Auszug
Der Forschungsfrage entsprechend (vgl. Kapitel II 1) besitzt die nachfolgende Ergebnisdarstellung doppelten Charakter: Deskription und Diskussion. Angelehnt an die thematische Gliederung des Fragebogens werden die Ergebnisse der Datenerhebung getrennt nach Themenblöcken vorgestellt und diskutiert. In Anbetracht der thematischen Breite der Befragung und, daraus resultierend, der großen Anzahl von Fragebogen-Items, sei bereits eingangs darauf hingewiesen, daß die nachfolgende Ergebnisdarstellung und-analyse bei weitem nicht erschöpfend ausfallen kann. Der Anspruch, für jeden erhobenen Berührungsaspekt das große Spektrum sozialwissenschaftlicher „Partnerschaftsliteratur“ zur Ergebniseinordnung und -interpretation heranzuziehen, würde den Rahmen der vorliegenden Publikation sprengen.
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Literatur
Vgl. Beck & Beck-Gernshem (1990: 176ff.).
Wie an anderer Stelle bereits erwähnt, spricht Morris diesbezüglich von „Berufsberührern“ (Morris 1972: 175ff.).
Vgl. Gunter SchmidtS (2003: 13ff.) Ausführungen zu den veränderten Beziehungsbiographien heute 60-jähriger Personen.
Vgl. Ausführungen zu autobiographischem Erinnern und Erinnerungsfehlern bei Solso (2005: 203ff).
„Auch kann es während der Aufbewahrung im Gedächtnis zu ‚selektivem Vergessen ‘kommen, bei dem einzelne Erinnerungen an unangenehme Erfahrungen verdrängt werden“ (Klein & Fischer-Kerli 2000: 297).
„Generell läßt sich vermuten, dass herausragende (‚saliente‘), d. h. bedeutsame und emotional bedeutungsvolle Informationen oder Ereignisse im Gedächtnis sowohl leichter zugänglich aufbewahrt wie auch häufiger aktiviert werden“ (Klein & Fischer-Kerli 2000: 296).
Diese Beobachtung findet sich ähnlich auch bei Wagener (2000: 20).
Ein plastisches Beispiel für die symbolische Festigung bzw. Pflege von Beziehungen durch „soziale Körper-/ Fellpflege-Handlungen“ liefert Wagener (2000: 132) in einer von ihr wiedergegebenen Interviewsequenz. In diesem Abschnitt beschreibt eine von ihr befragte Person, welch große symbolische Wertschätzung sie dadurch erfahre, daß ihr Partner sie liebevoll berühre, obwohl sie Neurodermitis habe.
Wichtig ist an dieser Stelle ein methodischer Hinweis (vgl. Backhaus 2000: 311f.): Ein quantitatives Verfahren wie die Faktorenanalyse kann nur feststellen, daß Variablen auf eine gemeinsame Beurteilungsdimension zurückzuführen sind, nicht aber zweifelsfrei die genaue inhaltliche Bezeichnung dieses Faktors angeben. Hier bleibt stets Interpretationsspielraum.
An dieser Stelle sei kurz auf den bis heute ungeklärten methodischen Disput über die Vorbzw. Nachteile einer geraden oder ungeraden Anzahl möglicher Antwortkategorien hingewiesen (vgl. u. a. Porst 1998: 28ff.).
„Zu den Formen der Verletzung, den territorialen Übertretungen, zählt Goffman einerseits das Eindringen in das von anderen Personen beanspruchte Territorium, das in der Regel eine Verunreinigung oder Kontamination z. B. durch körperliche Ausscheidungen beinhaltet, und andererseits die Expansion, die dadurch entsteht, daß ein Individuum übermäßige Ansprüche bezüglich seines persönlichen Raumes stellt und dabei in den persönlichen Raum benachbarter Individuen — z. B. durch übermäßige Lautstärke beim Reden — vorstößt. Zu den Mitteln der Verletzung bzw. der Verunreinigung gehört für Goffman alles, was über die Körperlichkeit der anderen in das eigene Territorium vordringen kann und dort sinnlich wahrnehmbar wird: Berührungen, Anblicken, Laute, Ansprechen und die Plazierung des Körpers“ (Raab 1998: 131).
