Auszug
Neue Konturen von Geschlechterverhältnissen und Alltagsarrangements sind seit Jahren Gegenstand intensiver politischer, gesellschaftlicher und wissenschaftlicher Auseinandersetzungen. Dies hat seinen Grund nicht einfach in den individuellen Aufregungen und Anstrengungen, die Phänomene wie Emanzipation, Zeitnot oder „Doppelrolle“ verursachen, sondern vielmehr darin, dass die vermeintlich weichen Themen „Geschlecht bzw. Gender“68 und „Alltag“ einen harten Kern haben: die Teilung von Arbeit und damit auch von Status, Macht und Anerkennung sowie die Verfügung über Geld, Zeit und Raum. Diese Teilungen sind wesentliche Dimensionen gesellschaftlicher Strukturen, die sich entlang der Kategorien Geschlecht, Ethnie und Klasse bzw. Schicht ausdifferenzieren. Sie bestimmen entscheidend mit über die Qualität alltäglichen Lebens erwachsener Frauen und Männer an den verschiedenen öffentlichen, betrieblichen und privaten Orten und prägen in der Folge auch die Lebensverhältnisse von Kindern, Jugendlichen und alten Menschen.
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Im folgenden wird, anschließend an die aktuelle Frauen-und Geschlechterforschung, Geschlecht im Sinne von Gender als sozialem Geschlecht verstanden (Knapp/ Wetterer (Hg.) 2002).
Dieser These liegt ein an anderer Stelle ausführlich erörtertes handlungs-und subjektorientiertes, aber nicht subjektivistisches soziologisches Verständnis von Zeit zugrunde (Jurczyk 1997, 2001a). Anknüpfungspunkte sind konstruktivistische Theorien sowie die zeitsoziologischen Ansätze von Norbert Elias und von George H. Mead.
Zwei wichtige Differenzierungen können hier nicht näher ausgeführt werden. Erstens ist darauf hinzuweisen, dass der Modernisierungstypus und-verlauf in Deutschland nur einer von möglichen Modernisierungspfaden auch innerhalb Europas ist. Im Zusammenhang mit der spezifischen Ausformung der Geschlechter-verhältnisse (Pfau-Effinger 1998) treffen deshalb die folgenden Aussagen nur für Gesellschaften zu, die der deutschen ähnlich sind. Zweitens hat sich ab 1948 mit der Gründung der zwei deutschen Republiken auch innerhalb Deutschlands die Entwicklung gespalten: Das Modell der Hausfrauenehe gilt nur für Westdeutschland (ebd.). Im genauen Sinn treffen deshalb bestimmte Merkmale der Geschlechterverhältnisse ab den 50er Jahren nur dort zu.
Dabei wird der Erwerbsbereich als Kern von Öffentlichkeit definiert, daneben gibt es andere Teilöffentlichkeiten. Dieses spezifische, enge Verständnis von Öffentlichkeit unterscheidet sich vom politikwissenschaftlich-sozialphilosophischen, dort ist Öffentlichkeit der Raum nichtzweckgebundener Kommunikation (Cohen 1994; Habermas 1981). Ebenso ist der im folgenden oft verwendete Begriff ‚Familie ‘eine Einengung von ‚Privatheit‘, gibt es doch verschiedene private Formen des Miteinanderlebens.
Kritik an der These vom Arbeitskraftunternehmer wird inzwischen in mindestens dreierlei Richtung formuliert: erstens als Vernachlässigung seiner empirischen Verteilung und Verbreitung, zweitens als Vernachlässigung von Gegentendenzen sowie drittens als unzulässige Verallgemeinerung partieller Entwicklungen (vgl. bspw. Bosch 2000). Eine systematische Kritik und empirische Überprüfung der These vom Arbeitskraftunternehmer als neuem Leittypus von Arbeitskraft steht insbesondere unter einer geschlechtskritischen Perspektive, die auch nach seinen strukturellen Voraussetzungen fragt, aus.
Vgl. genauer Jurczyk/ Voß 2000: 167–188, wo dies für die Dimensionen des neuen Leittypus von Arbeit: Selbstkontrolle, Selbstökonomisierung und Verbetrieblichung der Lebensführung ausgeführt wird. Arbeitszeiten stehen zunehmend zur Disposition: nicht nur in ihrer Dauer, sondern auch in ihrer Verteilung und sogar im Wegfall fester Vorgaben. Ein neues Stichwort ist hier: Ergebnisstatt Zeitorientierung. Dies bedeutet, daß die vom Betrieb bzw. Auftraggeber gesetzte Vorgabe nur mehr in der Erfüllung einer bestimmten Aufgabe bzw. Leistung besteht. Wie die Erbringung dieser Leistung zeitlich organisiert wird, bleibt im wesentlichen der Selbstkontrolle der Arbeitenden überlassen. Was zählt, ist das vereinbarte Abgabedatum und nicht das Einhalten festgelegter täglicher Arbeitsquanten.
vgl. auch Künzler et al. 2001; sowie als Überblick Maihofer et al. 2001: 23 ff.: Müller 1998.
Sie bezeichnet den Komplex von Gedanken, Gefühlen und Handeln im Hinblick auf die Geschlechtsrolle als gender-strategy und weist daraufhin, daß die eigene gender-strategy nicht ausreicht, um das Handeln zu erklären, sondern die des Partners hierfür miteinbezogen werden muss (ebd.: 190).
Diese sind auch europaweit nach wie vor die wichtigste, wenn auch schwindende Ressource der Kinderbetreuung (vgl. Moss 1990).
Vgl. die Untersuchung dieser dispositiven und organisatorischen Anteile von Arbeit in der repräsentativen Zeitbudgetstudie (1994) für die Bundesrepublik, darin insbesondere Blanke (1994). Die Auswertung der 2. Welle der Zeitbudgeterhebung von 2000 hat gerade erst begonnen.
Dabei gibt es etliche Hinweise, daß auch eine Verwandlung der rein rechnerisch zunehmenden Freizeit in Arbeit stattfindet (vgl. Müller-Wichmann 1984, Thiele-Wittig 1989).
Wie kompliziert und ambivalent sich jedoch solche Vereinbarkeiten unter flexiblen Arbeitsbedingungen darstellen, machen erst genaue empirische Studien deutlich, wie sie bspw. für die Gruppe der Festen Freien Mitarbeiterinnen im Medienbereich durchgeführt wurde (vgl. Behringer/ Jurczyk 1995).
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© 2007 VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden
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Jurczyk, K. (2007). „Geschlechterverhältnisse und Alltagsarrangements — Neue Konturen der Teilung von Zeit und Arbeit“. In: Mückenberger, U., Timpf, S. (eds) Zukünfte der europäischen Stadt. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-90711-6_7
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Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften
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Online ISBN: 978-3-531-90711-6
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