Auszug
Folgt man dem Ansatz des professionellen Wissens von Bernd Dewe u.a., nach dem professionelles Wissen als eine „dritte Wissensform“ zu verstehen ist, die sich aus der Relationierung von theoretischem und praktischem Wissen ergibt (vgl. Dewe/ Ferchhoff/ Radtke 1992 b: 81), dann kann es im Folgenden nicht um die Frage gehen, welche literaturdidaktischen Konzepte sich in den analysierten Interviews „wiederfinden“ lassen. Vielmehr soll geklärt werden, welche Korrespondenzen zwischen den (universitären) literaturdidaktischen Orientierungen und den rekonstruierten Orientierungen und Vorstellungen der befragten Referendare bestehen. Dies entspricht auch der kritischen Reflexion des Pedagogical-Content-Knowledge-Konzepts durch Rainer Bromme:
Außerdem ist es notwendig, die Konzepte und Denkweisen dieser Wissenschaftsdisziplinen [gemeint sind die Wissenschaftsdisziplinen, die Schulfächer und ihre Fachdidaktiken; D. W.] und Praxislehren einerseits und ihrer subjektiven kognitiven Repräsentationen bei Lehrern andererseits empirisch und analytisch zu unterscheiden. Lehrer und Lehrerinnen bekommen bereits in ihrer Ausbildung mehr oder weniger aufbereitete Verbindungen von inhaltlichen und pädagogischen Orientierungen präsentiert. Will man die ‚Weisheit der Praxis’, also Bestände an Können und Wissen empirisch rekonstruieren, die nach welchen Kriterien auch immer — sich als erfolgreich erwiesen haben, dann erfordert dies eine kategoriale Unterscheidung zwischen solchen didaktischen Orientierungen und dem, was der Berufsstand daraus macht. (Bromme 1995: 107 f.)
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Literatur
Hartmut Eggert benennt folgende vier Anforderungsdimensionen: Literarisches Gattungswissen, Kontextualisierung, Kulturelles Gedächtnis/ Kulturelles Wissen und Rezeptionsgenuss zwischen Reflexion und Involviertheit (vgl. Eggert 2002).
Dass dies so ist, weist auch Michael Kämper-van den Boogaart nach, indem er die von Eggert aufgestellten Kategorien auf Brechts Erzählung „Der hilflose Knabe“ anzuwenden versucht (vgl. Kämper-van den Boogaart 2005 b: 31 ff.).
Der Vorschlag von Kaspar Spinner ist im Rahmen eines Basisartikels der Zeitschrift „Praxis Deutsch“ publiziert (vgl. Spinner 2006).
Es bestände natürlich auch die Möglichkeit einer eindimensionalen Modellierung der literarischen Kompetenz wie dies z.B. bei der Konzeption der Lesekompetenz im Rahmen der DESI-Studie der Fall ist (vgl. Willenberg 2005 b). Die Problematik der Beschreibung von Niveaustufen ist damit aber nicht aufgehoben.
Die differierenden Sichtweisen und Erwartungen an die Lernenden sowie die daraus resultierenden didaktischen und methodischen Konsequenzen stellt Kämper-van den Boogaart auch in seinem Aufsatz „Mit Pierre Bourdieu durch die Literaturdidaktik spaziert“ dar (vgl. Kämper-van den Boogaart 1996).
Mit der illusio greift Kämper-van den Boogaart einen Begriff Bourdieus auf, der ein Interesse bezeichnet, das nicht mit zweckrationalen oder ökonomistischen Kategorien bestimmt werden kann (vgl. Kämper-van den Boogaart 2000: 19 f.; Bourdieu 1999: z.B. 515 ff.).
Maiwald begründet seine Überlegung mit dem kognitiven Motivationsmodell von Berlyne, in dem der Begriff der Ambiguitätstoleranz eine zentrale Rolle zukommt (vgl. Maiwald 2001: 55–60).
