Auszug
Das deutsche Schulsystem ist als Berechtigungssystem angelegt: eine der zentralen Aufgaben des Systems ist die gesellschaftliche Allokation — also die gesellschaftliche Platzierung, vermittelt über die Selektion in der Schule. Dies geschieht tagtäglich durch Leistungsrückmeldungen, durch Noten in Klassenarbeiten und für mündliche Mitarbeit, durch die Dokumentation von Leistungen auf Zeugnissen, durch die Vergabe — oder Nichtvergabe — von Schulabschlüssen. In Deutschland sind die Erwerbstätigkeit, das Einkommen, die Lebensführung und die gesellschaftliche Teilhabe in hohem Maße an schulische Abschlüsse gekoppelt.1 Das Schulsystem in Deutschland übt diese Aufgabe so aus, dass dabei in erheblichem Maße nicht nach individueller Leistung, sondern auch nach sozialer Herkunft selektiert wird. Diesen Mechanismus haben Sozial- und Erziehungswissenschaftler seit den 1960er Jahren vielfach belegt und in wissenschaftlichen Diskussionen breit zur Diskussion gestellt (vgl. exemplarisch Bourdieu/Passeron 1971). Trotz der daraus folgenden großen Aufmerksamkeit der bildungspolitisch interessierten Öffentlichkeit — sei es in den 1960er Jahre oder heute — blieb (und bleibt) dieses Wissen bis in die Gegenwart hinein folgenlos.
Vgl. hier insbesondere Kapitel I zu Wirkung und Erträgen von Bildung im Bildungsbericht von 2006 (Konsortium Bildungsberichterstattung 2006: 181–196).
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Bellenberg, G., im Brahm, G. (2007). Verachtung der Pädagogik und gesellschaftliche Selektion — am Beispiel der Institution Schule. In: Ricken, N. (eds) Über die Verachtung der Pädagogik. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-90737-6_10
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