Auszug
Die Fachdebatte um politische Bildung kreist gegenwärtig um das Dilemma, wie man in Zeiten von Politik(er)verdrossenheit, Wahlabstinenz und politischem Vertrauensverlust die Attraktivität politischer Bildungsarbeit wieder steigern kann. Anstatt Politik als Kern politischer Bildung zu betrachten, wird versucht, den Demokratiebegriff als fördernden Sympathieträger geltend zu machen (vgl. Juchler 2005, S. 101). Mit einem stärker lebensweltlich verankerten Begriff von Demokratie versucht man sich von einem enggefassten Politikverständnis zu verabschieden, das Politik auf staatliches oder regierungspolitisches Handeln begrenzt. Demokratie sei — insbesondere in Rekurs auf die Tradition des US-amerikanischen Pragmatismus von John Dewey — eben nicht nur als Herrschafts- und Regierungsform zu verstehen, sondern greife die Erfahrungen demokratischer Verhältnisse in gesellschaftlichen Bereichen wie Familie, Schule, Verein oder Betrieb auf (vgl. Himmelmann 2001; Beutel/Fauser 2001). In der Debatte um die Aufgabe und Zielsetzung politischer Bildung wird also nach einem erweiterten Verständnis politischer Partizipation und nach neuen Möglichkeiten gesucht, Demokratie als das zu fassen, was tagtäglich gelebt und praktiziert wird.1
Problematisch bei dieser Betrachtungsweise ist allerdings, dass gesellschaftliche Bereiche wie Schule, Universitäten, aber auch Familien oder private Unternehmen nicht gerade demokratisch strukturiert sind, sondern in der Regel auf Ungleichheit und hierarchischen Verhältnissen beruhen. Prozess neoliberaler Umstrukturierung aufgegeben, eingeschränkt oder gänzlich abgebaut werden.
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Lösch, B. (2007). Deliberative Politik — Demokratisches Bewusstsein und politisches Handeln. In: Lange, D., Himmelmann, G. (eds) Demokratiebewusstsein. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-90585-3_6
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