Auszug
Die Kriege auf dem Balkan gelten als „Synonym für Europas auß en- und sicherheitspolitische Handlungsunfähigkeit“.1 Zwar hat multilaterale Zusammenarbeit in der Konfliktbewältigung auf dem Balkan in den frühen 1990er Jahren weitestgehend auf der Basis des Völkerrechts stattgefunden, die schweren Menschenrechtsverletzungen im ehemaligen Jugoslawien konnten aber nicht verhindert werden. Somit scheiterte nicht nur die Europäische Politische Zusammenarbeit (EPZ) im Rahmen der Anerkennungspolitik gegenüber Slowenien und Kroatien, sondern auch die erst junge Gemeinsame Auß en- und Sicherheitspolitik (GASP). Um den auß enpolitischen Schaden zu verringern, leistete die EU im Rahmen des Friedensabkommens von Dayton vom November 1995 humanitäre Hilfe, Wiederaufbauhilfe, entwickelte Regional- und Länderstrategien sowie eine Konditionalitäts- und Flüchtlingspolitik — europäische Auß enpolitiken also, die jenseits der GASP angesiedelt sind. Wenngleich sich die europäischen Staaten auch aus den Fesseln einer US-dominierten Balkanpolitik befreien wollten, bildeten diese Auß enpolitiken, die auß erhalb der klassischen Diplomatie und Verteidigungspolitik liegen, den Grundstein für eine Neubelebung der GASP Ende der 1990er Jahre. Auf der Basis dieser internen institutionellen Grundkonstellation ist es der EU infolge des Kosovo-Kriegs in den Jahren 1998/1999 gelungen, die GASP wiederzubeleben und den Einstieg in die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) zu finden. Sowohl der Stabilitätspakt für Südosteuropa vom 10. Juni 1999 als auch die Erweiterungsperspektive, die im Stabilisierungs- und Assoziierungsprozess (SAP) der EU eingeschlossen ist, gaben den Rahmen vor, in dem sich die zwischenstaatliche GASP/ESVP erst entfalten konnte. „Frieden durch Integration“ lautet das Leitmotiv europäischer Auß enpolitik, die neben der GASP/ESVP die Bereiche Wiederaufbau-, Handels- und Flüchtlingspolitik sowie die so genannten externen Aspekte der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit einschließ t. Verantwortlich hierfür sind Rat und Kommission gemeinsam. Die Entwicklung der GASP/ESVP ist somit maß geblich durch die Südosteuropapolitik der EU in den 1990er Jahren vorangetrieben worden.
Schmalz, Uwe: Aufbruch zu neuer Handlungsfähigkeit: Die Gemeinsame Auß en-, Sicherheits- und Verteidi- gungspolitik unter deutscher Ratspräsidentschaft, in: integration 3/1999, S. 191-204, hier S. 191.
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Literatur
Schmalz, Uwe: Aufbruch zu neuer Handlungsfähigkeit: Die Gemeinsame Auß en-, Sicherheits-und Verteidi-gungspolitik unter deutscher Ratspräsidentschaft, in: integration 3/1999, S. 191–204, hier S. 191.
Edwards, Geoffrey: European Responses to the Yugoslavian Crisis — an Interim Assessment, in: Rummel, Reinhardt (Hrsg.): Toward Political Union. Planning a Common Foreign and Security Policy in the European Community. Baden-Baden, S. 165–190, hier S. 170.
Vgl. Eisermann, Daniel: Der lange Weg nach Dayton. Die westliche Politik und der Krieg im ehemaligen Jugoslawien 1991’1995, Baden-Baden 2000, S. 71ff.
Ahlbrecht, Katrin/ Bendiek, Annegret/ Meyers, Reinhard/ Wagner, Sabine: Konfliktregelung und Friedenssicherung im internationalen System. Studienmaterial des Friedenswissenschaftlichen Weiterbildungsstudiums. Hagen 2005, u.a. S. 139.
Nadoll, Jörg: Die Europäische Union und die Konfliktbearbeitung in Ex-Jugoslawien 1991’1998 — Mühlstein oder Meilenstein, in: Schubert, Klaus/ Müller-Brandeck-Bocquet, Gisela (Hrsg.): Die Europäische Union als Akteur der Weltpolitik, Opladen 2000, S. 81–101, hier S. 83-84.
Regelsberger, Elfriede u.a. (Hrsg.): Foreign policy of the European Union. From EPC to CFSP and beyond, Boulder 1997.
