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Praxistheoretische Dimensionen

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Postmoderne Sozialarbeit
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Auszug

Im III. Teil der Arbeit wurde auf der Basis der zentralen sozialtheoretischen These, daß die moderne, die funktional differenzierte Gesellschaft eine hyperkomplexe, polykontexturale und heterarchische Struktur aufweist, sowie in Anlehnung an die Theorien funktionaler Differenzierung, reflexiver Modernisierung und reflexiver Differenzierung veranschaulicht, welche strukturellen Ambivalenzen in der Sozialarbeit insbesondere aus gesellschaftstheoretischer Perspektive beobachtet werden können. Im folgenden geht es darum, praxistheoretische172 Dimensionen sozialarbeiterischer Ambivalenzen zu reflektieren. Es sollen, anders gesagt, Ambivalenzen theoretisch markiert werden, mit denen Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter in ihrer Praxis unmittelbar konfrontiert werden, Ambivalenzen, die auftreten können, sobald professionelle soziale Hilfe organisiert wird oder sobald sie in Interaktionssystemen, an denen Sozialarbeiter/innen und Klient(inn)en teilnehmen, prozessiert. Der Ansatz des letzten Teils der Arbeit ist also in erster Linie organisations- und interaktionsanalytisch konzipiert.

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Literatur

  1. Der Begriff ‚Praxistheorie ‘ist, obwohl er an prominenten Stellen Verwendung findet (siehe etwa Lowy 1983, S. 103; Mühlum 1982/1996, S. 235), in der Sozialarbeitswissenschaft nicht unumstritten. Engelke (1992, S. 136) meint, daß auf den Begriff wegen seiner verschwommenen Bestimmung, der die parxisorientierte Theoriebildung der Sozialarbeit zum Ausdruck bringen soll, gänzlich verzichtet werden sollte. Er spricht im Falle von Praxistheorien in kritischer Distanz zu Lowy (1983) von einem „ungenießbaren Gebräu aus “ ‚Ausnahmen, Faustregeln, Prinzipien, Reflexionen und Typologien ‘[...], die die WissenschaftlerInnen nur erschaudern lassen, das Ansehen der Sozialen Arbeit schädigen und per definitionem Soziale Arbeit als Berufskunde festlegen“ (Engelke 1992, S. 136). In dieser Arbeit ist mit ‚Praxistheorie ‘keinesfalls ein derartiges „Gebräu“ gemeint, sondern lediglich eine Differenz zu Erkenntnis-und Wissenschaftstheorien sowie zu Sozialtheorien markiert. Die praxistheoretisch reflektierten Ambivalenzen der Sozialarbeit veranschaulichen strukturelle Widersprüche, mit denen Praktiker in Organisationen bzw. in der Interaktion unmittelbar konfrontiert werden können.

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  2. Diese Auffassung ist allerdings auch unter systemtheoretisch orientierten Autoren nicht unumstritten. So versteht Hollstein-Brinkmann (1993, S. 190) Soziale Arbeit explizit im Hinblick auf die moderne, funktional differenzierte Gesellschaft im Anschluß an Olk (1986) als „Normalisierungsarbeit“. Allerdings konstatiert er: „Was normal ist und mithin Normalisierung genannt werden darf, kann umstrittener gar nicht sein“ (ebd., S. 191). Diesbezüglich fragt sich dann jedoch, ob der Normalitätsbegriff als Orientierung Sozialer Arbeit noch etwas taugt.

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  3. Siehe dies diskutierend ausführlich Japp 1989, der allerdings in Zeiten des Erodierens klassischer Normalitätsstandards noch an der sozialarbeiterischen Funktion der Normalitätskontrolle festhält und daher formuliert: „Die ‚moderne’ sozialarbeit gerät durch diese Entwicklung [der Pluralisierung von fest integrierten Wert-und Normalitätsvorstellungen; H.K.] in die schwierige Situation, (Normalität) kontrollierende Funktionen ausüben zu müssen, ohne im einzelnen voraussetzen zu können, worin der anzustrebende Normalitätsstandard eigentlich besteht“.

