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Theoretische Dimensionen der Lesesozialisation

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Lesesozialisation in der Familie

Auszug

Im dritten Kapitel der Untersuchung werden die zentralen Dimensionen der familialen Lesesozialisation hergeleitet sowie Forschungshypothesen formuliert, die im empirischen Teil überprüft werden sollen. Ausgegangen wird von der Vorstellung, dass sich Familien hinsichtlich externer und interner Dimensionen der Lesesozialisation unterscheiden. Unter „externen“ Dimensionen werden im Folgenden diejenigen Faktoren verstanden, die die Lesesozialisation von Kindern quasi „von außen“ und eher indirekt beeinflussen, während „interne“ Dimensionen definiert werden als Merkmale, die sich in Gewohnheiten und Verhaltensweisen der Familienmitglieder niederschlagen, und die sich auch in Anlehnung an den gegenwärtigen Forschungsstand auf das Elternvorbild, Interaktionen in der Familie (z.B. prä- und paraliterarische Interaktion, direkte Kommunikation) sowie eine zurückhaltende Fernsehnutzung 54 beziehen (vgl. z.B. Van Peer 1991, 543; Leseman u. De Jong 1998, 294ff.; Tullius 2001, 79; Kraaykamp 2003, 237; Hurrelmann, B. 2004b, 179; Hurrelmann, B. 2004c, 47f.). Als weitere Differenzierungsmerkmale der Lesesozialisation lassen sich Geschlecht (vgl. z.B. Rosebrock 2003, 119; Garbe 2002; Garbe 2003; Artelt u.a. 2005, 46f.) und Alter (vgl. z.B. Lehmann u.a. 1995, 49ff.; Bucher 2004, 142f.) benennen. Die Gliederung dieses Kapitels orientiert sich an der nachfolgenden Darstellung (Abbildung 4), welche die Dimensionen der Lesesozialisation zueinander in Beziehung setzt.

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Literatur

  1. Vgl. hierzu das Interview von Haug (2003) mit Bettina Hurrelmann im Rahmen der Initiative „Lesen in Deutschland — Eine Initiative von Bund und Ländern zur außerschulischen Leseförderung“ unter dem Titel „Im Familienschoß kultiviert — über Jahrhunderte transportiert“, www.lesen-in-deutschland.de, Abruf am 03.08.2005.

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  2. Insbesondere in Deutschland wird in pädagogischen Diskursen der Bildungsbegriff häufig inflationär verwendet und nicht eindeutig definiert (vgl. Von Felden 2005, 44). Bildung, so Lenzen, fungiere als ein „Containerwort“, mit dem sich viele Bedeutungen verbinden (1997, 949). Generell, insbesondere aber in Wortverbindungen, wie Bildungspolitik, Bildungssystem usw., bezeichnet Bildung das gesamte System organisierter und institutioneller Lehrangebote für die Gesellschaft. Speziell ist mit Bildung die Aneignung von Welt durch das Subjekt über die Rezeption des klassischen Bildungsdiskurses gemeint (vgl. z.B. Von Felden 2005, 44). Lenzen unterscheidet verschiedene Dimensionen der Bildung: Erwerb von Kenntnissen, Aneignung von Kompetenzen (z.B. Lesekompetenz), Bildung im Sinne eines lebenslangen individuellen Prozesses und „normative Reflexion gesellschaftlicher Verhältnisse“ im Sinne des klassischen Bildungsverständnisses (vgl. 1997, 951ff.). Die Problematik des Bildungsbegriffes soll hier jedoch nicht weiter vertieft werden.

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  3. Bourdieu hat in seinem Werk drei Formen des kulturellen Kapitals unterschieden: Erstens, kulturelles Kapital, das in verinnerlichtem, inkorporiertem Zustand sich in dauerhaften Dispositionen des Organismus niederschlägt; zweitens, das kulturelle Kapital in objektiviertem Zustand, etwa in Form von kulturellen Gütern, wie Gemälden, Büchern, Lexika, Instrumenten, sowie drittens, kulturelles Kapital, das in institutionellem Zustand vorliegt, z.B. in Form von Zertifikaten oder Titeln (vgl. Bourdieu 1983, 185).

