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Gemeinschaft nach Parsons: Dialektik des AGIL-Schema

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Gemeinschaft in Gesellschaft
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Auszug

Eine Konvergenzthese stand am Anfang von Talcott Parsons’ Handlungs-Systemtheorie. Um die Hobbessche Frage nach der Möglichkeit sozialer Ordnung beantworten zu können, rekonstruierte Parsons in seiner ersten großen Arbeit („The Structure of Social Action“, Parsons 1968a) ökonomistische und strukturtheoretische Soziologien (Marshall und Pareto, Durkheim und Weber). Er beobachtete ihre Konvergenz im normativistischen Modell einer durch gemeinsame Wertorientierungen garantierten Sozialintegration.201 Parsons beschäftigte sich bereits in „Structure“ mit Ferdinand Tönnies’ Dialektik von „Gemeinschaft und Gesellschaft“202, doch eine ausgearbeitete Soziologie der Gemeinschaft legte Parsons erst in seiner letzten Schaffensepoche nach der Ausarbeitung des Vierfelder-Schemas (AGIL) vor. Parsons verortete dort die „gesellschaftliche Gemeinschaft“ als Kern des Sozialsystems „Gesellschaft“ und gemeinschaftliche Handlungs- und Systemformen — die „integrative“ Komponente (I) — als konstitutiv für alle Handlungssysteme.

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Literatur

  1. Darüber hinaus versucht Wenzel unter Bezug auf die bei Parsons beobachtete Inkorporation von Alfred N. Whiteheads Philosophie des „analytischen Realismus“ zu belegen, dass Parsons in seinem ersten Hauptwerk bereits eine „komplexe Konvergenz“ in einem „allgemeinen Handlungssystem“ bei den untersuchten Sozialtheorien nachweist (v.a. Wenzel 1991, S. 284ff.).

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  2. So in einer „Note on Gemeinschaft and Gesellschaft“ im Weber-Kapitel der „Structure“ (Parsons 1968, S. 686ff.), auf die er mehrfach zurückkam (Parsons 1960, 1973).

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  3. Eine Veröffentlichung unter der editorischen Betreuung von Giuseppe Sciortino ist mit dem Titel „American Society: Toward a Theory of Societal Community“ bei Paradigm Publishers seit längerem angekündigt (ursprünglich war eine gemeinsame Betreuung mit Jeffrey C. Alexander geplant; Sciortino 2004). Die Verlagsankündigung ist dem Manuskript angemessen: „Never before published, American Society is the product of Talcott Parsons’s last major theory-building project. During the 1970s, Parsons worked persistently to fulfill his earlier promise to produce ‚a general book on American society’. The surviving manuscript, completed just a few weeks before his death, is just such a book—and much more. Beyond its rich reading of American society, it offers a systematic presentation and major revisions of his previous landmark theoretical positions: the attempt to elaborate a nonnostalgic theory of modernity, to link macro and micro perspectives, to defend the possibility of objective sociological knowledge, to analyze national specificities within the context of worldwide trends, to develop an adequate conception of societal integration grounded in fully pluralistic premises. Even after the passage of many years, the book imparts a remarkably provocative interpretation of U.S. society and a creative approach to social theory.“

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  4. Wenzel (Wenzel 1991, S. 32–55) reiht in seinem Abriss der zeitgenössischen Theorien mit zentralem Bezug auf Parsons’ Theorie noch den „Neofunktionalisten“ Jeffrey Alexander auf, einen der wenigen amerikanischen Sozialwissenschaftler, die sich mit den epistemologischen Grundlagen dieses komplexen Theoriegebäudes beschäftigt haben (Alexander 1993, Wenzel 1993). In einer Zusammenstellung seiner letzten Arbeiten zum „Neofunktionalismus“ bemerkt dieser: „It is virtually impossible, at this point, to theorize about contemporary society without reference to some of the major themes in Parsons’ work: to (...) structural differentiation (...), inclusions (...), culture (...), to his ideas about the necessary interplay of personality and social structure“ (Alexander 1997, S. 4). Zugleich betont er: „his theories are no longer acceptable as such“ (ebd.). Er rechnet sich mit das Verdienst zu, Parsons zum Status eines soziologischen Klassikers verholfen zu haben, nun sei aber die Zeit „after Parsons“ (ebd., S. 5) gekommen.

