Auszug
Wie kann postmoderne und systemtheoretische Steuerung auf einer praktischen Ebene aussehen? Welche Folgerungen ergeben sich für das Konzept des Neuen Steuerungsmodells und seiner Weiterentwicklungen? Bezogen auf den Policyprozess kann die Frage prÄzisiert werden: Wie sieht eine postmoderne Planung aus, wie sind postmoderne Umsetzungs-und Entscheidungsstrukturen beschaffen und welche Rolle spielt die postmoderne Kontrolle, die die ergÄnzenden Prinzipien lokaler RationalitÄt und EmotionalitÄt, begrenzte Steuerungsmöglichkeiten, „subjektive ObjektivitÄt“ und Mehrdeutigkeit ernst nimmt? Oder umgekehrt: Wie sieht eine Steuerung aus, die erkennt, dass die Grundkonzepte und Grundannahmen RationalitÄt, Eindeutigkeit, Gestaltbarkeit und ObjektivitÄt „Mythen“ der modernen Gesellschaft sind, die dadurch integrieren, dass sie den Glauben an organisationale Steuerung und damit die LegitimitÄt der Institution „Organisation“ aufrechterhalten. Und dass damit der „Glaube“ und die damit verbundene „Konstruktion der Wirklichkeit“ das symbolisch integrierende Element ist, wÄhrend die „Fakten“ und „RealitÄten“ eine andere Sprache sprechen205. WÄhrend die epistemologischen Grundlagen der „klassischen“ Steuerungsmodelle breit rezipiert werden, sind die praktischen und methodologischen Konsequenzen bisher eher schemenhaft skizziert und vage (Holtbrügge 2001, S. 276). Dies muss jedoch kein Defizit sein, ist es doch der Anspruch postmoderner Vertreter keine neuen Meta-ErzÄhlungen und Gegenmodelle zu entwickeln. Insofern wÄre ein „eindeutiger“ Instrumentenkasten, der operationale, praktische Handlungsempfehlungen und klare Antworten auf relevante Fragen gibt, ein „Widerspruch“.
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References
Vgl. grundlegend Seibel 1992. Auch Morgan vergleicht rationale Entscheidungsprozesse mit Weissagungen und magischen Ritualen in „primitiven“ Gesellschaften. Aus seiner Sicht spielen in formalen Organisationen quantitative Analysen eine vergleichbare Rolle. Sie werden zur Vorhersage künftiger Entscheidungen und zur Analyse der Folgen unterschiedlicher Strategien eingesetzt, so dass sie dem Entscheidungsprozess den Anschein von RationalitÄt und Substanz verleihen“; vgl. Morgan 1997, S. 190.
Auf völlig unseriöse, unwissenschaftliche, nur der Medienwirksamkeit verpflichtete „postmoderne“ AnsÄtze gehen Weik/ Lang 1999, S. 332ff. ein.
Vgl. Baeckers „Postheroisches Management“ 1994.
Dies sind die Grundlagen für die Interventionstheorie von Willke; vgl. Willke 1994
Einen schönen überblick über den Beitrag von Vattimo zur postmodernen Organisationsforschung gibt Bauer. Auch wird hier das „Denken der Kontamination“ ausführlich entfaltet; vgl. Bauer 1999, S. 60ff. Neben der „Verunreinigung“ und „Vergiftung“ hei\t „contaminare“ wörtlich „überkreuzen“. Das hei\t, dass sich unterschiedliche Aspekte immer berühren und überkreuzen, weshalb es die idealisierte Reinheit von Gegensatzpaaren nicht gibt.
Vattimo entwickelt die Denkfigur der „Verwindung“ ausgehend von Heideggers Existenzphilosophie. Heidegger betont, dass das Sein nur als „Zwiefalt“, als „Entfaltung“, als Differenz gibt. Der Dialog hebt die Zwiefalt nicht auf, aber er verbindet die Differenz durch die Kommunikation (ein Dialog). Er verwindet die Pole. Eine „schwache“ Wahrheit ist die Folge; vgl. Bauer 1999, S. 61f
Dies entspricht der viergliedrigen, indischen Logik und der Figur des „Tetralemma“; vgl. das programmatische Buch „Ganz im Gegenteil“ von Kibed/ Sparrer 2002.
Für Baecker 1994, S. 131 ist das damit verbundene Systemdenken die Wiederentdeckung des gesunden Menschenverstandes.