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  4. Funktionale Aspekte, die sich z.B. in Lesegewohnheiten der Eltern niederschlagen und somit die durch die Familie vermittelten „Bildungsinhalte“ im weiteren Sinne tangieren, werden an anderer Stelle ausführlicher behandelt (vgl. Kapitel 3.2). Mit dem Zusammenhang zwischen Bildungsleistungen von Familien und deren Bedeutung für die kulturelle und soziale Teilhabe des Einzelnen wie auch der Gesellschaft befasste sich das DFG-Projekt „Familiale Bildungsstrategien als Mehrgenerationenprojekt“ (Kennziffer: 72.005.02p; Laufzeit: 01.2001–12.2004) (vgl. hierzu z.B.: Brake u. Büchner 2003, 618–638; Büchner 2005, 176–201).

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  5. Vgl. hierzu auch das jüngst erschienene erste Jahresgutachten des Aktionsrats Bildung (2007) unter dem Titel „Bildungsgerechtigkeit“.

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  6. Büchner spricht beispielsweise von einer „Stagnation der Ungleichheitsdebatte“ (2003, 6). Nach Krais (1996, 131) hat sich ein sogenannter „harter Kern“ auch während der 1970er und 1980er Jahre weiterhin mit dem Thema Bildungsungleichheit beschäftigt.

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  7. Cloer bedient sich einem Ansatz der bildungswissenschaftlichen Biographieforschung, um aktuelle bildungstheoretische Probleme auf alternative Weise zu erschließen. Er bezieht sich auf den im Jahre 2001 erschienenen autobiographischen Roman „Das verborgene Wort“ von Ulla Hahn, die erinnernd-deutend über ihre Sozialisation, Bildung, Enkulturation und (Lese-)Sozialisation in den 1950er Jahren erzählt (vgl. 2005, 153f). Er fragt danach, „ob sich aus der Selbstvergewisserung der Ich-Erzählerin Kategorien des Allgemeinen erschließen lassen, die Befreiungsbewegungen aus solchen familialen Verengungen verstehen lassen“ (Cloer 2005, 155f.). Die Thematik dieses Romans verweist quasi auf ausgeprägte familiale Ungleichheitslagen hinsichtlich der kulturellen Teilhabemöglichkeiten (Bildung) und der vermittelten Weitergabe der kulturellen Bestände (Sozialisation, insbesondere Lesesozialisation) (vgl. ebenda, 151) und steht somit in einem Zusammenhang mit der engeren Fragestellung dieser Dissertation.

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  8. Der von Riesman verwendete Terminus bezieht sich auf den „Teil des ‚Charakters’, wie er bestimmten Gruppen gemeinsam ist und der [...] das Produkt dieser Gruppen darstellt“ (Riesman 1958, 21).

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  9. Bereits Lütkens (1959) hat die Schule als „Mittelklasseinstitution“ bezeichnet.

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  10. In der Literatur finden sich Belege, dass sich selbst in Gruppen mit niedrigem Sozialstatus so genannte „unerwartete“ Leser identifizieren lassen (vgl. bei Köcher 1988, W2298; Fritz 1991, 79; Hurrelmann, u.a. 1993, 299ff.).

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  11. Diese Schwäche hatte Kohn in seinen Ausführungen bereits deutlich gemacht: „It is, moreover, a reasonable supposition, although not a necessary conclusion, that middle-and working-class parents value different characteristics in children because of these differences in their occupational circumstances.“ (Kohn 1963, 476)

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  12. Es finden sich Hinweise bei Malte Dahrendorf, dass sich die frühe Lesesozialisationsforschung in der Bundesrepublik Deutschland ab Mitte der 1960er Jahre auf Basis der fortgeschrittenen anglo-amerikanischen Sozialisationstheorie in Verbindung mit der Schichtproblematik sowie den Arbeiten Bernsteins im Bereich der Soziolinguistik entwickelt hat (vgl. Dahrendorf, M. 1980, 143). Auch innerhalb der gegenwärtigen Lesesozialisationsforschung wird nach wie vor vielfach auf Bernstein Bezug genommen (vgl. hierzu: Hurrelmann, B. 2002, 176ff.; Hurrelmann, B. 2004c, 46), ebenso innerhalb der aktuellen Bildungsforschung (z.B. bei Dijkstra u. Peschar 2003, 61; Brake u. Büchner 2005, 630).