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  5. Jede gründliche Parsons-Rezeption betont die theoriestrategischen Entscheidungen, die Parsons bereits 1937 in seinem ersten Hauptwerk „The Structure of Social Action“ (Parsons 1968a) getroffen hat, sei es die Konzeption des „voluntaristischen Handelns“ (Münch), das Aufgreifen des Hendersonschen Systemkonzepts und der Whiteheadschen Theorie des „analytischen Realismus“ (Wenzel) oder in Parsons’ eigenen Kategorien: die These der „Konvergenz“ der soziologischen Klassik in einer normativen Integration sozialer Handlungen bzw. Systeme. Diese theoriegeschichtliche Vergewisserung legte den Grund für seine spätere Ausdifferenzierung in die struktur-und systemfunktionalistische Theorie und erlaubt, von einer Kontinuität in Parsons’ Werk zu sprechen.

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  6. Harald Wenzel zeichnet überzeugend drei Werkepochen in Parsons Theorieentwicklung nach (Wenzel 1991, S. 22ff.): (1) Die Phase der Entwicklung der Theorie des „voluntaristischen Handelns“, die er mit der (normativistischen) „Konvergenzthese“ in der Studie „The Structure of Social Action“ zu begründen versucht; (2) ab Mitte der vierziger Jahre die zweite Werkperiode des „Strukturfunktionalismus“, die das Handlungsmodell der (normativen) Orientierung situations-und objektbezogen ausdifferenziert, und insbesondere mit dem Konzept der „pattern variables“ Handeln weiter dekomponiert; und (3) die Periode des „Systemfunktionalismus“ (ab 1952), die insbesondere durch die Entwicklung des Vier-Funktionen-Schemas (AGIL) gekennzeichnet ist. Das AGIL-Schema entwickelte Parsons bis zu seinem Tod im Jahr 1979 kontinuierlich weiter, ergänzte es um das „interchange paradigm“ (in Parsons/Smelser 1957), d.h. des Konzeptes der „symbolisch generalisierten Interaktionsmedien“, um die Analogie zum kybernetischen Regelkreislauf durch die Einführung der doppelten Hierarchie steuernder (L→I→G→A) und bedingender (A→G→I→L) Faktoren sowie schließlich in einer seiner letzten Veröffentlichungen (Parsons 1978a) um die „conditio humana“, die Systematik der Umwelt menschlichen Handelns.

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  7. „It should be made quite clear that statuses and roles, or the status-role bundle, are not in general attributes of the actor, but are units of the social system, though having a given status may sometimes be treated as an attribute. But the status-role is analogous to the particle of mechanics, not to mass or velocity“ (Parsons 1951, S. 25).

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  8. Die Entwicklung der pattern variables geht zurück auf eine Diskussion von Tönnies’ Unterscheidung zwischen „Gemeinschaft“ und „Gesellschaft“ (Wenzel 1991, S. 381f.). Parsons unterscheidet die pattern variables danach, ob sie der Orientierung des Aktors (Orientierungskategorien) dienen (Affektivität vs. affektive Neutralität, Universalismus vs. Partikularismus, Ego-Orientierung vs. Kollektiv-Orientierung; letztere ließ er später fallen) oder ob sie die Modalität der Situationsobjekte charakterisieren (Eigenschaften bzw. Qualität vs. Leistungen bzw. Performanz, Spezifizität vs. Diffusheit) (ebd., S. 400ff.).

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  9. Explizit zuerst in der 1939 fertig gestellten Schrift „Aktor, Situation und normative Muster“ (Parsons 1986).

