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Das Problem sozialer Ordnung und das normativistische Modell des Handelns: Talcott Parsons

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Grundlagen der soziologischen Theorie
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Auszug

Webers Analyse des Handlungsbegriffs, dies hat unsere Darstellung gezeigt, ist vor allem methodologisch motiviert. Ihre Funktion besteht wesentlich darin, eine begriffliche Grundlage für seine Vorgehensweise in den materialen Analysen zu liefern.

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Literatur

  1. “Jede denkende Besinnung auf die letzten Elemente sinnvollen menschlichen Handelns ist zunächst gebunden an die Kategorien ‚Zweck ‘und ‚Mittel‘”, —dieses Zitat aus Webers Wissenschaftslehre (1985a, 149) stellt Parsons seinem zweibändigen Werk als Motto voran.

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  2. Der “subjektiven” Perspektive des Akteurs stellt Parsons (a.a.O.) die “objektive” Perspektive des wissenschaftlichen Beobachters gegenüber. Rein “objektiv” im Sinne dieser Unterscheidung wäre eine Analyse von Handlungen mit Hilfe von Begriffen zu nennen, die keine Entsprechung in der subjektiven Perspektive des Akteurs finden. Schütz hat später gegenüber Parsons den Einwand erhoben, daß er dem selbstgesetzten Anspruch der Untersuchung des Handelns aus der subjektiven Perspektive des Akteurs nicht vollständig gerecht werde. Im Unterschied zu behavioristischen Forschern etwa, die menschliches Handeln als reizstimuliertes Verhalten untersuchen und dabei die rein objektiven Begriffe von Reiz und Reaktion verwenden, thematisiere Parsons zwar die subjektive Perspektive des Akteurs. Er tue dies aber gleichwohl immer noch weitgehend in den objektiven Begriffen eines wissenschaftlichen Beobachters, weil er es versäume, genau nachzuzeichnen, in welcher Weise die Akteure selbst ihr Handeln erleben und dessen Sinn konstituieren. “Parsons (stellt) die (Fortsetzung...) 4(...Fortsetzung) eine Frage nie: was geht im Bewußtsein des Handelnden, in dessen Perspektive, tatsächlich vor? Seine Untersuchung beantwortet nur die Frage, wie ein theoretisches Schema entwickelt werden könne, das zu erklären vermag, was im Bewußtssein des Handelnden vorgehen könnte oder was als geschehend angesehen werden kann. Parsons ist somit nicht auf die wahren subjektiven Kategorien aus; vielmehr sucht er objektive Kategorien für die Interpretation subjektiver Perspektiven” (so Schütz in Schütz/-Parsons 1977, 52; Hervorhebungen von mir, W.L.S.). Parsons hat diesen Vorwurf von Schütz niemals akzeptiert und die darin gezogene Binnendifferenzierung der wissenschaftlichen Betrachtung der subjektiven Perspektive des Akteurs in eine “rein” subjektive Analyse und eine objektive Thematisierung dieser subjektiven Perspektive ausdrücklich zurückgewiesen (vgl. Parsons in Schütz/Parsons 1977, 102f.).

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  3. Die Bemühung oder Anstrengung eines Akteurs (effort) wird von Parsons (1968, 719) mit dem physikalischen Begriff der Energie verglichen.

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  4. “Der kategorische Imperativ ist also nur ein einziger, und zwar dieser: handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, daβ sie ein allgemeines Gesetz werde” (Kant 1980, 51). Der kategorische Imperativ hat die Funktion eines Prüfkriteriums, mit dem entschieden werden können soll, inwiefern in Betracht gezogene Handlungsweisen auf widerspruchslose Weise verallgemeinerungsfähig sind und deshalb als vernunftgemäß gelten können. Als Beispiel dazu vgl. Kant 1980, 136 sowie unten, Kap.3.9, wo im Zusammenhang mit dem Meadschen Konzept des universellen anderen etwas ausführlicher auf den kategorischen Imperativ zurückzukommen sein wird.

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  5. Zur ausführlicheren Diskussion dieser These vgl. Alexander 1984, 35ff.

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  6. Darauf, daß sich die Parallele zu Kant auch auf die Auswahl der gegnerischen theoretischen Positionen erstreckt, weist Münch (1982, 26ff.) hin.