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  13. In die Analysen sind folgende unabhängige Variablen eingegangen: Lesesozialisation, Buchbesitz der Eltern, Lesevorbild der Eltern, durchschnittliche Nutzungsdauer des Fernsehens, Lebensphasen, Geschlecht, Alter, Haushaltsnettoeinkommen, Berufstätigkeit, formale Bildung, Ortsgrößenklassen (vgl. Tullius 2001, 79).

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  14. Beispielweise hat Gattermaier (2003, 42f.) den sozialen Status einer Familie durch Indexbildung über diese beiden Kriterien ermittelt, indem er im ersten Schritt für den Bildungsabschluss und die berufliche Position Punkte vergeben hat, diese im zweiten Schritt für Vater und Mutter addiert und im dritten Schritt durch zwei dividiert hat. Diese Werte hat er zu Kategorien zusammengefasst und den Schülern zugewiesen.

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  15. Ein ähnliches Ergebnis wurde sieben Jahre später für Baden-Würtemberg repliziert. Demnach weisen 62 Prozent aller Paare mit Kindern den gleichen Bildungsabschluss auf, während nur sieben Prozent der Partner sich in zwei oder drei Bildungsstufen unterscheiden (vgl. Eggen u. Leschhorn 2004, 8).

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  16. Schon 1932 hat Geiger vor einer solchen Einteilung gewarnt, weil mit ihr „erhebliche qualitative Unterschiede [...] eingeebnet und vergewaltigt werden“ (Geiger 1932/1987, 18).

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  17. Beispielsweise kritisieren Grundmann u.a. (2003), dass ein solcher Bildungsbegriff außerschulische Aspekte der Bildung, die etwa im Zuge der Sozialisation in der Familie erworben werden, automatisch ausblenden würde (vgl. 27). Hierzu: „Die häufig anzutreffende Gleichsetzung von Bildung und erworbenen Bildungspatenten, die auf Grundlage standardisierter Bildungsinhalte erworben werden, verfehlt diejeningen Momente von Bildung, die quer zu den in der Schule vermittelten Bildungsformen und-inhalten liegen. Insofern ist der Bildungsbegriff aus seiner institutionellen Verankerung zu entgrenzen.“ (Ebenda 2003, 27) Im Rahmen dieser Arbeit werden solche Aspekte, z.B. mit den Lesegewohnheiten der Familienmitglieder, zumindest teilweise abgebildet.

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  18. Aus diesen Daten geht allerdings nicht hervor, ob ausschließlich in der Freizeit gelesen wurde oder nicht (vgl. Tullius 2001, 62f.).

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  19. Abgesehen wird an dieser Stelle von einer näheren Ausführung über die ersten theoretischen Grundlagen über das Konzept der sozialen Zeit, wie es von Durkheim (1912/1968), Sorokin u. Merton (1937) und Gurvich (1964) formuliert wurde.

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  20. So heißt es bei Zerubavel: „While time is definitely one of the most central dimensions of the social world, it has so far been relatively neglected by sociologists, who have dealt with it [...] only as an aspect of other phenomena, such as social change or leisure, and hardly ever as a topic of its own right.“ (1981, ix)

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  21. Verwandte Begrifflichkeiten sind z.B. „time famine“, „time scarcity“, „time poverty“, „hurry sickness“ usw. (Daly 2001b, 4). Innerhalb des skandinavischen Forschungsraumes, so etwa in Norwegen, spricht Ellingsæter (2005) von „tidsklemme“ (dt.: Zeitklemme; [eigene Übersetzung]) als „Metapher für unsere Zeit“ und Kitterød (1999) von „tidspress“ (dt.: Zeitdruck; [eigene Übersetzung]).

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  22. Auch Bell (1976) spricht von „Zeitkosten“ (353).