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  10. „Der Ansatz bestand im Wesentlichen darin, die Kleingruppe als funktionierendes soziales System zu verstehen. Man nahm an, dass ein solches System vier hauptsächliche ‚funktionale’ Probleme hätte, die dann als das der Anpassung an die Bedingungen der äußeren Situation, das der instrumentellen Kontrolle über Teile der Situation im Vollzug zielgerichteter Aufgaben, das der Handhabung und des Ausdrucks von Gefühlen und Spannungen der Mitglieder und das der Erhaltung der sozialen Integration der Mitglieder in einem solidarischen Kollektiv beschrieben wurden“ (Parsons/ Bales 1953, S. 64). Die phänomenologische Genese der vier Funktionsprobleme lässt freilich die Frage der Vollständigkeit unbeantwortet, sofern man die Orientierung an der Raum-und Zeitachse nicht als ausreichend ansieht. Glücklich ist gleichwohl die „Entdeckung“ dieser Ordnung.

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  11. Hinsichtlich der graphischen Darstellung tauschte Parsons gegenüber früher die Ebenen der Raumdimension, so dass die Reihenfolge A-G-I-L nicht mehr im Uhrzeigersinn gelesen wird, sondern entgegen. Er begründete dies in dem von ihm allein verfassten „Technischen Anhang“ zu dieser Studie, konzedierte allerdings eine „gewisse Willkür“ (Parsons 1990, S. 555). Anstelle des in der deutschen Übersetzung von „Die amerikanische Universität“ verwendeten Begriffs „Erhaltung latenter Strukturen“ setze ich im Folgenden insbesondere zur Vereinfachung der graphischen Darstellung den von Wenzel und anderen benutzten, wohl als synonym akzeptierbaren deutschen Begriff „Strukturerhaltung“ ein.

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  12. So hat Parsons in den „Working Papers“ (Parsons u.a. 1953) gegenüber früher einige Variablenpaare ohne Begründung umgetauscht: Universalismus/Partikularismus waren ursprünglich Orientierungskategorien, Spezifizität/Diffusheit Objektmodalitäten. Wenzel nachdenklich: „Wird damit das Schema der Mustervariablen nicht der Systematik der Funktionsprobleme kurzerhand gefügig gemacht?“ (Wenzel 1991, S. 419)

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  13. Parsons’ Konzept eines gesellschaftsexternen Kultursystems als Symbolsystem ähnelt dem Konzept von Kultur, das Ernst Cassirer in seiner „Philosophie der symbolischen Formen“ entwickelte und zur Grundlage einer Kulturtheorie machte, die derzeit eine Renaissance erfährt (Cassirer 1994, Recki 2005).

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  14. Schaubild aus Parsons 1990, S. 570.

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  15. Ich übersetze „fiduciary system“ im Anschluss an den Übersetzer der „amerikanischen Universität“ (Michael Bischoff) als „Treuhandsystem“, da der deutsche Begriff bei Wenzel („Treuhändersystem“) oder den sonstigen deutschen Parsons-Übersetzern („treuhänderisches System“) den ohnehin schwerfälligen Begriff noch weiter beschwert. Richard Münch bezeichnet diese Systemebene in seiner Darstellung des Ansatzes von Parsons als „social-cultural system“, als sozial-kulturelles System (Münch 1994, S. 55).

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  16. Angesichts des dort erstmals ausgeführten, transzendent ordnenden „telischen Systems“ stellt sich erneut die Frage nach Gehalt und Form des Kultursystems (als Bestandteil des Handlungssystems). Parsons sieht eine Analogie zwischen den drei „unteren“ Stufen dieser Systemebene und den drei Kantschen Kritiken (A-Funktion: Kritik der reinen Vernunft; G-Funktion: Kritik der der Urteilskraft; I-Funktion: Kritik der praktischen Vernunft) und bedauert das Fehlen einer Kantschen Kritik für die L-Funktion des telischen Systems, von der er annimmt, dass sie der Religion zugeordnet sein müsse. Nun ist dies eine Analogie, die die interne Differenzierung allenfalls illustrieren soll (Wenzel 1991, S. 31). Wenn die Religion (präziser: gemeint ist sicher nicht Religion als soziales System sondern wohl deren Sinn-Gehalt) nur dem L-Niveau des telischen Systems entspricht, worin unterscheiden sich dann die kulturellen Symbolsysteme des Kultursystems — vor allem dessen L-Funktion (kritische Bemerkung in Wenzel 1991, S. 464) — von den so genannten „transzendenten“ Ordnungssymbolen (dazu auch Schmid 1992)?