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  7. Steuerung des Verhaltens durch Prozesse der Konditionierung von Reaktionsmustern oder durch Instinktprogrammierung des Verhaltens, —dies sind die beiden Positionen, an denen deutlich wird, wohin die konsequente Assimilierung der Ziele an die objektiven Bedingungen des Handelns im radikalpositivistischen Grenzfalle führt, nämlich zur Reduktion von subjektiv-sinnhaft orientiertem Handeln auf sinnfreies, nurmehr in objektiven Beobachtungskategorien zu beschreibendes Verhalten (vgl. dazu Parsons 1968, 85f.). Daß Parsons (wie vor ihm schon Weber) eine solche reduktionistische (Fortsetzung...) 12(...Fortsetzung) Position ablehnt, heißt allerdings nicht, daß er nun zu der entgegengesetzten Extremposition gezwungen wäre, d.h. jeden ursächlichen Einfluß von Vererbung bzw. von Umweltbedingungen auf die Wahl der Handlungsziele leugnen müßte. Was er bestreitet ist allein die Annahme einer vollständigen Determination der Ziele durch diese Faktoren.

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  8. Umstritten ist freilich die Frage, ob Parsons hier, indem er die Steuerung des Handelns durch normative Standards an die Stelle naturaler Determination treten läßt, nicht nur eine Form der äußeren Determination durch eine andere ersetzt. Vgl. dazu Garfinkel 1967, 68ff. (sowie unten, Kap.6.1.8) der Parsons vorhält, daß er den Akteur tendenziell als normativ gesteuerten Automaten, als “kulturellen Deppen” (cultural dope) bzw. “Urteilsdeppen” (judgemental dope) darstelle, dem die Fähigkeit fehle, auf der Basis seines Alltagswissens zu einer eigenständigen Interpretation und rationalen Beurteilung der Handlungssituation zu kommen.

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  9. “Denn Krieg besteht nicht nur in Schlachten oder Kampfhandlungen, sondern in einem Zeitraum, in dem der Wille zum Kampf genügend bekannt ist. Und deshalb gehört zum Wesen des Krieges der Begriff Zeit, wie zum Wesen des Wetters. Denn wie das Wesen des schlechten Wetters nicht in ein oder zwei Regenschauern liegt, sondern in einer Neigung hierzu während mehrerer Tage, so besteht das Wesen des Krieges nicht in tatsächlichen Kampfhandlungen, sondern in der bekannten Bereitschaft dazu während der ganzen Zeit, in der man sich des Gegenteils nicht sicher sein kann” (Hobbes 1966, 96). Oder mit Weber formuliert: “Krieg” ist eine Form der sozialen Beziehung, die durch die Erwartbarkeit von Angriffen und Kampfhandlungen gekennzeichnet ist.

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  10. Der Kampf, der zwischen skrupellosen Bankräubern nach vollendeter Tat um die Beute ausbricht, mag diesen Vorgang illustrieren und zugleich zeigen, daß die Hobbessche Konstruktion nicht einfach in den Bereich der fiktiven Konstruktion eines Urzustandes der menschlichen Gesellschaft zu verweisen ist, sondern sich dafür durchaus aktuelle Entsprechungen finden lassen. Analoge Beispiele aus dem Bereich organisierter Kriminalität, in dem Kämpfe um die Vorherrschaft auf illegalen Märkten (z.B. dem Drogenmarkt) ausgetragen werden, oder aus den bewaffneten Kämpfen rivalisierender Gruppen um die politische Vorherrschaft in außereuropäischen Staaten, lassen sich leicht finden. Hobbes erwähnt hier die Kriege zwischen Familien, Städten und Königreichen, die keiner übergeordneten Zentralgewalt unterstellt waren und betont die Bedrohung jedes Bündnisschlusses durch interne Interessendivergenzen und daraus folgenden Kampf (Hobbes 1966, 131f.).

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  11. Der späteren Erläuterung im Kapitel über den Rational Choice-Ansatz vorgreifend sei hier vermerkt, daß die eben entwickelten Überlegungen das Ordnungsproblem nach der Struktur eines sogenannten “Gefangenendilemmas” modellieren. Zur strukturellen Übereinstimmung des Hobbesschen Problems mit dem Gefangenendilemma siehe auch Münch 1982, 33ff., 287 und 514.

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  12. Insofern ist es nur konsequent, wenn Hobbes die Lösung des Ordnungsproblems normativ zu sichern sucht, indem er den Bürgern die Pflicht zum bedingungslosen Vertragsgehorsam auferlegt (vgl. Hobbes 1966, 136ff.).

