Auszug
Die folgenden Überlegungen bauen auf einer Annahme auf, die in diesem Beitrag selbst nicht belegt werden kann. Seit einigen Jahrzehnten bildet sich im Kontext von Globalisierung, neuen technologischen Entwicklungen und tiefgreifenden politischen und kulturellen Brüchen mit veränderten Gesellschaftspolitiken auch so etwas wie eine neue Generation von Sozialpolitiken heraus. Sie unterscheidet sich in einigen wesentlichen Punkten von denen der „trentes glorieuses“, der mehr oder minder störungsfreien Rekonstruktions-, Konsolidierungs- und Wachstumsphasen, die bis in die Zeit der 1980er Jahre hinein reichte. Die Rede von einer „neuen Generation“ zielt auf Gemeinsamkeiten jenseits des Umstands, dass natürlich auch heute liberale, konservative oder sozialdemokratische Parteien Sozialpolitik unterschiedlich akzentuieren. Der Duktus dieser neuen Generation von Sozialpolitiken unterscheidet sich vor allem an zwei Punkten von den Sozialpolitiken der vorangegangenen Generation:
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1.
Sozialpolitiken sind heute weit weniger, als das noch bei der Nachkriegsgeneration der Fall war, ein abgegrenztes Terrain, in dem vor allem anderen genuin soziale Maximen tonangebend sind — wie z. B. sozialer Schutz, Sicherheit und die Verringerung von Ungleichheiten; heute werden sie sehr viel mehr mit Blick auf ihren Beitrag zu wirtschaftlicher Entwicklung und Modernisierung konstruiert und bewertet. Das ist der Kern des „investive turn“ in der Sozialpolitik, dessen, was international als investive Sozialpolitik, Sozialinvestitionsstaat u. Ä. bezeichnet wird.
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© 2008 VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden
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Evers, A. (2008). Investiv und aktivierend oder ökonomistisch und bevormundend? Zur Auseinandersetzung mit einer neuen Generation von Sozialpolitiken. In: Evers, A., Heinze, R.G. (eds) Sozialpolitik. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-90929-5_12
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