Organisationales Lernen setzt voraus, das Unsichtbare, das Implizite und SelbstverstÄndliche bewusst zu machen; vgl. Nagel 2000, S. 199.
„Wenn die Leute ihre Umgebung verÄndern wollen, müssen sie sich selbst und ihr Handeln Ändern-nicht jemand anderen. Wiederholtes Scheitern von Organisationen beim Lösen ihrer Probleme erklÄrt sich teilweise aus der UnfÄhigkeit, ihre eigene Bedeutung innerhalb der Umwelt zu verstehen. Probleme, die nie gelöst werden, werden deshalb nie gelöst, weil die Manager fortwÄhrend mit allem herumexperimentieren, au\er mit dem, was sie selbst tun.“ (Weick 1985, S. 219).
Nach Luhmann bedeutet Reflexion die Eigenschaft von Systemen, sich bei ihren eigenen Operationen an der eigenen IdentitÄt zu orientieren. In diesem Sinne ist Reflexion gleichbedeutend mit Selbstreferenz; vgl. Luhmann 1984, S.617.
Vgl. auch Drepper 2001, S. 146, der festhÄlt, dass Systeme dann, wenn sie sich selbst als Teilsystem eines umfassenderen Systems verstehen, eine interne ReprÄsentation der eigenen Einheit besitzen, die zu denken ist, als Einheit einer Differenz.
Vernunft ist im VerhÄltnis zur RationalitÄt der umfassendere Begriff. Sie resultiert aus dem dialogischen Zusammenspiel lokaler RationalitÄten (die nicht in Eins fallen, sondern unterschieden bleiben); und die nicht auseinander fallen, sondern aufeinander bezogen bleiben; vgl. Bauer 2003, S. 240.
Die klassische Konfliktauffassung hat viel mit der Aristotelischen zweiwertigen Logik und dem damit verknüpften Satz vom „ausgeschlossenen“ Dritten. Auch Kant wusste um die SubjektivitÄt der Wahrheit, wenn er sagt: „Ein totaler Irrtum ist unmöglich“ und darauf aufbauend die Verhaltensempfehlungen 1. Zurückhaltung und Behutsamkeit gegenüber den Auffassungen Andersdenkender, 2. Aufgeschlossenheit gegenüber Andersdenkenden im wohlverstandenen Eigeninteresse, 3. Sich in die Situation des anderen hineinversetzen, 4. Bereitschaft auch den eigenen Irrtum einzukalkulieren, entwickelt; zitiert in Grunwald 1995, S.21. Lennie weist darauf hin, dass mit der Subjekt-Objekt-Trennung auch die Konflikte eliminiert wurde. Wo es eine „objektive Wahrheit“ gibt, braucht über diese nicht gestritten werden; vgl. Lennie 1999, S. 19ff.
Baecker weist ebenfalls auf die „Effizienz des Widerspruchs“ hin; vgl. Baecker 1994, S. 34f.
Auch Baecker hat auf die grundlegende Funktion der Hierarchie als Ordnung zur Strukturierung von Beobachtungen hingewiesen, die bezeichnet, welche Unterscheidung einen Unterschied macht und welche nicht; vgl. Baecker 1993, S. 122ff. Sydow und Windeler betonen die Reflexionsvorteile von Netzwerkstrukturen; vgl. Sydow/Windeler 1997, S. 147ff.
Drepper weist darauf hin, dass sich in Hierarchien Beobachtungen und ihre Kommunikation mit gro\er Zielgenauigkeit immer dort ereignen, wo sie keinen Unterschied mehr machen, wÄhrend die Unternehmung sich in der Fiktion einrichtet, an der Spitze der Hierarchie könne mit aller gebotenen Eindeutigkeit, basierend auf exakter Information durch Untergebene und Beobachtungen der Au\enwelt, zu der die Spitze ja einen privilegierten Zugang hat, entschieden werden, was für eine Unternehmung von Relevanz ist und welchen Ereignissen man gegenüber indifferent bleiben kann, vgl. Drepper 2001, S. 133.
„Nicht die AutoritÄt informiert, sondern wer informiert erlangt AutoritÄt“ (Baecker 1993, S. 131).