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  13. Unbeachtet bleibt übrigens auch, daß der größte Teil der Produktion nicht durch unabhängige Individuen, sondern in Organisationen (Handwerksund Industriebetrieben) erzeugt wird (Parsons 1968, 99f.), so daß hier zunächst die Bedingungen der internen Kooperation zu klären wären.

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  14. Darauf wird in Kapitel 7 zurückzukommen sein. Im Kontext von Rational Choice entspricht die gerade skizzierte Konstellation der Struktur eines “iterierten Gefangenendilemmas” mit n Personen; vgl. dazu Kap. 7. 3.

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  15. Um hier jedes Mißverständnis auszuschließen: Wenn davon die Rede ist, daß unter den Bedingungen des Hobbesschen Naturzustandes keine soziale Ordnung stabilisiert werden kann, dann ist damit nicht gemeint, daß das Verhalten der Akteure unter diesen (hypothetischen) Bedingungen keine erkennbaren Regelmäßigkeiten aufweisen bzw. in statistisch zufälliger Weise variieren würde (vgl. dazu Parsons 1968, 91). Der ‚Krieg aller gegen alle ‘ist gerade eine spezifische Form faktischer Ordnung, die es ermöglicht, das Verhalten der Akteure zu prognostizieren. Was Parsons meint ist vielmehr, daß unter utilitaristischen Prämissen jede normative Ordnung zusammenbrechen muß. Ein solcher sozialer Zustand allgemeiner Normund Regellosigkeit wird in der Soziologie häufig als anomisch bzw. als Zustand der Anomie bezeichnet.

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  16. Das unqualifizierte Tötungsverbot, wie wir es als biblisches Gebot kennen, ist insofern noch keine Norm, fehlt hier doch jeder Bezug auf situative Bedingungen. Es reformuliert den Wert menschlichen Lebens daher nur in negativer Form: als Verbot seiner Vernichtung. Man könnte dieses Gebot unter einer besonderen Voraussetzung auch als Wert und Norm zugleich deuten. Dazu (Fortsetzung...) 26(... Fortsetzung) müßte man das Fehlen einschränkender Bedingungen im Sinne eines absoluten Verbots interpretieren, das die Tötung menschlichen Lebens in allen nur denkbaren Situationen untersagt. So ist es allerdings im Alten Testament nicht gemeint, wie die kurz darauf folgenden Gesetze zeigen, die nicht nur für die Tötung eines anderen Menschen, sondern auch für das Schlagen oder Verfluchen der Eltern die Todesstrafe vorschreiben (vgl. 2. Mose 21, Vers 12ff.). Diese Gesetze legen für bestimmte, die jeweilige Handlungssituation definierenden Tatbestände bindende Sanktionsfolgen fest und haben damit den Status von Normen.

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  17. Vgl. Parsons 1968, 46: “Er (der ‚action frame of reference‘, W.L.S.) beschäftigt sich mit Phänomenen, mit Dingen und Ereignissen auf eine Weise, wie sie aus der Perspektive des Akteurs erscheinen, dessen Handeln analysiert und betrachtet wird.”

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  18. Mit Luhmann (1984, 184f.) kann man hier deshalb auch von “reiner” doppelter Kontingenz sprechen und diese von einer Situation “strukturierter” doppelter Kontingenz unterscheiden, in der klar ist, welches Handeln erwartet und welches komplementäre Handeln für den Fall der Erfüllung dieser Erwartung angeboten wird.

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  19. Damit ist ein Thema berührt, das Harold Garfinkel, der ein Schüler von Parsons war, in seinen bekannten Krisenexperimenten später aufgegriffen hat (vgl. Garfinkel 1967, 42ff. sowie unten, Kap.6.1).

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  20. Wer dies nicht glaubt, versuche nur einmal, gegenüber Eltern, Freunden oder dem Ehepartner sich so zu verhalten, wie gegenüber fremden Personen, höflich distanziert, allzu private Themen meidend oder nur kurz und in allgemeinen Wendungen berührend. Schon dies wird in der Regel genügen, um starke Irritationen auszulösen und die Frage zu provozieren, ‚Was ist denn mit dir los?‘. Ein Bericht über den Verlauf solcher Experimente findet sich bei Garfinkel (1967, 47f.).

