Auszug
„Det is doch wie Kino“, antworteten Jugendliche auf die Frage, warum sie im Sommer 1956 an den ersten westdeutschen „Halbstarken“-Protesten in Berlin teilgenommen hatten, und entsprachen damit dem Bild, das sich die Presse von ihnen gemacht hatte („Kommunistische Hetzer in der Afrikanischen Straße“, in: Der Tagesspiegel, 21.7.1956). Die Jugendkrawalle der Jahre 1956 bis 1958 lösten in der Bundesrepublik Deutschland eine Debatte über Populärkultur und Praktiken jugendlicher Selbstinszenierung aus, die mit der Diskussion über die 68er Generation vergleichbar ist (vgl. Zinnecker 1987: 91; 126).1 Die so genannte „Halbstarken“-Rebellion wurde dabei nahezu ausschließlich mit dem Konsum von amerikanischer Populärkultur verknüpft, wobei sie für die Zeitgenossen alle bedrohlichen Folgen kultureller Amerikanisierung verkörperte: der „Rückschlag ins Un-Zivilisierte, in die Barbarei“ (Muchow 1956: 446) sowie die „ziellose Aggressivität“ und der „Mangel an ‚Sinnwert‘“, der jugendliches Protestverhalten „essenziell von Arbeit und Leistung“ unterschied (Kaiser 1959: 38f.). Bereits mit Beginn der Großkrawalle war für die professionellen Betrachter klar, dass selbst konkrete Handlungen direkt von den konsumierten Medien beeinflusst wurden. Vor allem bei den Krawallen im Wedding glaubte man „einmal das Vorbild ganz genau feststellen“ zu können.
Die Teilnehmerzahl an den Krawallen stand in keiner Relation zur Medienreaktion, die sie auslöste. Kaiser geht von einem Anteil von 1 bis 5 Prozent der männlichen Jugendlichen aus, die aktuell an Straßenkrawallen teilgenommen haben (Kaiser 1959: 54).
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Scherl, K. (2008). „Det is doch wie Kino.“ Marlon Brandos „Der Wilde“ als Vor- und Abbild jugendlicher Subkultur. In: Thomas, T. (eds) Medienkultur und soziales Handeln. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-90898-4_6
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