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  23. Eine ähnliche Einteilung wurde im Rahmen der europäischen Studie „Children and their Changing Media Environment“ mit Blick auf die Fernsehnutzung vorgenommen (vgl. Krotz u.a. 1999, 50). Aus sprachökonomischen Gründen werden die letztgenannten Intervalle im Folgenden auch als Nachmittags-und Abendintervall bezeichnet.

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  24. Coleman veranschaulicht das Konzept des „social capital“ am Beispiel des englischen Nationalökonomen John Stuart Mill (1806–1873), der bereits im Vorschulalter von seinem Vater in Latein und Griechisch unterrichtet wurde. Er habe wahrscheinlich keine besonderen genetischen Prädispositionen gehabt und die Bildungsaktivitäten seines Vaters seien sicherlich nicht extensiver als diejenigen von einigen seiner Zeitgenossen gewesen (Coleman 1988, 109). Grundlegend seien „the time and the effort spent by the father with the child on intellectual matters“ gewesen (ebenda, 110). Mit diesen Beispielen wollte Coleman offenbar die Bedeutung des „sozialen Kapitals“ innerhalb einer Familie für die intellektuelle Entwicklung des Kindes illustrieren. Dieser Gedanke lässt sich uneingeschränkt auf die Lesesozialisation des Kindes in der Familie übertragen.

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  25. Dies lässt sich auch mit folgenden Worten treffend beschreiben: „In Deutschland finden sich [..] Eltern heute im Konflikt zwischen dem Wunsch und der Notwendigkeit, erwerbstätig zu sein, den hohen Ansprüchen an die Zeit, die sie meinen, für ihr[e] Kinder aufbringen zu müssen [...]. Einer geringeren Zeitmenge für elterliche Sorgearbeit steht ein erhöhter Bedarf an elterlicher Sorgezeit gegenüber; heutige Eltern haben im Vergleich zu früheren Generationen weniger Zeit für ihre Kinder, obwohl sie mehr Zeit brauchen.“ (Zeiher 2005, 207)

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  26. Dazu bemerkt Homans: „Wer an Kommunikation denkt, denkt an Kommunikation in Worten, hier aber verstehen wir unter Interaktion sowohl die verbale als auch die nichtverbale Kommunikation.“ (1978, 61)

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  27. Auch wenn innerhalb der gegenwärtigen Forschung die Familie weitgehend als ein „sich entwickelndes dynamisches System“ (Kreppner 2002, 323) verstanden wird, ist von dieser Sichtweise aufgrund der gewählten Forschungsperspektive und Methodik zu abstrahieren, da eine Betrachtung von Entwicklungsverläufen ausbleibt und eine Momentaufnahme vorgenommen wird (siehe Kapitel 2.2).

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  28. Der Abstand zwischen der Fernsehdauer des ältesten Kindes und der Fernsehdauer der Eltern lag an Werktagen bei rund 80 Prozent; während Mutter und Vater angegeben hatten, an Werktagen im Durchschnitt knapp zwei Stunden fernzusehen, lag dieser Wert beim ältesten Kind bei nur rund einer Stunde. Im Falle des Lesens wurden für Mütter und das älteste Kind annähernd gleich hohe Mittelwerte dokumentiert (39 Minuten; 40 Minuten), während der Durchschnittswert bei Vätern mit 25 Minuten leicht darunter lag (vgl. Hurrelmann, B. 1987, 2507f.).

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  29. Beispielsweise unterscheidet Schneewind drei übergeordnete „Strukturdimensionen von Familiensystemen“, nämlich Familien mit positiv-emotionalem Klima, solche mit anregendem Klima und normativ-autoritäre Familien (1999, 103).

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  30. Die insbesondere in der Familie ausgeprägte Intensität und Wechselseitigkeit der sozialen Beziehungen findet im Rahmen der Netzwerkanalyse auch unter dem Begriff der „strong ties“ ihren Niederschlag (vgl. Schenk 1994, 20). „Die starken Beziehungen werden als dauerhaft, reziprok, intim und intensiv beschrieben und beinhalten eine relativ hohe Interaktionsfrequenz.“ (ebenda, 20)