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  21. Das Kriterium der Austauschbarkeit der Personen ist in Sozialbeziehungen mit hoher Affektbeteiligung wie in Liebesbeziehungen, Freundschaften oder dem Verhältnis zwischen Eltern und Kindern nicht aus der Perspektive der Beteiligten, sondern nur aus dem Blickwinkel des Beobachters erfüllt, der registriert, daß bestimmte Erwartungsund Verhaltensmuster typisch mit bestimmten Personenkategorien wie Freund, Ehefrau etc. verbunden sind. Auf die diesbezügliche Differenz zwischen familialen und beruflichen Rollen kommen wir später bei der Vorstellung der sogenannten “pattern variables” ausführlich zurück. Vgl. dazu auch Schütz (s.u., Kap. 4. 4), der zwischen verschiedenen Graden der Personalisierung bzw. Anonymisierung sozialer Beziehungen unterscheidet.

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  22. Der Ausdruck “Kathexis”, den Parsons aus Freuds Psychoanalyse entlehnt, meint dabei “die Bindung an Objekte, welche befriedigend sind und die Ablehnung derjenigen, die schädlich sind” (Parsons/ Shils 1951, 5). In der Psychoanalyse spricht man in diesem Zusammenhang auch von der “Besetzung” von Objekten durch psychische Energien.

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  23. Vgl. Parsons/ Shils 1951, 71: “Viertens, sagen wir, daß der evaluative Modus den Punkt des Systems der Motivation bezeichnet, an dem diese Wertstandards oder kulturellen Standards der Wertorientierung wirksam werden.”

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  24. Was mit Standards des “guten Geschmacks” gemeint ist, wird vielleicht deutlicher, wenn man den Begriff des “Stils” heranzieht. Stile, sei es in der Malerei, der Musik, der Architektur oder in anderen Handlungsbereichen, sind definiert durch eine in sich stimmig erscheinende (=kohärente) Verbindung von Merkmalen zu einem Sinnzusammenhang, der von Personengruppen gemeinsam geteilt, geschätzt und als Bewertungsgrundlage für Handlungen und Handlungserzeugnisse verwendet werden kann. Standards des “guten Geschmacks” könnten insofern als implizite Stile gedeutet werden, (Fortsetzung...) 46(...Fortsetzung) die nicht durch explizite Lehre, sondern durch weitgehend unbewußtes Gestaltlernen erworben werden. Vgl. dazu auch die Beispiele bei Parsons 1968, Bd.2, 680f.

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  25. Zur Diskussion der Weberschen Handlungstypologie bei Parsons (die jedoch die Webersche Typologie auf m.E. verfälschende Weise an die eigenen Theoriegrundlagen assimiliert) vgl. Parsons 1968, Bd.2, 640ff.

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  26. Die elementaren Komponenten des kulturellen Systems lassen sich freilich noch detaillierter untergliedern, als wir es im Text aus Gründen der Abkürzung getan haben: (1) Parallel zu den verschiedenen Modi der motivationalen Orientierung lassen sich drei Typen generalisierter Symbolsysteme unterscheiden: Begriffssysteme als Entsprechung zur kognitiven Orientierungsdimension; Systeme expressiver Symbole als Entsprechung zur kathektischen Orientierungsdimension und Systeme von Standards der Wertorientierung, die der evaluativen Orientierungsdimension entsprechen. (2) Die Standards der Wertorientierung sind, wie bereits gezeigt, in kognitive, appreciative und moralische Standards zu differenzieren. Folgten im Kontext des Persönlichkeitssystems aus den verschiedenen motivationalen Orientierungen und den parallelen Wertorientierungen drei entsprechende Handlungstypen, so im kulturellen System (das im Unterschied zum Persönlichkeitsund zum sozialen System kein Handlungssystem, sondern ein Symbolsystem ist) entsprechende (3) Typen der Handlungsorientierung, nämlich der kognitive bzw. instrumentelle, der expressive sowie der moralische Orientierungstyp. Vgl. Parsons/ Shils 1951, 166.

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  27. Vgl. dazu Tönnies 1963 (1. Aufl. 1887) sowie als zusammenfassende Darstellung Tönnies 1959.

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  28. Vgl. dazu vor allem die von Oevermann (1996) in Anschluß an Parsons entwickelte Theorie professionalisierten Handelns.

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  29. Auch hier muß man sich freilich vor Übergeneralisierungen hüten, wie die Diskussion des äußerst erfolgreichen japanischen Typus der industriellen Organisation vor Augen führt, der ausgeprägte familienbzw. clan-analoge Strukturmerkmale aufweist. Vgl. dazu u.a. Deutschmann 1987.

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  30. Dies kann hier freilich nur in Umrissen geschehen. Als weitergehende Einführung, die ausschließlich Parsons gewidmet ist, vgl. Jensen 1980, insbesondere 89ff.