Allein eine Differenzierung der Fragestellung in Bezug auf die Art, der in der jeweiligen Alltagssituation ausgetauschten, Berührung hätte den Rahmen des Fragebogens bei weitem gesprengt, wie ein Rechenbeispiel deutlich zeigt: Morris (1978: 92ff.) unterscheidet 14 öffentliche „Bindungszeichen mit Körperkontakt“. Für die neun oben definierten Alltagssituationen ergäben sich somit bei jeweils 14 möglichen Berührungsarten insgesamt 126 Antwortfelder!
Negative Sanktionen in Form von „bösen Blicken“ bis hin zu körperlicher Gewalt als Reaktion auf öffentliche „Bindungszeichen unter gleichgeschlechtlichen Partner/innen“ scheinen leider bis heute an der Tagesordnung, vgl. u. a. Feddersen (2003: 17).
Starke (2005: 97) berichtet von verschiedenen Studien, bei denen auch heute durchweg über 90% aller Befragten die Frage nach der Möglichkeit einer großen Liebe bejahen und kommt zur Feststellung: „Eine feste Zweierbeziehung zu haben, zählt zu den herausragenden Faktoren des Lebensglücks. Für die meisten ist der wesentliche Wert nicht die bloße Existenz einer Beziehung, sondern deren Qualität und deren Bestand.“
Dieses Phänomen gilt analog auch für die Häufigkeit des Geschlechtsverkehr, vgl. Schmidt (2004: 74f).
Vgl. auch Morris’ Beobachtungen zum öffentlichen Austausch von „Bindungszeichen mit Körperkontakt“ (1978: 92ff).
Hohenester (2000: 106f.) sieht im Gegensatz zu Lenz deutliche Unterschiede zwischen verheirateten und unverheirateten Paarbeziehungen.
Goffman (1974: 262ff.) bezeichnet derartige Ausdrucksformen die eine wie auch immer geartete Beziehung zwischen zwei Akteuren anzeigen als „Beziehungszeichen“. Beziehungszeichen können in drei Funktionstypen vorliegen: Rituale, Markierungszeichen und Änderungssignale. (Bezüglich Änderungssignalen vgl. Kapitel II 5.3.1 zur „Ersten Berührung“).
Diese deutlichen Unterschiede zwischen verschieden soziokulturellen Milieus führt Burkart gegen die — seiner meiner Meinung nach zu pauschal formulierte — „Individualiserungsthese“ ins Feld (vgl. Burkart 1997: 273ff).
Zum Begriff der „Körperzonen“ vgl. Lautmann (2001: 44).
Miklautz (1996: 93) macht die dominante Ausrichtung der Modekonsumenten auf das Aussehen des Produktes durch den Vergleich mit technischen Geräten deutlich: „Kleidung bietet sich, gerade wenn es um die Frage zum Verhältnis von Funktionalität und Ästhetik bei Artefakten geht, als der Bereich an, an dem sich zeigen läßt, wie gering das Gewicht des Funktionalen, Nützlichen und Zweckmäßigen im Vergleich zu anderen Bedeutungsebenen ausfallen kann. (…) Gehören etwa Haltbarkeit und Langlebigkeit bei technischen Geräten zu den wichtigsten Qualitätskriterien, so ist bei Kleidung eher Kurzlebigkeit erwünscht, zumindest sind viele der Befragten nicht bereit, für qualitativ Hochwertigeres, das auch eine höhere Lebensdauer erwarten läßt, mehr zu bezahlen, weil bei entsprechender modischer Orientierung die reale Tragedauer meist sowieso unter der erwartbaren Lebensdauer liegt.“
Zum Zusammenhang von Kleider-Mode und Alter vgl. u. a. Roderer (1986: 34ff).