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  31. Anschlusskommunikationen, d.h. informelle und formelle Kommunikationsprozesse beim und nach dem Lesen, haben insbesondere im belletristisch-literarischen Bereich, zumindest für bestimmte Gesellschaftsgruppen, seit jeher eine tragende Rolle gespielt, ohne dass sie explizit so benannt wurden (vgl. Artelt u.a. 2005, 41). Die Literarischen Salons im Frankreich des 17. bis 19. Jahrhunderts (vgl. z.B. Rièse 1962), die Salons der Romantikerinnen in Deutschland während des 19. Jahrhunderts (vgl. z.B. Drewitz 1965) sowie die literarischen Gesellschaften des 20. Jahrhunderts, welche sich mit bestimmten Autoren oder Epochen beschäftigten (vgl. z.B. Arnold 1991), lassen sich als historische Beispiele formeller Anschlusskommunikation benennen. Als Beispiel informeller Kommunikationsprozesse lassen sich die Anschlusskommunikationen über Literatur zur Zeit des Großbürgertums heranziehen (vgl. hierzu: Artelt u.a. 2005, 41).

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  32. Die entsprechende Frage lautete: „Wie oft kommt es im Allgemeinen vor, dass deine Eltern gemeinsam mit dir am Tisch sitzen und zu Mittag oder Abend essen?“ oder „[...], dass deine Eltern sich Zeit nehmen, um einfach nur mit dir zu reden?“ Als Antwortmöglichkeiten wurden auf einer Fünferskala die folgenden Kategorien vorgegeben: „nie oder fast nie“, „ein paar Mal im Jahr“, „etwa einmal im Monat“, „mehrmals im Monat“, „mehrmals in der Woche“. (Deutsches PISA-Konsortium 2002, 249)

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  33. Hierzu Lamp: „[E]mpirical and theoretical considerations indicate that the amount of time spent together is a poor predictor of the quality of the infant’s relationship with either mother or father.“ (1976, 4)

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  34. Montessori und andere Pädagogen hätten bereits von „sensitiven Phasen“ im Zusammenhang mit dem Erwerb der Schriftsprache gesprochen (Wygotsky 1934/1986, 243). So heißt es bei Wygotsky wörtlich: „Das Lernen ist nur dann gut, wenn es Schrittmacher der Entwicklung ist. Dann werden dadurch eine ganze Reihe von Funktionen, die sich im Stadium der Reifung befinden und in der Zone der nächsten Entwicklung liegen, geweckt und ins Leben gerufen. [...]. Daher ist das Lernen nur dann fruchtbar, wenn es innerhalb einer gewissen, durch die Zone der nächsten Entwicklung bestimmten Periode erfolgt. Diese Periode wird von vielen Pädagogen wie Montessori u.a. die sensitive Phase genannt.“ (1934/1986, 243)

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  35. Ein solches Hilfssystem ist demnach in mehrfacher Weise förderlich für den Spracherwerb des Kleinkindes. Erstens ist der erwachsene Interaktionspartner aufgrund der Konzentration auf bekannte „transaktionale Formate“, wie Situationen und Abläufe, dazu in der Lage, diejenigen Merkmale hervorzuheben, die das Kind bereits wahrnehmen kann, und die einer einfachen grammatischen Form entsprechen (vgl. Bruner 1987, 33). Eine zweite Hilfe sind die Anregung und das Vorbild, „einfache Gesten und stimmliche Äußerungen in verschiedenen kommunikativen Zusammenhängen durch komplexere lexikalische und satzähnliche Äußerungen [z.B. das Bitten] zu ersetzen“ (ebenda, 34). Drittens lassen sich sprachliche Formate insbesondere dadurch beschreiben, dass sie aus ‚Ereignissen’ bestehen, die sprachlich verabredet wurden und sprachlich wiederbelebt werden können, und die sich später als ‚Nehmen-wir-an’-Situationen charakterisieren lassen können. Viertens sind diverse psychologische und sprachliche Abläufe anzuführen, die sich von einem Format in ein anderes übertragen lassen. Beispielsweise erfolgt die Namengebung zunächst bei der Bezeichnung von Formaten und wird später auf das Bitten um Formate angewandt (vgl. ebenda, 35).

