Auszug
Die Wirtschaftssoziologie hat in den letzten Jahren offenbar wieder an Attraktivität gewonnen und ihren „jahrzehntelangen Schlummer“ (Baecker 2006: 5) beendet. So wird von ihr in Anbetracht einer Vielzahl neuer Herausforderungen erwartet, sich mit der zunehmenden Relevanz von Finanzmärkten, dem Wandel von Unternehmensstrukturen, Netzwerken und Innovationsprozessen, der Expansion des Dienstleistungssektors sowie mit dem Phänomen der Globalisierung und den „hartnäckigen Ungleichgewichten in der Verteilung von Arbeit und Brot“ (ebd.) auseinanderzusetzen. Rückblickend betrachtet handelt es sich hierbei keineswegs um neue Schwerpunktsetzungen. Reflexionen über die Struktur und Dynamik wirtschaftlicher Prozesse — z. B. die Entstehung von Märkten und Unternehmen, Geld, Arbeit und Arbeitsteilung — sowie die sozialen Folgen wirtschaftlichen Handelns standen von Beginn an auf ihrer Agenda. Was jedoch schon nach einem ersten, flüchtigen Blick auf die einschlägige wirtschaftssoziologische Forschung auffällt, ist ihre ‚Geschlechtsblindheit‘. Diese Ausblendung des Geschlechterverhältnisses, die der Mainstream der Wirtschaftssoziologie mit dem der Wirtschaftswissenschaften gemein hat, erstaunt und wirft die Frage auf, wie diese ‚Leerstelle‘ zu erklären ist. Liegt es tatsächlich daran, dass immer noch die meisten Wirtschaftssoziologen Männer sind, wie etwa (2002) und (2003) vermuten? Oder hat sich noch kein Wirtschaftssoziologe die Mühe machen wollen, die verstreut vorliegenden Forschungsbefunde zum Thema Geschlecht und Wirtschaft zusammenzutragen und auszuwerten, so dass ein „‚bring back‘ what is relevant for economic sociology“ (Swedberg 2003: 259) ausblieb?
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Funder, M. (2008). Geschlechterverhältnisse und Wirtschaft. In: Maurer, A. (eds) Handbuch der Wirtschaftssoziologie. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-90905-9_21
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