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  31. In einer Vorlesung zur “Einführung in die Systemtheorie”, die im Wintersemester 1991/92 an der Universität Bielefeld gehalten und als Tonbandmitschnitt publiziert wurde, sieht Niklas Luhmann hier den analytischen Kern der Parsonsschen Theorie, den er —eine mündliche Mitteilung von Parsons zitierend —mit dem Satz “Action is System” zusammenfaßt (vgl. Cassette 1 des publizierten Bandmaterials). Luhmann tritt damit zugleich der in der soziologischen Theoriediskussion häufig (u.a. auch von Habermas) vertretenen These entgegen, daß sich im Parsonsschen Werk ein unüber-(Fortsetzung...) 63 (...Fortsetzung) brückbarer Bruch zwischen Handlungs-und Systemtheorie feststellen lasse. —Parsons stellt darüber hinaus noch eine weitere Verknüpfung zwischen Handlungs-und Systemtheorie her: Die Reproduktion des Systems ist ein Vorgang, der Zeit benötigt. Der Erfüllung jeder einzelnen Funktion des AGIL-Schemas läßt sich daher eine bestimmte Phase des Systemzustandes zuordnen. Jede dieser Phasen eines Handlungssystems wiederum kann beschrieben werden durch eine Kombination zweier Paare von Orientierungsalternativen. Auf diese Weise werden die oben vorgestellten pattern variables mit dem AGIL-Schema verknüpft. Die Ableitungsschritte zur Herstellung dieser Verknüpfung sind jedoch zu komplex, um hier dargestellt zu werden (und darüber hinaus auch nicht sonderlich transparent). Vgl. dazu Parsons, Bales, Shils 1953, Kap.5, 163ff. sowie den Einführungstext zu Parsons von Jensen 1980, 63ff.

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  32. Parsons kommt zu diesem Ergebnis zunächst freilich nicht durch einen Vergleich zwischen Organismen und Handlungssystemen, sondern durch die intensive Auseinandersetzung mit einem von Robert Bales bei der experimentellen Beobachtung von Kleingruppen gewonnenen Schema (vgl. Parsons/ Bales/ Shils 1953, Kap.III und V.). Um abzukürzen, gehe ich auf diesen Entstehungskontext nicht näher ein, sondern beschränke mich auf die von Parsons später entwickelte analytischsystematische Darstellung des AGIL-Schemas.

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  33. Ursprünglich führte Parsons das vierte Subsystem des allgemeinen Handlungssystems unter dem Titel des “Verhaltensorganismus” ein. Anregungen von Viktor und Charles Lidz folgend, sah sich Parsons in den 70er Jahren jedoch veranlaßt, diesen Begriff durch den des “Verhaltenssystems” zu ersetzen, der die kognitiven und instrumenteilen Leistungen meint, die als infrastrukturelle Voraussetzungen des Handelns benötigt werden. Die im engeren Sinne organischen Strukturen und Prozesse, die im Begriff “Verhaltensorganismus” anklingen, rechnet Parsons in seinen späten Publikationen ausdrücklich nicht dem allgemeinen Handlungssystem, sondern dessen Umwelt zu. Vgl. Parsons 1977, 106, Fußn. 17.

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  34. Vgl. dazu Parsons 1976 (hrsg. und ins Deutsche übersetzt von Jensen), 177ff.

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  35. Zur Unterscheidung der einzelnen Subsysteme der Gesellschaft vgl. insbesondere Parsons/ Smelser 1956, 46ff., Parsons 1972, 20 und Parsons/Platt 1973, 426ff. Die in der nachfolgenden Übersicht vorgenommene Zuordnung der Strukturkomponenten zu den einzelnen Subsystemen des Gesellschaftssystems findet sich in Parsons 1972, 20.

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  36. Die Titel, die Parsons für einzelne Subsysteme verwendet, variieren im Laufe der Zeit. Die Bezeichnungen “Gesellschaftliche Gemeinschaft” (societal community) und “Treuhandsystem” (fiduciary System) findet man in Parsons/ Platt 1973, 426. In früheren Publikationen werden diese beiden Systeme unter Titeln wie “Integratives Subsystem” bzw. “System der Erhaltung latenter Strukturen und des Spannungsausgleichs” (vgl. Parsons/Smelser 1956, 53) geführt, die auf ihre Funktion verweisen. Dementsprechend uneinheitlich sind die Bezeichnungen in der Sekundärliteratur zum Parsonsschen Werk.