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  17. Heinrichs hat die von Parsons in der „conditio humana“ angestrebte Systematisierung — ohne direkten Bezug zu Parsons — in seiner Arbeit zu einer „Naturphilosophischen Ökologik“ versucht (Heinrichs 1988, 1997).

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  18. Was Günther präziser mit der Steigerung von Komplexität und dem Fallen von Komplikation analysierte (Günther 1968, S. 335; siehe dazu Kapitel 3.3).

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  19. Das gilt ähnlich auch für Münch, der zwar der „Dialektik der Kommunikationsgesellschaft“ ein eigenes Buch widmet, den Begriff der „Dialektik“ jedoch nur kultursoziologisch fasst, nicht methodologisch (Münch 1991, v.a. S. 20, 22), dazu weiter unten ausführlicher.

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  20. Im Unterschied übrigens zu Wenzel, in dessen werkgeschichtlich gründlichem Buch die Begriffe „Dialektik“ — und auch der Begriff der „Reflexion“ — nicht einmal erwähnt werden (Wenzel 1991, S. 524, 531). Die gemeinsame Nennung von „Hegel und Parsons“ (ebd., S. 100) im Kontext einer Erörterung der „Konvergenzthese“ als „Garanten für solche Theorietechnik“ ist dafür kein Ersatz.

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  21. Wenzels Dissertation zu Parsons’ Handlungstheorie (Wenzel 1991), auf die ich mich in diesem Kapitel immer wieder beziehe, bezieht ihr tragendes Argument aus einer Rekonstruktion von Parsons’ Ansatz aus der Philosophie von Whitehead. Wenzel stellt diese Rekonstruktion ausdrücklich gegen die aus seiner Sicht in Parsons Theorie ex post hineingelesene Entdeckung des „Kantianischen Kerns“, auf die Richard Münch seine Rekonstruktion von Parsons gründet (Münch 1982). Wenzel geht sogar so weit, Parsons Soziologie als „Anwendung“ von Whiteheads Kosmologie zu bezeichnen (Wenzel 1991, S. 435).

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  22. Siehe das vergleichende Schaubild in Wenzel 1991, S. 466.

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  23. Sein Referenzphilosoph Whitehead spricht bei seiner Methode der „extensiven Abstraktion“ auch sachgerecht von einer „Quasi-Geometrie“ (Wenzel 1991, S. 430), also einer geometrischen Metapher!

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  24. Auch Wenzel erwähnt dies ausdrücklich (Wenzel 1991, S. 430) — warum kann er selbst dann von einer „Geometrie des Handelns“ reden?

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  25. Wenzel erhebt Parsons’ Emergenzbegriff zum Zentralbegriff — neben Analytik — und sieht diese mit Whitehead systematisch verbunden, als „nur zwei Aspekte von Integration“ (Wenzel 1991, S. 270) — was ist das denn anders als eine dialektische Relation? Luhmann sieht dies ähnlich: „Die Emergenz von Handlungen ist, in anderen Worten, die Emergenz von Systemproblemen“ (Luhmann 1980, S. 10). Leider übertreibt er dann seine Wahrnehmung dieser Dialektik: „In anderer Terminologie könnte man auch sagen, dass ‚Element’ und ‚System’ Begriffe sind, die sich wechselseitig voraussetzen, und dass dieser Voraussetzungszusammenhang bei Parsons das ‚Subjekt’ im klassischen Sinne ersetzt“ (ebd.), worauf in Kapitel 7 zurückzukommen ist.

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  26. Hinsichtlich der Darstellung bedeutet das dann: „Die äußeren Extrempunkte dieses Schemas werden hier jeweils durch die reineren Ausprägungen eines Subsystems gebildet“ (Münch 1982, S. 331).