WÄhrend in Deutschland diese, den herkömmlichen AnsÄtzen kritisch gegenüberstehenden Konzeptionen eine kurze und wenig einflussreiche Geschichte haben, sind „critical accounting“ AnsÄtze in angloamerikanischen LÄndern eine ernstzunehmende Alternative. Einen guten überblick hierzu gibt Puxty 1993. So geht z.B. Müller in seiner umfassenden Arbeit „Controlling aus verwaltungswissenschaftlicher Perspektive“ so gut wie überhaupt nicht auf alternative Controllingkonzeptionen ein; vgl. Müller 2004; Brüggemeier thematisiert wenigstens das Controlling im Kontext mikropolitischer Prozesse; vgl. Brüggemeier 1997, S. 191ff. Kappler/Scheytt ist deshalb zuzustimmen, wenn sie feststellen, dass die grö\ten Defizite des Controlling im Bereich des theoretischen, epistemologischen und methodologischen Status liegen; vgl. Kappler/Scheytt 1999, S. 224.
Vgl. den bezeichnenden Titel „Accounting Numbers as Inscription“ von Robson 1992.
Kappler ordnet deshalb diese Art des Controlling dem „strategischen Controlling“ zu, da es entscheidet, was und wie beobachtet wird; vgl. Kappler 2000.
Vgl. Chua 1988, S. 67: Man kann von einer „constructive und constructed nature of management accounting sprechen“
Vgl. Becker 2003, S. 180, der dies für die Wissenschaft insgesamt feststellt. „Wissenschaft gewinnt ihre AutoritÄt u.a. aus dem Verbergen dieses Konstruktionsprozesses und der Behauptung der reinen ReprÄsentation“. Diese Feststellungen sind kompatibel mit Derridas Begriff des „Supplement“. Der RationalitÄtsschleier ersetzt zunÄchst die bisherigen RationalitÄtsvorstellungen und gleichzeitig ergÄnzt er sie, indem er genau durch die Verschleierungen der formalen RationalitÄt zum Durchbruch verhilft.
Foucault weist immer wieder auf die Disziplinierungsmacht schriftlicher Dokumentationen und Normierungen hin. Diese hierarchische überwachung durch Sichtbarmachung wird in Foucault 1981, S. 220ff. entfaltet.
Für Lenk sind Kennzahlen ein Angebot an die lernende Organisation; vgl. Lenk 1997, S. 22ff.
Vgl. zusammenfassend Witte 1994, der nicht zögert vom Mythos der Entscheidung als heroischer Tat einer Persönlichkeit zu sprechen.
Vgl. Ortmann 1999, S. 171, der auch Kleist mit dem Zitat „Die überlegung, wisse, findet ihren Zeitpunkt weit schicklicher nach, als vor der Tat“ anführt.
Vgl. Luhmann 2000a, S. 123ff, der die „Paradoxie des Entscheidens“ ausführlich darstellt.
Daraufweist insb. Franck 1992 in seinem Beitrag „Körperliche Entscheidungen und ihre Konsequenzen für die Entscheidungstheorie“ hin. Im Gensatz dazu, die Metapher vom „Organisation als Gehirn“; vgl. Morgan 1997.
Gronemeyer beschreibt das ökosystem „Natur“ als „eigenmÄchtig“, „eigensinnig“, „eigennützig“ und „eigenartig“; vgl. Gronemeyer 1996, S. 40ff.
Weick/Sutcliffe betonen, dass Manager „ganz wild aufs Messen und Bewerten“ sind, aber am liebsten bewerten sie das, was sie kennen; vgl. Weick/ Sutcliffe 2003, S. 10.
Vgl. Baecker, der davon spricht, das „kontrollieren kommunizieren hei\t“; vgl. Baecker 1994, S. 56.
Vgl. Schreiben der Stadt-und Stiftungspflege vom 1.3.96.
Vgl. Ford/ Ford 1995, S. 542: „Producing change is not a process that uses communication as a tool, but rather it is a process that is created, produced, and maintained by and within communication.“
Vgl. auch Rüegg-Stürm 2001, S. 281; dazu auch Heintel 1993, S. 121: „Eine Organisation gewinnt ihr’ selbst’ nicht durch eine Vorgabe von einzelnen bestimmten Zielen, nach denen sie sich auszurichten hat, sie gewinnt es erst dadurch, dass sie sich zu sich selbst in Differenz setzen, sich reflektieren kann.“
Luhmann hÄlt fest, dass die Letztfundierung in einem Paradox eines der zentralen Merkmale der Postmoderne darstellt. „Die Paradoxie ist die Orthodoxie unserer Zeit“ (Luhmann 1997, S. 1144).
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(2007). Praktische und methodologische Konsequenzen. In: New Public Management. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-90729-1_8
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