„1. Nach dem Schweizer KantonsmodelF vom Frühjahr 1992 sollte die Macht in Bosnien-Herzegowina nach ethnisch-nationalen Kriterien verteilt werden und die Republik aus drei konstitutiven Einheiten’ bestehen. Die mögliche territoriale Aufteilung blieb allerdings strittig, da alle Volksgruppen (insbesondere Serben und Kroaten) das Gros des Landes für sich beanspruchten, so dass keine Einigung erzielt wurde. 2. Der Vance/Owen-Plan ‘favorisierte zum Jahresende 1992 angesichts schwerer Menschenrechtsverletzungen und ethnischer Säuberungen ‘eine Regionalisierung der Vielvölkerrepublik in zehn weitgehend autonome Provinzen mit gemeinsamer Zentralregierung und Erhalt der staatlichen Einheit Bosnien-Herzegowinas. Nach dem Scheitern des Vance/Owen-Plans’ und den Mitte 1993 offen artikulierten Gebietsansprüchen des kroatischen und serbischen Präsidenten schwand bei den Vermittlern die Hoffnung auf den Erhalt eines multi-ethnischen Einheitsstaates. 3. Gemäß dem neuen Entwurf von EU und UN (,Owen/Stoltenberg-Plan‘) sollte nun eine aus drei ethnischen Staaten bestehende Union der Republiken Bosnien-Herzegowinas’ als Konföderation geschaffen werden, die sich aus drei Staatsvölkern zusammensetzten und jeweils weitreichende Kompetenzen besitzen sollte, so daß das Ende der staatlichen und territorialen Einheit des Landes vorprogrammiert war. Nachdem dieser Plan Anfang 1994 aufgrund der anhaltenden Kämpfe zwischen den Konfliktparteien gescheitert war, sah der vierte Vermittlungsversuch unter Leitung der seit April 1994 bestehenden internationalen Kontaktgruppe (Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Vereinigtes Königreich, Russland, USA) kein unitarisches Staatsmodell mehr vor. 4. Eine Bosnische Föderation’ sollte nach ethnischen Gesichtspunkten in acht Kantone zerfallen, in denen unterschiedliche Staatsvölker jeweils die Oberhoheit hatten. De facto lief dies auf einen Teilungsplan hinaus, in dem die muslimisch-kroatische Föderation 51% die Serbische Republik’ 49% des Territoriums erhalten sollte“; Imbusch, Peter: Der Konflikt in Ex-Jugoslawien, in: Imbusch, Peter/ Zoll, Ralf (Hrsg.): Friedens-und Konfliktforschung. Eine Einführung mit Quellen, Opladen 1996, S. 196–217, hier S. 214-215.
Vgl. Giersch, Carsten: Zehn Jahre europäisches Krisenmanagement auf dem Balkan, in: Politische Bildung 1/2001, S. 22–37, hier S. 22–23; Eisermann: Der lange Weg nach Dayton, a.a.O., S. 35ff.
Nadoll: Die Europäische Union und die Konfliktbearbeitung in Ex-Jugoslawien, a.a.O., S. 87–88.
Vgl. Meyers, Reinhard: Stabilität und Sicherheit im „neuen Europa“: Theoretische Perspektiven, in: Heinz-Jürgen Axt/ Christoph Rohloff (Hrsg.): Frieden und Sicherheit in (Südost-) Europa: EU-Beitritt, Stabilitätspakt und Europäische Sicherheits-und Verteidigungspolitik. München: Südosteuropa-Gesellschaft 2001, S. 17–40; Reinhard Meyers: „Verhältnisse wie auf dem Balkan... “ ? Die Reprivatisierung des Krieges — neue Formen der Gewalt im internationalen System und die Möglichkeiten kooperativer Ordnungspolitik, in: Maria Behrens (Hrsg.): Globalisierung als politische Herausforderung. Global Governance zwischen Utopie und Realität. Wiesbaden: VS-Verlag 2005, S.165–186.
Europäischer Rat in Kopenhagen, Schlussfolgerungen des Vorsitzes, in: Bulletin des Presse-und Informationsamtes der Bundesregierung 60/1993, S. 629–640.
Schmalz, Uwe: Kohärenz der EU-Auß enbeziehungen? Der Dualismus von Gemeinschaft und Gemeinsamer Auß en-und Sicherheitspolitik in der Praxis. Arbeitspapier der Konrad-Adenauer-Stiftung, Sankt Augustin 1997.
Beschluss 94/308/GASP des Rates vom 16. Mai 1994.
Beschluss 93/603/GASP des Rates vom 8. November 1993.
Schmalz, Uwe: Kohärenz der EU-Auß enbeziehungen?, a.a.O., S. 44ff.
