ansatz rekurrieren, mangelt es nicht (bspw. Kondo 1990; Casey 1995; du Gay 1996). Empirische Analysen, in denen auf theoretisch-konzeptioneller Ebene Diskursanalyse und neoinstitutionalistische Organisationstheorie verbunden werden, finden sich bis dato nur wenige (Höhne/Nousch/Seyfert 2004; Maguire/Hardy 2006; Meyer 2004; Phillips et al. 2004; Selsky et al. 2003). Die beiden Ansätze weisen einige Differenzen und Parallelen auf, die im Anschluss an die Vorstellung der wissenssoziologischen Diskursanalyse besprochen werden (vgl. Kap. 4.1.3).
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Literatur
Ein Überblick findet sich bei Grant/ Keenoy/ Oswick (1998, S. 4).
Im angelsächsischen und romanischen Sprachgebrauch ist der Diskursbegriff auch im nichtwissen-schaftlichen Bereich geläufiger als in Deutschland. So bezeichnet (engl.) ‘discourse’ ein einfaches Gespräch, eine Unterhaltung zwischen verschiedenen Personen (vgl. Keller 2004, S. 13).
Einen Überblick liefert Keller (1997).
“For many writers, discursive processes and outcomes have remained an unacknowledged and taken for granted aspect of managerial work rather than as being integral to effectiveness; and when it has been included, it is usually addressed in a limited, indirect or implicit way” (Oswick et al. 1997, S. 8).
Weitere diskurstheoretische ‘Compagnons’, sind die VertreterInnen der Cultural Studies (Stuart Hall 1994; John Fiske 1989), der Feministischen Theorie (Judith Butler 1991, Gayatri C. Spivak 1994) und des Postkolonialismus (Edward W. Said 1978, Homi Bhabha 1993).
Was die öffentliche Wirkung betrifft, ist Foucault der heute weltweit am meisten diskutierte Philosoph, wenn es um Poststrukturalismus oder Postmoderne geht. Eine vor seinem Tode erschiene Bibliographie verzeichnete bereits 729 Titel (vgl. Fink-Eitel 1990, S. 7).
Formationsregeln sind Existenzbedingungen, aber auch Bedingungen der Koexistenz, der Aufrechterhaltung, der Modifizierung und des Verschwindens in einer gegebenen diskursiven Verteilung (vgl. Foucault 1981, S. 58)
Foucaults Machtanalyse unterscheidet sich auch von der wissenssoziologischen Perspektive der kritischen Theorie, da Macht hier nicht die Herrschaft einer ökonomischen Klasse über eine andere und auch nicht die Folge eines Vertrags ist. Macht ist gleichsam unentrinnbares Entwicklungs-und Integrationsprinzip der Gesellschaft (vgl. Knoblauch 2001, S. 211).
Es erscheint aber zugleich unangemessen, die gesamte Machttheorie Foucaults zu übernehmen. Macht erscheint aus seiner Sicht so omnipräsent, dass jede Analyse sich schon a priori als Entlarvung gebärdet, und vor allem ist der Begriff der Macht so allgemein, dass er keine analytische Klärung mehr ermöglicht (vgl. Knoblauch 2001, S. 212).
Ausnahmen sind die Arbeiten von Höhne/ Nousch/ Seyfert (2004) und Meyer (2004). Andere neoinstitutionalistische Untersuchungen rekurrieren vorwiegend auf den gesprächsanalytischen Zweig der ‘discourse analysis’ (siehe hierzu Phillips et al. 2004; Maguire/Hardy 2006; Selsky et al. 2003).
Da Phillips et al. (2004) auf die linguistische Diskursanalyse rekurrieren, beschränken sie sich fast ausschließlich auf schriftlich fixierte und mündliche Texte. Im Sinne der Wissenssoziologischen Diskursanalyse wird der Begriff des ‘Texts’ um audiovisuelle und materiale Aussagereignisse erweitert. Im Folgenden werden die Begriffe ‘Aussagereignis’ und ‘Text’ synonym verwendet.