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  4. Vgl. dazu bereits Luhmann 1984, S. 346ff., der deutlich macht, daß vor allem soziale Kontexturen und Kontexte, die durch die funktionale Differenzierung der Gesellschaft bezüglich eines Individuums geradezu permanent wechseln, nicht nur die sozialen Erwartungen an die Individuen tangieren, sondern gleichfalls die Inhalte der psychischen Autopoiesis. Die psychische Individualität ist keineswegs einheitlich und konstant, vielmehr werden in der operativen Einheit des Bewußtseins, also innerhalb der psychischen Autopoiesis „je nach Interaktion [...] verschiedene Selbstbeschreibungen angefertigt“ (ebd., S. 374)

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  5. Siehe dazu auch Pfeifer-Schaupp 1995, S. 145, der in Anlehnung an eine empirische Untersuchung (Lucius-Hoene/Koch 1988) bezüglich der Bedürfnisse nach Hilfe und psychosozialer Versorgung von ‚psychisch Kranken ‘die Frage zu beantworten versucht, was Klient(inn)en von Sozialarbeiterinnen im Unterschied zu Angehörigen anderer Professionen erwarten. Demnach erwarten ‚psychisch kranke ‘Klienten gerade nicht eine therapeutische Behandlung, sie erwarten gerade nicht eine wie immer konzipierte Anpassung an eine sozial-integrativ verfasste Normalität; vielmehr wünschen sie, daß sich Sozialarbeiterinnen auf die ‚Normalität ‘ihres Lebens einstellen, sie wünschen, genauer gesagt: „Beratung in alltäglichen Problemen und emotionale Unterstützung“. Wie Pfeifer-Schaupp (ebd., S. 146) vermutet, „ist diese Erwartungshaltung nach weniger ‚Behandlung ‘und dafür nach mehr ‚Normalität’ sogar insgesamt typisch für SozialarbeitsklientInnen“.

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  6. Siehe dazu bereits Kleve 1996a, S. 105ff., insb. S. 111ff.: Professionelle Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter zeichnen sich heute durch eine kommunikative Kompetenz aus; sie müssen grundsätzlich dazu in der Lage sein, mit ihren Klient(inn)en unter Bedingungen der Differenz bzw. des Dissenses bezüglich Werte-und Normalitätsstandards zu kommunizieren, nämlich erstens: über soziale Problemdefinitionen, zweitens: über mögliche Muster der Problementstehung, drittens: über die jeweiligen Ziele der Hilfe und viertens: über die notwendigen Handlungen, um die ausgehandelten Ziele zu erreichen.

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  7. Siehe dazu exemplarisch auch die neueren Arbeiten von Schmitz 1984, S. 170ff.; Brunkhorst 1989; Bronke/Wenzel/Leibfried 1989; Japp 1989; Baecker 1994a; Mühlum/Bartholomeyczik/ Göpel 1997, S. 187ff.

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  8. Mit dieser Position wird Wolff (1997, S. 8) widersprochen, der meint, daß man aus der Paradoxie, aus der Ambivalenz, daß Hilfe zugleich auch als Kontrolle wirken könne, herauskomme, wenn man „die Chancen professioneller Differenzierung sozialer Funktionssysteme (mit der eigenständigen Herausbildung neuer Dienstleistungsfelder) nutzt“, wenn man also „Polizei und Gerichte machen [läßt], was ihres Amtes ist“ und die „eigene Systemreferenz [...] eindeutig auf Hilfe“ umstellt.

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  9. Siehe dazu etwa die sehr instruktiven professionellen Standards zur Qualitätssicherung bei Kindeswohlgefährdung von Wolff o.J.; vgl. auch Wolff 1997; 1998.

