Auszug
Seit fast 20 Jahren werden in Westeuropa die Auswirkungen von unternehmerischen und arbeitsrechtlichen Flexibilisierungsstrategien diskutiert. Dabei lassen sich im sozialwissenschaftlichen Diskurs zwei Argumentationsfiguren erkennen. Einerseits vertreten vornehmlich Ökonomen die Ansicht, dass eine Flexibilisierung des Arbeitsmarktes und damit verbunden die Diffusion atypischer Arbeitsverhältnisse nicht nur zur Lösung des Problems, das Berufs- und Familienleben zu vereinbaren, beitrage, sondern auch mithelfe, die virulente Langzeitarbeitslosigkeit in Westeuropa zu reduzieren. So gelten atypische Erwerbsformen wie etwa Teilzeit-, Leih- oder befristete Arbeit für Erwerbs-personen mit geringen Qualifikationen als mögliche Alternative zur Langzeitarbeitslosigkeit und als Chance, in ein Normalarbeitsverhältnis zu gelangen. Andererseits mahnen viele Soziologen, dass die Flexibilisierung für die Beschäftigten mehr soziale Unsicherheit bedeutet und sich auf gesamtgesell-schaftlicher Ebene in einem Anstieg der sozioökonomischen Ungleichheit niederschlägt. Arbeitnehmerverbände befürchten folglich, dass die „Krise des Normalarbeitsverhältnisses“ (Mückenberger 1985) die Integrationskraft des Arbeitsmarktes schwäche, in eine zunehmende Segmentierung des Arbeitsmarktes münde, und damit immer mehr Menschen eine deutlich reduzierte ökonomische und gesellschaftliche Teilhabe an sozialstaatlicher Sicherung und beruflicher Entfaltung haben.
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Nollert, M., Pelizzari, A. (2008). Flexibilisierung des Arbeitsmarktes als Chance oder Risiko? Atypisch Beschäftigte in der Schweiz. In: Szydlik, M. (eds) Flexibilisierung. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-90780-2_7
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