Auszug
Seit den 1990er Jahren erleben die Bildungssysteme in den deutschsprachigen Ländern eine intensive Diskussion und einige Veränderangen ihrer Organisations- und Steuerangsstrukturen. Für die Schulsysteme bedeutet diese ‚schulische Modernisierang‘ „nach einer langen Phase der zwar durchaus kontroversen, aber doch auch kontinuierlichen Entwicklung und Expansion des Bildungswesens eine neue, ‚unübersichtliche‘ Lage“ (Brüsemeister/Eubel 2003: 15). Während zunächst die Entwicklung in Richtung einer Erhöhung der Gestaltungsspielräume für die Einzelschulen wies, haben in den letzten Jahren zunehmend zentral formulierte Anforderungen, wie z.B. Schulprogramme und Bildungsstandards, an Bedeutung für — auch einzelschulische — Entwicklungsaktivitäten gewonnen (vgl. Altrichter et al. 2005). Die Ausgangsthesen unseres Beitrags sind folgende:
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1.
Wir gehen davon aus, dass von solchen Initiativen der „ Schulentwicklung “ —damit meinen wir einzelschulische Entwicklungen, die eher ‚schulautonom‘ entstanden sind, ebenso wie solche, die primär auf externe Anforderungen zurückgehen — ein Veränderungsdruck auf ein tradiertes Verständnis von Berufstätigkeit von Lehrern ausgeht und dass durch diese Initiativen gleichsam alternative, „ modernisierte Berufsverständnisse“ (wahrscheinlich in unterschiedlichen Fassungen) signalisiert werden.
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2.
Zusätzlich nehmen wir an, dass diese ‚neuen Berufsverständnisse ‘nicht unbedingt explizit ausgehandelt werden, sondern — oft implizit — durch die Handlungsarrangements von Schulentwicklungsinitiativen nahe gelegt werden. Ihr Wirksamwerden im Foram der Einzelschule ist daher eher abhängig vom Verlauf der konkreten Schulenrwicklungsprozesse vor Ort — und relativ unabhängig von dem schon seit mehreren Jahren geführten fachwissenschaftlichen Diskurs über die neue Rolle von Lehrern (vgl. Struck 1994; Bauer 1998; Gudjons et al. 2002) und ebenso von formellen Änderangen von Berufsauftrag und Dienstrecht (die in einigen deutschsprachigen Schulsy stemen stattgefunden haben; vgl. HSchG 1999, §127b, Abs. 2; Beruflicher Auftrag 2004), gleichwohl letztere entsprechende Entwicklungen stützen können (vgl. Seel et al. 2006).
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3.
Schließlich meinen wir, dass Schulentwicklungsinitiativen Lehrer zunächst durchaus als aktive Gestalter der „neuen Schule“ ebenso wie eines „neuen Berufsverständnisses“ konzipierten, dass Lehrer aber mehr und mehr in die Rolle von „abhängigen Variablen“ von extern bestimmten Entwicklungen geraten. Damit aber wird die Frage, welches „ neue Berufsverständnis “ durch diese Schulentwicklungen angestrebt wird, systemweit virulent, was sich bspw. im Ruf nach „Modernisierungspfaden“ für die Lehrerprofession ausdrückt (vgl. Brüsemeister 2004: 433–490).
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Heinrich, M., Altrichter, H. (2008). Schulentwicklung und Profession Der Einfluss von Initiativen zur Modernisierung der Schule auf die Lehrerprofession. In: Helsper, W., Busse, S., Hummrich, M., Kramer, RT. (eds) Pädagogische Professionalität in Organisationen. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-90777-2_11
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