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  10. Siehe dazu weiter Wolff 1997, S. 8, der deutlich macht, daß man eine derartige Widersprüchlichkeit, die bereits die Aufgabe der sozial-helfenden Systemreferenz zugunsten einer rechtlichen oder polizeilichen vermuten läßt, besonders deutlich erkennt bei der „gedanklosen Benutzung einer Terminologie der Strafverfolgungsbehörden (wie z. B. ‚der Aufdeckung oder Verdachtsabklärung‘, die bezeichnenderweise bei manchen Spezialberatungsstellen im Umgang mit sexuellem Mißbrauch üblich sind)“.

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  11. Siehe zum Verhältnis von Kontextur und Kontext Klagenfurt 1995, z. B. S. 140: „Innerhalb einer Kontextur können sich auch verschiedene[...] Subsysteme ausbilden, sogenannte Kontexte“ (Hervorhebung im Original).

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  12. Siehe grundlegend dazu Watzlawick/ Beavin/ Jackson 1969, S. 20f., die bezugnehmend auf psychologische Experimente von Solomon Asch deutlich machen, daß bestimmtes Verhalten völlig unerklärlich bleibt, wenn es nicht in seinem sozialen Kontext gesehen, sondern ausschließlich durch die isolierte Betrachtung der sich verhaltenden Person bewertet wird. In einem Versuch von Asch hätte einer Person, die sich lediglich einer Mehrheitsmeinung beugt, ohne Heranziehung des sozialen Kontextes eine Störung ihrer Wahrnehmung zugeschrieben werden müssen. Siehe dazu aufschlußreich auch Simon 1995a, S. 66f., der vorführt, daß Verwirrung im Regelset der Interaktion schlimmstenfalls immer zur sozialen Unterstellung, zur Attribution von Böswilligkeit oder Verrücktheit führt: „‘Mad or bad?-‚Verrückt oder böse?‘, das ist die Frage, die sich stellt, wenn jemand den Rahmen der gewohnten Spielregeln verläßt und ihre Gebote und Verbote mißachtet“ (ebd., S. 139ff.).

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  13. Da sich Simon/ Weber (1987) auf Therapie und nicht auf Sozialarbeit beziehen, sind die von ihnen markierten Kontexte von mir zum Teil sozialarbeiterisch abgewandeltet und modifiziert. Betont werden soll weiterhin, daß m.E. der Kontextklärung in der institutionellen Sozialen Arbeit sogar eine weitaus größere Bedeutung zukommt als in der Therapie. Denn das Setting in der Therapie ist zumeist klar abgesteckt. Dem Therapeuten sowie den Klienten ist klar, es geht um eine Hilfe, die in einem abgegrenzten sozialen Kontext geleistet wird und die in der Regel nichts mit sozialer Kontrolle gemein hat. Vielmehr wird im Vorfeld der Psychotherapie zumeist ein Vertrag abgeschlossen, der die Klienten zur vollen Aufrichtigkeit und die Therapeuten zu strenger Diskretion verpflichten soll: „Das kranke Ich verspricht uns vollste Aufrichtigkeit, d.h. Verfügung über allen Stoff, den ihm seine Selbstwahrnehmung liefert, wir sichern ihm strengste Diskretion zu und stellen unsere Erfahrung in der Deutung des vom Unbewußten beeinflußten Materials in seinen Dienst“ (Freud 1938, S. 32). In der sozialarbeiterischen Beratung (z.B. in einem Jugendamt) kann demgegenüber soziale Kontrolle häufig nicht eindeutig von Hilfe unterschieden werden (siehe IV./2.). So kann es diesbezüglich zur Kontextvermischungen kommen, die geklärt werden sollten, damit die Hilfe nicht in die Sackgasse führt.

