Auszug
Das pädagogische Ziel, Demokratiebewusstsein zu erzeugen, stellt sich als eine zentrale Aufgabe des politischen Unterrichts dar. Die Frage, wie erfolgreich die Schule zur Entwicklung von Demokratiebewusstsein beiträgt, lässt sich auch anhand des Unterrichts zum Rechtsextremismus untersuchen. Die extreme Rechte stellt vor allem deshalb ein besonderes Problem dar, weil sie sich der im Alltagsleben grassierenden Vorurteile und Ressentiments bedient, um gegen die demokratische Grundordnung zu hetzen. Wie leicht Lehrer oder Lehrerinnen in Schwierigkeiten geraten, wenn sie über Rechtsextremismus lehren, zeigt die psychoanalytische Rekonstruktion exemplarisch ausgewählter Schulstunden, die im Rahmen eines tiefenhermeneutischen Projektes zur Schul- und Unterrichtsforschung durchgeführt wurde1. Dabei dienen die auf diese Weise gewonnenen Einsichten in die Mikrostruktur pädagogischen Handelns dazu, Professionalisierungsdefizite pädagogischen Handelns in der Absicht aufzudecken, Mängel der Lehrerausbildung zu beheben. Es geht also nicht darum, einem Lehrer oder einer Lehrerin das Misslingen einer Schulstunde anzulasten. Ein solcher Fehlgriff würde in die Sackgasse einer Psychologisierung und Pathologisierung einer sozialwissenschaftlichen Fragestellung führen. Vielmehr geht es um die exemplarische Untersuchung eines strukturellen Problems: Im Rahmen universitärer Ausbildung erlernen LehrerInnen zwar die notwendigen Techniken der Vermittlung von Wissen, ja, sie werden auch dazu angeleitet, im Sinne bestimmter moralischer Grundwerte Normenbewusstsein zu erzeugen.
Vergleiche zur hermeneutischen Schul- und Unterrichtsforschung auch Kokemohr, Marotzki 1985, Koring 1989, Grammes, Weißeno 1993, Combe, Helsper 1994.
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Literatur
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© 2007 VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden
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König, HD. (2007). Autoritarismus im politischen Unterricht. Psychoanalytische Rekonstruktion einer Sozialkundestunde zu dem Bonengel-Film Beruf Neonazi . In: Lange, D., Himmelmann, G. (eds) Demokratiebewusstsein. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-90585-3_20
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