Ein seltenes Beispiel für eine Unterwäsche-Kollektion für Männer mit Spitzeneinsatz im Lendenbereich ist im Sammelband von Gisela Framke (1995: 188f.) abgebildet. Interessanterweise dient als Modell ein bekannter Boxchampion, also ein „männlicher Mann“. Es ist anzunehmen, daß dies als ironische Brechung der dominanten Konvention „Spitze sei unmännlich“ zu verstehen ist.
Gergen (2002: 140) geht in seiner Hinführung zum sozialen Konstruktivismus in der Kritik noch einen Schritt weiter. Vor dem Hintergrund der widersprüchlichen Befunde der Emotionsforschung von Aristoteles bis heute, betrachtet er Emotionen per se als kulturelle Konstruktion: „Angesichts der Schwierigkeiten im Identifizieren von Emotionen und der politischen Nutzung emotionaler Begriffe (so werden beispielsweise Männern andere Emotionen als Frauen zugeschrieben; M. R.) wollen wir Emotionen im Folgendem als kulturelle Konstruktion betrachten.“
Mit diesem plakativen Begriff weist ein geistes-sozialwissenschaftlicher Sammelband (im Jahre 2000 vom ZDF-nachtstudio herausgegeben) darauf hin, daß Liebe oder Glück einen anderen Charakter besitzen als singuläre Gefühle wie beispielsweise Ärger oder Freude. Luhmann (1982: 23) beschreibt dies für die (romantische) Liebe wie folgt: Das „Medium Liebe (ist) selbst kein Gefühl, sondern ein Kommunikationscode nach dessen Regeln man Gefühle ausdrücken, bilden, simulieren, anderen unterstellen, leugnen und sich mit all dem auf die Konsequenzen einstellen kann.“ Wie Kapitel 12.3 zeigte, ist diese Ansicht — Liebe weniger als Gefühl denn als „kulturelle Symbolwelt“ (Beck 1990: 240) aufzufassen —n der Soziologie weitverbreitet.
Vgl. Krisenphasen in Lenz’ 4-Phasen-Modell von Zweierbeziehungen (2006: 101ff).
Nach Grau (2003: 489) wird Dyadisches Coping „als ein Prozess angesehen, in dessen Rahmen Stresssignale des Partners, die Wahrnehmung dieser Signale durch den anderen Partner und dessen Antwortreaktionen berücksichtigt werden.“
Die genaue Frageformulierung auf die 81,9% der Frauen, aber „nur“ 78,3% der Männer mit „trifft zu“ bzw. trifft eher zu“ antworteten, lautete: „Wie sehr treffen folgende Aussagen auf Sie zu? In meinem Sexualleben ist mir wichtig: Streicheln, Schmusen, Zärtlichkeit, Küssen“ (Kluge 2000: 24).
Bei den Obergriffen Nähe und Zärtlichkeit kommt „erschwerend“ deren begriffliche Unschärfe hinzu, da Nähe und Zärtlichkeit durch Berührungen, aber auch (im übertragenen Sinne) durch Worte entstehen bzw. vermittelt werden können und im Zuge des „Vertraut Werdens“ irgendwann sogar unabhängig von konkreten Interaktionssituationen als Beziehungsmerkmal empfunden werden können (vgl. Grau 2004: 289).
So mögen „Affären“ beispielsweise wohl vielfach durchaus ein Defizit an zärtlich-leidenschaftlichen Berührungen befriedigen, sie verstoßen jedoch gegen das dominante partnerschaftliche Treuegebot, welches heute in Form „serieller Monogamie“ praktiziert wird (vgl. Schmidt 2004: 30ff).
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(2008). Ergebnisse. In: Alltagsberührungen in Paarbeziehungen. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-90884-7_11
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