Abraham differenziert die „Lesedidaktik“, die unabhängig von der Kanonfrage die Texte nach ihrer „Brauchbarkeit für literarisches Lesenlernen“ beurteilt und Lektüre als Akt denkt, von der „Literaturdidaktik“, die „ästhetische Erziehung, Bildung historischen Bewusstseins und Erarbeitung von Wertmaßstäben und Interpretationsfähigkeiten zu Hauptanliegen des Literaturgebrauchs macht“ (Abraham 1998: 185).
Den Begriff „Ich/ Wir-Bezug“ übernimmt Abraham von Dennis Sumara (vgl. Abraham 1998: 214).
Ähnlich argumentiert auch Ulf Abraham: „Ich erinnere an die ‚Türöffnerfunktion’: Die in Auseinandersetzung mit sozusagen ‚näherliegenden’ Texten auf-und ausgebauten Kompetenzen können sich erst dann an der „literarischen Tradition“ bewähren, die Fuhrmann retten möchte.“ (Abraham 1998: 261)
Nicht so allerdings bei Elisabeth Paefgen: „Nicht die Vermittlung kanonischen literarischen Wissens kann das Ziel sein, sondern eine exemplarische Einführung in die spezifische sprachliche Form der Wissensrepräsentation, die literarische Texte bieten.“ (Paefgen 1999 b: 33)
Als Reaktion auf die PISA-Studie lässt sich zwar eine traditionalistische Position ausmachen, die für eine Re-Kanonisierung eintritt, doch diese Stimmen kommen kaum aus literaturdidaktischen Kreisen (vgl. Kammler 2004: 238 ff.).
Michael Kämper-van den Boogaart kritisiert ebenfalls, dass Müller-Michaels die Differenz zwischen Textbasis und Textbearbeitung vernachlässigt (vgl. Kämper-van den Boogaart 1997: 25).
Weitere Vorschläge zu einem kritisch-konstruktiven Umgang mit Literaturgeschichte im Unterricht stellt Hermann Korte dar (vgl. Korte 2003: 8 f.).
Dieses ontologische Verständnis von Literatur und Schrift problematisiert Michael Kämper-van den Boogaart in seiner Auseinandersetzung mit den Thesen von Kaspar Spinner (vgl. Kämper-van den Boogaart 1997: 21).
Kämper-van den Boogaart stellt die Möglichkeit einer handlungsentlasteten Reflexion im Rahmen schulischer Lektüren jedoch prinzipiell in Frage, da die Freiräume immer institutionell besetzt werden (vgl. Kämper-van den Boogaart 1997: 21 f.).
Aus demselben Grund plädiert Abraham für einen möglichst offenen Begriff vom literarischen Lernern (vgl. Abraham 1998: 138).
Einen Überblick über die verschiedenen handlungs-und produktionsorientierten Ansätze geben z.B. Elisabeth Paefgen und Kaspar Spinner (Paefgen 1999 und Spinner 2003).
Kügler kritisiert u.a. „die unerträliche Veräußerung des konkreten Leseprozesses“ (Kügler 1996: 19) und die damit verbundene Auflösung der Unbestimmtheit von Texten sowie das Umgehen des Textverstehens bzw. die Kaschierung des Nicht-Verstehens durch den handelnden Umgang mit den Texten (vgl. ebd.: 20).
Zur Debatte zwischen Hans Kügler und den Vertretern handlungs-und produktionsorientierter Verfahren siehe z.B. Bremerich-Vos 1996 und Paefgen 1999.
Auf die veränderten und erweiterten fachlichen Anforderungen, mit denen Deutschlehrer in der Gegenwart konfrontiert sind, verweist auch Volker Frederking (vgl. Frederking 1998: 6, vgl. auch Spinner 1998c).
Gottfried Merzyn führt das geringe Interesse der mathematisch-naturwissenschaftlichen Fachwissenschaften an der Lehrerbildung auf deren Bemühungen um die Wahrung des Status quo zurück (vgl. Merzyn 2002: 80f.).
Als Argumente für handlungs-und produktionsorientierte Verfahren werden z.B. der bessere Zugang zu den Texten, die intensivere kognitive Auseinandersetzung und die Förderung kreativer Fähigkeiten genannt (vgl. Kunze 2004: 367).
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(2008). Kontexte. In: Literaturunterricht aus Sicht der Lehrenden. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-90889-2_5
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