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  36. In der gegenwärtigen Literatur finden sich Verweise auf empirische bis in die 1950er Jahre zurückdatierende Studien, die die Auswirkungen des gemeinsamen Lesens in Eltern-Kind-Konstellationen auf die Sprach-und frühe Lesentwicklung sowie spätere Lesekompetenz analysierten (vgl. Bus u.a. 1995, 2).

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  37. Es handelt sich hierbei um die erste Meta-Analyse (29) quantitativer Studien, die die Häufigkeit des Vorlesens und deren Wirkung auf die Lesesozialisation analysierten. Qualitative Aspekte des Vorlesens wurden nicht erforscht. Die Autoren begründen dies damit, dass bislang gezeigt werden konnte, dass die Häufigkeit des Vorlesens mit der „Qualität“ in einem positiven Zusammenhang steht. Ferner argumentieren sie, dass die meisten Studien die Vorlese-Häufigkeit erfassen und weniger die Qualität des Vorlesens (vgl. Bus u.a. 1995, 3).

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  38. Im „logographischen“ Stadium beginnen Kinder damit, ihnen bekannte Wörter anhand von globalen Merkmalen unmittelbar zu erkennen. Die Buchstabenfolge wird weitgehend ignoriert und phonologische Faktoren sind sekundär. Erst nachdem das Wort erkannt wurde, wird es ausgesprochen (vgl. Frith 1985, 306). Günther spricht stattdessen von einer „semantischen Phase“, in der Geschriebenes an Bedeutung gewinne. In dieser frühen Phase gehe es weniger um das Lesen von Wörtern, sondern vielmehr um das Erlernen von Bedeutungen (2004, 38). Die „alphabetische Phase“ bezieht sich auf das Wissen und den individuellen Gebrauch von Phonemen und Graphemen sowie auf deren Beziehungen zueinander. Die Buchstabenabfolge und phonologische Faktoren spielen eine zentrale Rolle. In dieser Phase ist das Kind in der Lage, neue Wörter (nicht notwendigerweise korrekt) auszusprechen (vgl. Frith 1985, 306). Günther schlägt hier den Begriff der „phonographischen Phase“ vor. Seiner Ansicht nach geht es in dieser Phase darum, den Lautbezug des Geschriebenen generell zu erkennen, nicht nur um das Erkennen von einzelnen Lauten und Buchstaben (vgl. 2004, 38). In der „orthographischen Phase“ werden Wörter als orthographische Einheiten, idealerweise Morpheme, unmittelbar erkannt, ohne dass sie laut ausgesprochen werden. Diese Phase unterscheidet sich von der logographischen dahingehend, dass ihr eine Systematik zu Grunde liegt und sie non-visuell ist. Im Unterschied zur alphabetischen ist sie non-phonologisch und operiert in größeren Einheiten (vgl. Frith 1985, 306). Günther schlägt hier den Begriff „grammatische Phase“ vor; diese bezieht sich auf die Entdeckung aller Ebenen der Sprachstruktur beim Schreiben und Lesen auf der Wort-, Satz-und Textebene (vgl. 2004, 38).

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  39. Auch wenn seit dem 19. Jahrhundert zumindest in empirischer Sicht der Mutter die zentrale Rolle für eine gelingende Lesesozialisation in der „bürgerlichen Familie“ zugeschrieben wurde, zeigt sich im historischen Rückblick, dass dies keineswegs immer so war, sondern dass diese Rolle bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts dem Vater zugedacht war. So heißt es bei Wild: „Der Vater ist der Lehrer der Kinder“ (1987, 207). In der aufgeklärten Kinderliteratur überwiegt die Zahl der Jungenfiguren wie auch die Anzahl der männlichen Erwachsenen, insbesondere die Anzahl der Väter oder „Vaterfiguren“ (vgl. ebenda, 205ff.). Weiter heißt es bei Wild: „Die aufgeklärte Kinderliteratur reagiert auf die beruflich bedingte Abwesenheit des Vaters damit, daß sie die Teilhabe des Vaters an der Erziehung in quantitativ markanter Weise dargestellt. Die Zahlen signalisieren jedoch auch eine strukturelle Festlegung der Rollen von Vater und Mutter in der Figuration und im Erziehungsprozess. Dem quantitativen Übergewicht der Väter entspricht die strukturell gegebene väterliche Dominanz, die ihren Ausdruck einerseits in der Ausschließung der Mütter aus dem Erziehungsprozeß und andererseits in der zentralen Position findet, die den Vätern in Familie und Erziehung zugewiesen wird“ (1987, 206). Ein Beleg findet sich etwa bei von Goethe in „Dichtung und Wahrheit“ (1811–1814): „Mein Vater lehrte die Schwester in demselben Zimmer Italienisch, wo ich den Cellarius auswendig zu lernen hatte.“ (Von Goethe 1812/1998, 37)