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  37. Bekanntlich mit nur mäßigem Erfolg: So stieg etwa der Anteil der Kinder von Arbeitern, die ein Gymnasium besuchten, zwischen 1976 und 1989 von 7,1% auf 11,8% (vgl. Hradil 1999, 162).

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  38. “Den wohl allgemeinsten Fall stellen Systeme mit einer Trennung zwischen Oberund Unterklassen dar, in denen die Oberklasse den Status der ‚wirklichen ‘Mitgliedschaft für sich monopolisiert und die Unterklasse, soweit diese überhaupt als zugehörig betrachtet wird, als Bürger zweiter Klasse behandelt. Die Prozesse der Differenzierung und Steigerung erschweren es zunehmend, solche einfachen Dichotomien aufrechtzuerhalten. Besonders die Differenzierung führt zu Fällen, in denen die Notwendigkeit, neudifferenzierte Subsysteme zu integrieren, stark auf die Einbeziehung andernfalls ausgeschlossener Elemente hinweist” (Parsons 1975, 41).

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  39. “Institutionen” definiert Parsons als “Komplexe normativer Regeln und Prinzipien, die entweder kraft Gesetzes oder durch andere Mechanismen sozialer Kontrolle zur Steuerung sozialen Handelns dienen” (Parsons 1980, 232). Der Begriff der Institution ist also weder auf der Ebene von Rollen, noch —wie Parsons (a.a.O.) ausdrücklich hervorhebt —auf der Ebene von Kollektiven, sondern auf der Ebene sozial geltender Normen verankert. Institutionen wie Eigentum, legitime Herrschaft, Prestige oder moralische Führung sind normative Strukturen, die jeweils konstitutiv sind für bestimmte Interaktionsmedien. —Die erwähnten Institutionen werden gleich näher erläutert werden.

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  40. Zu den Sanktionen, die mit dem Medium Wertbindung verknüpft sind, vgl. Parson 1980, 203: “Wir haben mit Nachdruck betont, daß die primären negativen Sanktionen im Aktor selbst liegen, der Verpflichtungen eingeht. Wie in allen solchen Fällen können nur solche Sanktionen durch Kommunikation ‚aktiviert ‘werden. So können wir von ‚Ermahnung’ sprechen, als einem Ausdruck der Sorge, daß eine Verpflichtung verletzt werden könnte, und von ‚moralischer Mißbilligung ‘als einer post facto ‚Bestrafung‘. Diese Sanktionen entsprechen den wirklichen Sanktionen durch Gewalt und (Fortsetzung...) 82(...Fortsetzung) Zwang im Machtsystem. Sie sind ein Teil der ‚Sicherheitsgrundlage ‘und nicht Teile des Mediums selbst.”

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  41. Nicht in allen Situationen ist der Gebrauch von Interaktionsmedien jedoch angemessen und effektiv. Zu den situationsstrukturellen Beschränkungen der Verwendung der Medien vgl. Giesen 1987.

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  42. Zur Inflation und Deflation von Moral vgl. Parsons 1980, 212; weiterführend dazu Münch 1995, 214ff.

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  43. Über die Güte der theoretischen Ableitung der pattern variables gehen die Meinungen freilich erheblich auseinander. Parsons glaubte nachgewiesen zu haben, daß sie ein geschlossenes System darstellen. Habermas (1981, Bd.2, 334) billigt ihnen nicht mehr als “eine gewisse Evidenz” zu, die sie aus dem “von Tönnies eingeführten Kontrast zwischen ‚Gemeinschaft ‘und ‚Gesellschaft‘” beziehen.

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  44. Vgl. entsprechend Schimank 1996, 63ff.

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  45. Aus Raumgründen und um die Darstellung des Parsonsschen Theorieunternehmens nicht zu überlasten, habe ich seine Evolutionstheorie nicht behandelt. Zur ausführlicheren Behandlung des Evolutionsbegriffes im Rahmen von Luhmanns Systemtheorie vgl. unten, Kap. 9. 12.

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  46. Vgl. dazu vor allem Parsons 1970, 1972 und 1975.

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  47. Zur Herausarbeitung der Unterscheidung zwischen der Integration sozialer Beziehungen (“soziale Integration”) und der Integration der Komponenten bzw. Subsysteme eines sozialen Systems (“Systemintegration”) vgl. besonders Lockwood 1970.

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(2008). Das Problem sozialer Ordnung und das normativistische Modell des Handelns: Talcott Parsons. In: Grundlagen der soziologischen Theorie. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-90934-9_3

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