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  27. Jensen verweist auf zwei solcher Herkunftslinien: zum einen auf Parsons’ Konvergenzthese in der „Structure“, wonach „die soziologische Theoriebildung einen Prozess reflexiv nachvollziehe, der intentional schon immer in derselben Weise konstituiert war — einen Prozess der Systembildung“ (Jensen 1980, S. 54); zum zweiten auf Parsons’ in Zusammenarbeit mit Bales und anderen in den „Working Papers“ entwickeltes AGIL-Schema, das auf eine Konzeption von „Phasen“ zurückgeht, die das Handeln in konkreten Situationen durchläuft, die Reinhenfolge A-G-I-L sowie die Formulierung der „four system problems“, die Parsons für seine gesamte weitere Arbeit beibeheilt (ebd., S. 64f.). Beide Theorieunternehmen beinhalten offensichtlich reflexionslogische Elemente.

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  28. Jede systemische Differenzierung kennt Mechanismen der Wiederannäherung des Unterschiedenen. Das hat zwei Aspekte. Zwar sind „Idealtypen“ nur begrifflich differenzierbar, die Praxis besteht aus Vermischungen. Eine Arbeit über Webers Konzept des „Idealtypus“ resümiert: „the Ideal Type is an utopian construct which is primarily rational and abstract. It is normatively ideal, therefore, in its conceptual purity it cannot be found empirically anywhere in reality. While it does not describe a concrete course of action, it does describe an ‚objectively possible’ course of action. Thus it contains, within the logical requirements of the relevant frame of reference, all the necessary properties or features of a concrete act or complex of action“ (Rogers 1969, S. 91). Andererseits beschreiben Idealtypen den Möglichkeitsraum von Handlungen (so auch Luhmann 1988). Sofern ihre Kombination zur Erklärung eines bestimmten Sachverhaltes logisch konsistent und bruchlos erfolgt, können die Idealtypen selbst oder vor allem ihre Teilelemente auch Übergänge zwischen ihnen begrifflich erfassen. Peter Koslowski sieht hier historische Mächte am Werk und eine besondere Aufgabe der Philosophie: „Die moderne Logik der Ausdifferenzierung wird in der Gegenwart durch eine postmoderne Logik der Durchdringung ergänzt. Diese Logik der Durchdringung vertieft den Gedanken der Ausdifferenzierung und der wissenschaftlichen Arbeitsteilung durch das Leitbild der philosophischen Erweiterung der Wissenschaften“ (Koslowski 1991a, S. 18). Ob nun die philosophische (v.a. auch logische) Erweiterung der Wissenschaften gleich als „postmodern“ bezeichnet werden muss, mag dahingestellt sein. Unter dem genaanten Gesichtspunkt wären die deutschen Idealisten „postmodern“. Richtig ist, dass Differenzierung und Durchdringung hoch-abstrakte Prozesse darstellen, zu denen die Philosophie in ihrer Geschichte Stellung bezogen hat. Auch die soziologische Theorie (und als Theorie immer auch der Philosophie nah: nachweisbar durch ebendieses Systemdenken) hat sich in besonderer Weise mit dem Problem von Ausdifferenzierung und Durchdringung beschäftigt, vor allem Talcott Parsons, der für letzteres den Begriff der „Interpenetration“ einführte. Was meint demgegenüber Koslowski mit „Durchdringung“?

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  29. An diesem Punkt kritisiert Wenzel berechtigterweise Münch, wenn er Münchs diffusen Gebrauch des Normbegriffs untersucht und ihm vorhält, nur implizit zwischen zwei Ebenen zu unterscheiden, nämlich zwischen dem Gebrauch als Relatum in der Relation (d.h. als Vollzugsbegriff) und als Gehaltbegriff, wenn er Norm als Ergebnis („Normentstehung“) oder Moderator der Relation, nämlich von Interpenetrationen bezeichnet (Wenzel 1991, S. 45).

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  30. Zumindest auf eine Kant-Interpretation, die ein Nebeneinander der Kategorien postuliert, welche scheinbar aus Dichotomien abgeleitet werden können. Für eine andere, schon implizit reflexionstheoretische Deutung der Kategorien bei Kant Heinrichs 1986.