The General Framework Agreement for Peace in Bosnia and Herzegovina. Initialled in Dayton on 21th December 1995 and signed in Paris on 14th December 1995, unter: http://www.ohr.int/gfa/gfa-frm.htm.
Auswärtiges Amt (Hrsg.): Deutsche Auß enpolitik 1995. Auf dem Weg zu einer Friedensregelung für Bosnien-Herzegowina: 53 Telegramme aus Dayton. Eine Dokumentation, Bonn 1998.
Vgl. Bendiek, Annegret: Der Konflikt im ehemaligen Jugoslawien und die Europäische Integration. Eine Analyse ausgewählter Politikfelder, Wiesbaden 2004, S. 150ff.
Vgl. KOM (96) 476 vom 2.10.1996.
Vgl. Wittkowsky, Andreas: Der Stabilitätspakt für Südosteuropa und die „führende Rolle“ der Europäischen Union, in: Aus Politik und Zeitgeschichte B 29-30/2000, S. 3–13; Ehrhart, Hans-Georg: A good idea, but a rocky road ahead: The EU and the Stability Pact for South Eastern Europe, in: Carment, David/Schnabel, Albrecht (Hrsg.): Conflict Prevention: Path to Peace or Grand Illusion? Toyko u.a. 2003, S. 113–132.
Stabilitätspakt für Südosteuropa, Köln, 10. Juni 1999 (Endfassung), 1-19, hier S. 3.
Calic, Marie-Janine: Der Stabilitätspakt für Südosteuropa. Eine erste Bilanz, in: Aus Politik und Zeitgeschichte B 13-14/2001, S. 9–16, hier: S. 9.
Vgl. Rehn, Olli: The European perspective for the Western Balkans. Western Balkans Panel at the International Conference Hall organised by Italian Ministry of Foreign Affairs. (Speech/07/13). Rom, 16. Januar 2007.
Vgl Bendiek: Der Konflikt im ehemaligen Jugoslawien, a.a.O., S. 117ff.
Vgl. Wittkowsky: Der Stabilitätspakt für Südosteuropa, a.a.O., S. 3.
Vgl. Calic: Der Stabilitätspakt für Südosteuropa, a.a.O., S. 12.
Meurs, Wim van: Den Balkan integrieren. Die europäische Perspektive der Region nach 2004, in: Aus Politik und Zeitgeschichte B 10-11/2003, S. 34–39, hier S. 35.
Vgl. FAZ vom 26.1.2002.
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Calic, Marie-Janine: Welche Zukunft für den Balkan-Stabilitätspakt?, Stiftung Wissenschaft und Politik, SWP-StudieS 11, Berlin 2003, S. 34.
Meurs: Den Balkan integrieren, a.a.O., S. 38.
Vgl. Cyrus, Lieselore: Gipfeltreffen EU-Westliche Balkanstaaten in Thessaloniki, in: Südosteuropa Mitteilungen 4-5/2003, S. 7–13, hier S. 8-10.
Wittkowsky: Der Stabilitätspakt für Südosteuropa, a.a.O., S.U.
Vgl. Rohloff, Christoph: Nachholende Prävention, in: Ulrich Ratsch/ Reinhard Mutz/ Bruno Schoch (Hrsg.), Friedensgutachten 2000, Münster 2000, S. 139–148, hier S. 144.
Vgl. KOM (2002) 490 vom 12.9.2002, S. 13ff.
ABI. L 120 vom 8.5.1999, S. 8-14.
Altmann, Franz-Lothar: Regionale Kooperation in Südosteuropa, in: Aus Politik und Zeitgeschichte B 10–11/ 2003, S. 27–33, S. 265f.
Vgl. FAZ vom 17.01.2002.
Vgl.FAZvoml8.01.2002.
ABI. L 337 vom 20.12.2001, S. 62.
ABI. L 70 vom 13.3.2002, S. 1.
ABI. L 335 vom 12.12.2002, S. 1-4.
Nadoll: Die Europäische Union und die Konfliktbearbeitung in Ex-Jugoslawien, a.a.O., S. 90.
Altmann, Franz-Lothar: Rekonstruktion und Stabilisierung des Westlichen Balkans, in: Volker Perthes/ Stefan Mair (Hrsg.): Europäische Auß en-und Sicherheitspolitik. Aufgaben und Chancen der deutschen Ratspräsidentschaft, SWP-Studie, Berlin 2006, S. 25–28.
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Bendiek, A. (2007). GASP und Südosteuropapolitik der Europäischen Union. In: Ehrhart, HG., Jaberg, S., Rinke, B., Waldmann, J. (eds) Die Europäische Union im 21. Jahrhundert. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-90576-1_14
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