Auszug
Im vorangehenden Kapitel 4 habe ich die Grundlagen sowie das Forschungsprogramm der Wissenssoziologischen Diskursanalyse entwickelt. Bereits in der Einleitung und in verschiedenen Teilkapiteln der vorliegenden Arbeit wurde darauf verwiesen, dass die Wissenssoziologie im Allgemeinen und die Wissenssoziologische Diskursanalyse im Besonderen ein bislang nicht genutztes, aber hilfreiches Instrumentarium zur Verfügung stellen, um die soziologischen Gegenwartsdiagnosen der Wissensgesellschaft, der Kommunikationsge-sellschaft u.a. empirisch zu untersuchen. Diese These möchte ich im Folgenden exemplarisch erläutern. Die Wissenssoziologische Diskursanalyse analysiert gesellschaftliche Definitions- bzw. Wissensverhältnisse und die sich darin entfaltenden Wissenspolitiken sozialer Akteure als Diskurse, d.h. als historisch spezifische und spezifizierbare Prozesse und Praktiken im Medium sprachvermittelter Auseinandersetzungen. Sie nähert sich damit den Formen des sozialen Wandels, die in gegenwärtigen Zeitdiagnosen behauptet werden, auf der Ebene einer soziokulturellen Transformation der gesellschaftlichen Wissensregime.425 Sozialer Wandel ist für Individuen und Organisationen nicht nur ein „Handlungsproblem“ (Hitzler 2000; Poferl 2004), sondern ebenso sehr und vielleicht sogar primär ein Deutungsproblem. Ich schlage deswegen vor, sozialen Wandel als soziokulturellen Transformationsprozess zu begreifen, der durch Diskurse vermittelt wird. Dies betrifft nicht nur die mit dem Konzept der Wissensgesellschaft meist angesprochenen Transformationen des Verhältnisses von Sozialstruktur, Wirtschaft, Wissenschaft und Technik, sondern auch bspw. Identitätspolitiken und lebensstilbezogene Kämpfe um Anerkennung, also diejenigen Prozesse, die Giddens 1991a: (209ff) unter dem Begriff der „life politics“ zusammenfasst. Dazu gehört auch die Ablösung nationalstaatlich organisierter Diskurs- und Wissensordnungen — das, was man als Wissensnation 426 bezeichnen könnte — durch entsprechende transnationale Formationen und Öffentlichkeiten, der Wandel von ökonomischen Leitbildern (Boltanski/Chiapello 1999), die Veränderungen der Relationierung von Natur und Kultur in den gegenwärtigen Biopolitiken 427 oder die Herausforderung an etablierte Wissensregime, sensregime, die von den sozialen Bewegungen ausgegangen sind und noch ausgehen (Melucci 1996; Nash 2000).
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Preview
Unable to display preview. Download preview PDF.
Rights and permissions
Copyright information
© 2008 VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden
About this chapter
Cite this chapter
(2008). Diskurse und Sozialer Wandel. In: Wissenssoziologische Diskursanalyse. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-90788-8_5
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-531-90788-8_5
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Print ISBN: 978-3-531-15572-2
Online ISBN: 978-3-531-90788-8
eBook Packages: Humanities, Social Science (German Language)