Sensemaking: Sinngebung erfolgt retrospektiv, d.h. Aktivitäten und Ereignissen wird erst rückblickend Sinn zugeschrieben (Weick 1985, S. 276).
Foucault verengt den Begriff der ‚Institution‘ auf „alles nicht-diskursive Soziale“ (1978b, S. 125) innerhalb eines Dispositivs. Unter Dispositiv versteht er „ein entschieden heterogenes Ensemble, das Diskurse, Institutionen, architekturale Einrichtungen, reglementierende Entscheidungen, Gesetze, administrative Maßnahmen, wissenschaftliche Aussagen, philosophische, moralische oder philanthropische Lehrsätze, kurz: Gesagtes ebenso wohl wie Ungesagtes umfasst. Das Dispositiv ist das Netz, das zwischen diesen Elementen geknüpft werden kann“ (Foucault 1978a, S. 119 f.). Institutionen sind also nicht-diskursive Dispositive. Er beschreibt sie als Zwangssysteme zur Einübung und zum Aufzwingen eines bestimmten Verhaltens, welches zwar seinerseits als durchaus artikuliert und signifikant i.S. von beschreibbar sein kann, jedoch, wie Foucault explizit hervorhebt, seine Wirkung dadurch zeitigt, daß es „nicht in eine Rationalität eingegangen“ sei, also eher implizit vermittelt wird (ebd. 123 f.).Wenngleich er diskursive und nicht-diskursive Praktiken unterscheidet, relativiert er diese Differenzierung mit dem Hinweis, dass es für das Konstrukt des Dispositivs kaum von Bedeutung sei, ob eine Praktik diskursiv oder nicht-diskursiv ist, da die ‘Rede’ dem Denken untergeordnet ist (vgl. Foucault 1978a, S. 125).
Den Begriff der ‘Werkzeugkiste’ verwendet auch Foucault selbst, der dazu bemerkt: „Alle meine Bücher (...) sind, wenn Sie so wollen, kleine Werkzeugkisten. Wenn die Leute sie aufmachen wollen und diesen oder jenen Satz, diese oder jene Idee oder Analyse als Schraubenzieher verwenden, um die Machtsysteme kurzzuschließen, zu demontieren oder zu sprengen, einschließlich vielleicht derjenigen Machtsysteme, aus denen diese meine Bücher hervorgegangen sind — nun gut, umso besser.“ (Foucault 1976, S. 53)
Finden sich solche Strategien, ist das ein Hinweis auf Aussagen, die „zu einem bestimmten Zeitpunkt in einer bestimmten Gesellschaft noch nicht, oder nicht mehr’ sagbar’ sind, da es besonderer ‚Tricks‘ bedarf, wenn man sie doch äußern will, ohne negativ sanktioniert zu werden“ (Jäger 2001, S. 84).
Dennoch setzen sich Methodenlehrbücher kaum mit dieser Interviewform auseinander (vgl. Deeke 1995, S 7). Es scheint das Motto zu gelten: „Alle tun es, aber keiner spricht darüber“ (Vogel 1995, S. 73).
Mayring (2003, S. 82 f.) unterscheidet vier Formen der strukturierenden Inhaltsanalyse: Formale, typisierende, skalierende und inhaltliche Strukturierung. In vorliegender Untersuchung wurde die ‘inhaltliche Strukturierung’ gewählt, deren Ziel es ist, Material zu spezifischen Themen oder Inhaltsbereichen zu extrahieren und zusammenzufassen. Dementsprechend wurde die ‘inhaltliche Strukturierung’ in das allgemeine Modell integriert (Schritt 8–10).
Über Möglichkeiten und Grenzen des Einsatzes qualitativer Datenanalysesoftware in der sozialwissenschaftlichen Diskursanalyse siehe u.a. Diaz-Bone/ Schneider (2004).
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Lederle, S. (2008). Forschungsmethodischer & -theoretischer Hintergrund. In: Die Ökonomisierung des Anderen. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-531-90993-6_4
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Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden
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