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  14. Siehe hierzu Mühlum/ Barholomeyczik/ Göpel 1997, S. 184, die in ihrer Darstellung der Ambivalenz von „Aufopferung oder Lohnarbeit?“ in der Sozialarbeit schreiben, daß in der ersten Generation der Fürsorgerinnen nicht nur „das Bewußtsein, daß dieser Beruf ein hohes Maß an Selbstverleugnung verlangte“ selbstverständlich war, sondern auch das „einzig zulässige“ persönliche Motiv voraussetzte, sich mit „persönlicher Hingabe und Aufopferungsbereitschaft“ sozial Benachteiligten zuzuwenden. „Soweit nicht christliche Nächstenliebe und Demut, die als Dienmut = Mut zum Dienen interpretiert wurde, als Antriebsmoment wirkten, tat die bürgerliche Frauenbewegung das ihre, um Mütterlichkeit und Pflegeinstinkt der Frau als Spezifika des neuen Berufes zu reklamieren“ (ebd.; Hervorhebung im Original). Siehe zu den Wertorientierungen der Pioniergeneration der Sozialarbeit und deren struktureller gesellschaftlicher Grundlagen ausführlich Baron/Landwehr 1989, S. 142ff.

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  15. Siehe dazu Luhmann/ Schorr 1979, S. 120 weiter: „Eine allgemeine Prämisse rationaler Technologien, nämlich eine zureichende Isolierbarkeit von kausalen Faktoren, bereitet mehr oder weniger allen Professionen Schwierigkeiten“, also allen Berufen, in denen nicht nur sozialhelfend oder erziehend, sondern auch religiös, medizinisch-therapeutisch oder juristisch mit und zwischen Menschen bezüglich biologischer, psychischer oder sozialer Probleme gearbeitet wird.

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  16. Vgl. dazu ausfürlich Baron/ Landwehr 1989, die auf der Grundlage von Interviews mit Angehörigen der ‚Pioniergeneration ‘der Sozialen Arbeit deutlich machen, daß die Helfer in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts noch wußten, aufgrund welcher ‚selbstverständlichen“ und gemeinsamen Wert-und Traditionszusammenhänge sie halfen; denn ihrem Helfen lag noch die unverbrüchliche Semantik zugrunde, einen „notwendigen Beitrag zum Funktionieren des gesellschaftlichen Ganzen“ (ebd., S. 148) zu leisten. „Die Funktion gegenüber den Klienten wurde bewußt begriffen als Vermittler von Normen, Moral und Kultur der gesellschaftlich bestimmenden Schichten“ (ebd., S. 150).

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  17. Siehe konkreter dazu auch Pfeifer-Schaupp 1995, S. 148: „Die Hilfe vollzieht sich überwiegend im Übergang zwischen professioneller Beratung und Alltagsbeziehung. Was die Menschen brauchen und sich wünschen sind häufig verlorengegangene soziale Bindungen. [...] Mal ist man als Sozialarbeitern ‚Freund‘, mal ‚Vater‘, mal ‚Mutter‘, mal ‚Informant‘, usw.; als SozialarbeiteIn ist man gefordert, recht spontan auf das, was gerade kommt, zu reagieren.“

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  18. Daß diese Verwechselung dann auch dazu führt, daß sich die Helfer mit den Klienten verwechseln, sprich: daß sie sich mit diesen identifizieren, dürfte kaum noch erstaunen. So ist es in diesem Zusammenhang weiterhin nicht erstaunlich, daß Sozialarbeiter von Berufs wegen dazu neigen, sich selbst zu klientifizieren, mithin bei sich selbst jene psycho-sozialen ‚Defizite ‘zu diagnostizieren, die sie bei ihren Klienten feststellen, ja daß sie sogar ihren eigenen Beruf, ihr eigenes soziales Helfen als ‚Defizit ‘brandmarken, daß sie, konkreter gesagt, reflektieren, professionell gerade deshalb mit säkularisierter Nächstenliebe zu helfen, weil sie in ihrer Kindheit selber unter deformierter elterlicher Liebe gelitten hätten (vgl. grundlegend und weiterführend dazu Schmidbauer 1992a; 1992b).

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  19. Siehe zur soziologischen Analyse von Macht allgemein auch Claessens/ Tyradellis 1997 und zur sozialarbeitswissenschaftlichen Machtreflexion, zu sozialen Machtproblemen insbesondere Staub-Beransconi 1994a, S. 24ff.; 1995b.