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  40. Es handelt sich hierbei um eine Form des kontinuierlichen, sich unwillkürlich vollziehenden Lernens. Diskontinuierliches Lernen (z.B. eine plötzliche Einsicht) oder willkürliches Lernen (das Auswendiglernen eines Liedes) werden hier nicht näher betrachtet (vgl. hierzu: Ulich 1991, 60).

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  41. Vgl. hierzu die Hinweise bei: Fischer u. Wiswede (2002, 70).

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  42. Es handelt sich hierbei um eine kognitive Theorie (vgl. z.B. Ulich 1991, 70), da sie die Relevanz von Erwartungen hervorhebt und ferner die Rolle stellvertretender Verstärkung sowie symbolischer und selbstregulativer Prozesse betont. Dieser Ansatz befasst sich somit nicht ausschließlich mit äußeren Einflussquellen, sondern unterstellt, dass der Mensch die Möglichkeit ergreift, selbsterzeugte Anreize und Konsequenzen zu schaffen (vgl. Fischer u. Wiswede 2002, 70).

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  43. In Analogie zu Piaget hebt Bandura die Bedeutung des Beobachtens, der Nachahmung sowie der strukturbildenden Abstraktionsfähigkeit des Lernenden hervor. Für beide bedeutet menschliches Lernen ein Auseinandersetzungsprozess mit der Umwelt, ein Prozess, der gleichzeitig immer auch Einwirkung und Aneignung, Anpassung und Veränderung beinhaltet (vgl. Ulich 1991, 70). Analog zu Chomskys Unterscheidung in „competence“ und „performance“, definiert als „the speaker-hearer’s knowledge of his language“ (competence) und „the actual use of language in concrete situations“ (performance) (Chomsky 1969, 4) unterscheidet die soziale Lerntheorie zwischen einer Phase des Lernens sowie einer Phase der Ausführung (vgl. Ulich 1991, 70). Mit Blick auf die Fragestellung bezieht sich die erste Phase auf den Leseaneignungsprozess, während sich die letzte Phase auf Lesegewohnheiten bezieht.

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  44. Bestimmte Modellierungsweisen sind nach Ansicht Banduras unter Umständen besser als andere geeignet, die Aufmerksamkeit zu erregen. Kinder müsse man nicht zwingen fernzusehen, während mündliche oder schriftliche Berichte derselben Aktivitäten ihre Aufmerksamkeit kaum längere Zeit in Anspruch nehmen würden (1979, 49). Weiter heißt es: „Ferner stellen die symbolischen Darbietungsweisen [z.B. im Falle der Schriftsprache] größere Anforderungen an die kognitive Ausgangsfähigkeiten. Beobachter, die über eingeschränkte begriffliche und sprachliche Fähigkeiten verfügen, werden aus Verhaltensdarbietungen größeren Nutzen ziehen als aus verbaler Modellierung.“ (Bandura 1979, 49)

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  45. Wenn von einer „Asymmetrie“ des Lesens gegenüber dem Fernsehen gesprochen wird, dann geschieht dies nicht in Einklang mit kulturpessimistischen Stimmen, die immer wieder versucht haben, insbesondere Buch und Fernsehen zugunsten des Buches gegeneinander auszuspielen (vgl. z.B. Postman 1983; Postman 1985).

