Auszug
Es ist bisher wenig bemerkt worden, dass der Begriff der Lebensformen in dem Sinne von Typen vollendeter Persönlichkeit das geistige Leben der Epoche aufs Tiefste bewegt. In den wissenschaftlichen Arbeiten von Max Weber und Troeltsch, in den Werken von Spranger und Scheler, aber auch in den bekenntnishaften Äußerungen der Jugendbewegung, auch der proletarischen und jungsozialistischen, ist manifest oder latent ein Ringen um die inhaltliche Gestaltung und Formulierung menschlicher Lebensideale zu spüren. Darin offenbart sich ein legitimes unveräußerliches Bedürfnis der menschlichen Seele nach einer sinnbildlichen Repräsentation menschlicher Gemeinschaft, ein tiefes Sehnen, die eigene gesellschaftliche Verbundenheit im positiven Sinne zu bewerten und anerkannt zu sehen durch den schöpferischen Akt eines exemplarischen Lebensideals, welches zu erfüllen Pflicht und Gebot der Gemeinschaft ist. Ob nun vom ‘sozialistischen Menschen’ oder vom ‘Führer’ gesprochen wird, ob Werner Jäger von immer neuen Ansatzpunkten aus ein neues lebendiges Humanitätsideal zu prägen versucht, ob Rudolf Borchardt einen neualten Typus des ritterlichen Menschen darzustellen unternimmt: überall ist ein Wille vorhanden, aus den mannigfaltigen sachlichen Verschlingungen und Verstrickungen des modernen Menschen zu einem Typ vollendeter menschlicher Totalität durchzubrechen. Es kann aber nicht genügen, diese Symptome aufzuweisen und zu deuten, es ist Pflicht, sie zu kritisieren und zu ihnen Stellung zu nehmen.
Edgar Zilsel, Die Entstehung des Geniebegriffs. Ein Beitrag zur Ideengeschichte der Antike und des Frühkapitalismus. Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1926.
Albert Salomon, „Zur Soziologie des Geniebegriffs“. In: Die Gesellschaft. Internationale Revue für Sozialismus und Politik 3, 2. Halbband, 1926, S. 504–513.
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Bibliography
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Ebd., S. 324.
Ebd., S. 22. Salomon formuliert den Begriff „Sklavenwirtschaft“ anlog des von Zilsel verwendeten Ausdrucks „auf Sklaverei beruhende Wirtschaft“.
Franz Mehring, Die Lessing-Legende. Eine Rettung. Nebst einem Anhange über den historischen Materialismus. Stuttgart: Dietz 1893.
Abgedruckt als Rudolf Borchardt, „Über den Dichter und das Dichterische“. In: Die Horen 4, 1927/28, S. 12–38, hier S. 19–20.
Vergleiche besonders Emil Lederer, „Zeit und Kunst“. In: Neue Rundschau vom Oktober 1922, S. 992–1001; Emil Lederer, „Aufgaben einer Kultursoziologie“. In: Melchior Palyi (Hg.), Hauptprobleme der Soziologie. Erinnerungsgabe für Max Weber, Bd. 2. München, Leipzig 1923, S. 145–171; Emil Lederer, „Zum sozialpsychischen Habitus der Gegenwart“. In: Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik 46, 1918–1919, S. 114–139; Emil Lederer, „Zur Soziologie des Weltkrieges“. In: Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, 39, 1915, S. 347–383.
Zilsel, Die Entstehung des Geniebegriffs, S. 104.
Ebd., S. 324.
Rainer Maria Rilke, Auguste Rodin. Zweite unveränderte Auflage. Berlin: Bardus 1904, S. 1.
Zilsel, Die Entstehung des Geniebegriffs, S. 313.
Ebd., S. 314.
Ebd. S. 104–105.
Ebd., S. 312.
Ebd., S. 312.
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(2008). Zur Soziologie des Geniebegriffs. In: Gostmann, P., Wagner, G. (eds) Albert Salomon Werke. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-90836-6_8
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