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  31. In einem Aufsatz über „Definitions of Community in Western Civilization“ kommt Reinhart Bendix — mit Weber aber ohne Parsonssche Strukturtheorie — zu einem ähnlichen Urteil: „We speak of a community when those belonging to it distinguish between themselves and strangers, foreigners, or nonresidents. People, not scholars, decide who belongs to community and who does not. We know of no community that encompasses all mankind. Yet those who define their community in terms of inclusion and exclusion nevertheless espouse ideals of humanity“ (Bendix 1993, S. 35). Für Bendix entsteht Gemeinschaft, wenn „people belong together by consciously distinguishing themselves from others“ (ebd.). Doch wie das (handlungstheoretisch) geschieht und welche sozialstrukturellen Konsequenzen dies hat, darüber belässt uns Bendix (und früher schon Weber) im Dunkeln.

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  32. Parsons arbeitete an dem Buch bis kurz vor seinem Tod im Jahr 1979. Das Manuskript befindet sich im Nachlass von Parsons in den Harvard University Archives. Victor Meyer Lidz, der mit Parsons in dessen letzten Lebensjahren an der University of Pennsylvania eng zusammenarbeitete, bemühte sich um die Edition. Wie schon erwähnt, ist nun eine Edition des englischen Textes in Vorbereitung.

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  33. Alexanders Kritik an Parsons’ Konzeption der „societal community“ kann ich nur hinsichtlich der Progammatik zustimmen: „We need a new theory, one that recognizes, from the beginning, the tension between integration and justice. Separating the ideals of community from their uneven institutionalisation, acknowledging that the symbolization of collective identity depend on negative and not only on positive symbols, such a new theory would begin from a recognition that exclusion and inclusion are dialectically related in real existing societal communities.” (Alexander 2005, S. 98) Alexanders Lesung von Parsons Konzeption ist kritisch: “Rather than embracing and articulating ambiguity, however, Parsons engages in a kind of splitting. He makes use of evolutionary theory to place the bad, non-democratic societal community on one side of the evolutionary scale and the good, democratic societal community on the other.” (ebd., S. 103) Mir scheint dieser Vorwurf der Spaltung bei Parsons überzogen (ähnlich sieht dies Sciortino 2005).

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  34. Die Analyse einer konkreten nationalen Gesellschaft — hier der amerikanischen — unter dem Blickwinkel der „societal community“ muss im Übrigen keineswegs so gedeutet werden wie von Rudolf Stichweh, der Parsons „wegen des Bezugs auf eine ‚nationale Gemeinschaft’, der in seinem Begriff der ‚societal community’ liegt“ (Stichweh 1995, S. 33), kritisiert. Selbstverständlich wäre es auch in Parsons’ Begriffsinventar möglich, die ‚gesellschaftliche Gemeinschaft’ der „Weltgesellschaft“ zu analysieren, sofern die Weltgesellschaft eben das „Sozialsystem höchster Ordnung“ darstellt, wie Stichweh mit Parsons sehr schön für einen pragmatischen Gesellschaftsbegriff wirbt (Parsons 1961a, dazu auch Münch 1998, 2003).

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  35. Giuseppe Sciortino, der verschiedentlich den analytischen Wert von Parsons’ Theorie der „societal community“ für eine Untersuchung zeitgenössischer Probleme ethnischer Ungleichheiten demonstriert hat, vertritt die Auffassung, „that Parsons’ theory of social evolution may be seen as an inquiry into the functional prerequisites for a differentiated societal community, characterized by high levels of pluralism in social memberships (both ascriptive and achieved)“ (Sciortino 2004, S. 11). Sciortino interessiert sich allerdings weniger für die sozialtheoretischen Brüche bzw. die Theorieevolution in Parsons’ Werk (auch ders. 2005). Für ihn scheinen die wesentlichen Theorieentscheidungen bereits in Parsons’ erster großer Studie „The Structure of Social Action“ getroffen (Pollini/Sciortino 2001).

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(2006). Gemeinschaft nach Parsons: Dialektik des AGIL-Schema. In: Gemeinschaft in Gesellschaft. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-90663-8_5

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