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  46. Während die große Mehrheit der Studien von einer negativen Beziehung zwischen Fernsehen und Lesen ausgeht („Hinderungshypothesen“), gehen einige Studien auch von positiven Beziehungen zwischen der Fernsehnutzung und Lesekompetenz aus („Förderungshypothesen“). Die Forschungslage hierzu ist jedoch als relativ prekär einzuschätzen (vgl. Vorderer u. Klimmt 2002; Schreier 2004). Untersuchungen, die sich auf Letztgenannte konzentrieren, wurden bislang primär in denjenigen Ländern durchgeführt, in denen ausländische Filme nicht synchronisiert werden und das Lesen von Untertiteln einen gewöhnlichen Rezeptionsmodus darstellt (vgl. Raeymaeckers 2002 370f.; Reinsch 2002, 32ff.). Es wurde etwa im Rahmen einer niederländischen Studie die Hypothese überprüft, dass das Lesen von Untertiteln nicht-synchronisierter Filme die Fähigkeit des Dekodierens positiv beeinflusst. Dennoch standen Fernsehdauer und Lesekompetenz in einem negativen Zusammenhang. Scheinbar wurde der beim Lesen von Untertiteln entstandene positive Effekt durch andere Faktoren aufgehoben, welche die Entwicklung der Lesekompetenz behindern (vgl. Koolstra u.a. 1991).

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  47. Es lassen sich aber auch Gegenargumente finden: Eine zunehmende Fernsehdauer muss nicht zwangsläufig mit einem Rückgang anderer Aktivitäten verbunden sein, sondern kann sich auch in einer Zunahme des Parallelsehens äußern (vgl. z.B. Kuhlmann u. Wolling 2004, 386ff.; Jäckel u. Wollscheid 2007b, 23f.).

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  48. Iser bezieht sich auf Husserl, der in seinen Beschreibungen des inneren Zeitbewusstseins bemerkt habe, dass jeder „ursprünglich konstituierende Prozeß [...] von Protentionen [beseelt ist], die das Kommende als solches leer konstituieren und auffangen, zur Erfüllung bringen“ (Husserl 1966, 52). Damit werde ein dialektisches Moment betont, das auch den Lesevorgang wesentlich beschreibt (vgl. Iser 1990, 181).

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  49. PISA hat insgesamt fünf Kompetenzstufen mit folgenden Werten unterschieden: Stufe I: 335–407; Stufe II: 408–480; Stufe III: 481–552; Stufe IV: 553–625; Stufe V: 626 oder mehr (vgl. Artelt u.a. 2001, 89ff.; Artelt u.a. 2004, 144f.)

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  50. Die „Leselust“ (Lesefreude) wurde durch die folgende Skala mit den folgenden Items erhoben: „Ich lese nur, wenn ich muss“, „Lesen ist eines meiner liebsten Hobbies“, „Es fällt mir schwer, Bücher zu Ende zu lesen.“, „Ich freue mich, wenn ich ein Buch geschenkt bekomme“, „Für mich ist Lesen Zeitverschwendung“, „Ich gehe gern in Buchhandlungen oder Büchereien“, „Ich lese nur, um Informationen zu bekommen, die ich brauche“, „Ich kann nicht länger als ein paar Minuten stillsitzen und lesen“. (vgl. Deutsches PISA-Konsortium 2002, 286f.)

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  51. Gemäß einer Sekundäranalyse mit den Daten der Zeitbudgeterhebung 2001/02 liegt der Schwerpunkt bei Vätern in Paarhaushalten mit Kindern innerhalb der Haus-und Familienarbeit mit rund einer halben Stunde eindeutig bei der Kinderbetreuung (vgl. Döge u. Volz 2004, 198).

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  52. Im historischen Rückblick seien, so Malte Dahrendorf, Frauen — zumindest in der bürgerlichen Kernfamilie seit dem 19. Jahrhundert — durch ihre relativ fest definierte Rolle als „Hausfrau und Mutter“ sowie ihrer damit verbundenen „Freistellung“ außer-häuslicher Erwerbsarbeit geradezu dazu vorbestimmt gewesen, die Lesekultur zu dominieren, verfügten sie über die entsprechende Muße bzw. Zeit, um sich der Lektüre zu widmen (1996, 79f.).

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(2008). Theoretische Dimensionen der Lesesozialisation. In: Lesesozialisation in der Familie. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-90975-2_3

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