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  20. Siehe dazu Bateson 1969, S. 625 genauer: „Schließlich sind die ‚Machthaber“ immer darauf angewiesen, Informationen von außen zu erhalten. Sie reagieren auf diese Informationen in demselben Maße, wie sie das Geschehen ‚verursachen‘. Es ist Goebbels nicht möglich, die öffentliche Meinung Deutschlands zu kontrollieren, weil er hierzu Spione, Agenten oder allgemeine Umfragen haben müßte, die ihm sagen, was die Deutschen denken. Dann muß er das, was er sagt, auf diese Informationen zurechttrimmen; und dann erneut herausfinden, wie die Bevölkerung reagiert. Es ist eine Interaktion und nicht eine geradlinige Situation“.

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  21. Wie Baraldi/ Corsi/ Esposito (1997, S. 113) betonen, differenziert sich Macht als symbolisch generalisiertes Kommunikationsmedium vor allem im politischen System aus und sichert mithin die Durchsetzung von kollektiv bindenden Entscheidungen in der Gesellschaft. Aber das heißt keineswegs, daß Macht nicht auch in anderen Systemen (z.B. in der Interaktion der Soialen Arbeit) prozessiert. Macht kann ebenfalls „in anderen sozialen Systemen realisiert werden, ohne dort jedoch die Reproduktionsfähigkeit [die soziale Stabilität bzw. autopoietische Permanenz; H.K.] gewinnen zu können, die sie in der Politik besitzt“.

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  22. Vgl. dazu ausfürlicher Luhmann 1997, S. 356, der festhält, daß die „Form der Macht [...] nichts anderes als diese Differenz [ist], die Differenz zwischen der Ausführung der Weisung und der zu vermeidenden Alternative“.

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  23. Vgl. dazu auch Stark 1996, S. 26: „Der Prozeß des professionellen Helfens etabliert einerseits einen besonderen Interaktionstypus, der die unterschiedliche Stellung von ‚Klienten ‘und ‚Helfern ‘tendenziell fortschreibt: Der/die KlientIn präsentiert Probleme, persönliche Schwierigkeiten, bestimmte Defizite, ist — allgemein gesprochen — hilfebedürftig. Der/die HelferIn dagegen präsentiert professionell angeeignete Kompetenzen zur Klärung dieser problematischen Lebenssituation und kann Strategien zur Problemlösung anbieten [...]“ (Hervorhebung im Original).

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  24. Siehe dazu ausführlich Helming/ Schattner/ Blüml 1997, S. 228, die in Anlehnung an Gerd-Rüdiger May sechs präskriptive Leitsätze aufführen, mit denen das Spannungsfeld von Fremd-und Selbsthilfe in der aufsuchenden Jugend-und Familienhilfe praktisch bearbeitet werden kann — erstens: „‘Was Personen selbst lösen können, ist von der SPFH [Sozialpädagogischen Familienhilfe; H.K.] nicht zu übernehmen und bei diesen Personen zu belassen’“ (Selbsthilfe); zweitens: „‘Was Personen noch nicht lösen können, kann SPFH zeitweise vermitteln’“ (Selbsthilfe und Hilfe); drittens: „‚Was Personen noch nicht können in der Zeit, die SPFH zur Verfügung steht, kann SPFH bestenfalls auf die Zukunft hin vermitteln helfen‘“ (zukünftige Selbsthilfe und Hilfe); viertens: „‚Was Personen nach gemeinsamer Bemühung und übereinstimmender Einschätzung voraussichtlich nicht, auch später nicht, lösen können, kann SPFH möglicherweise in Fremdhilfe vermitteln‘“ (Fremdhilfe neben Selbsthilfe); fünftens: „‘Was Personen nach gemeinsamer Bemühung und ambivalenter Einschätzung vielleicht nicht, vielleicht auch später nicht, lösen können, kann SPFH im Zweifelsfall in Selbsthilfe vor Fremdhilfe vermitteln’“ (Selbsthilfe vor Fremdhilfe); sechstens: „‘Was Personen und SPFH nach gemeinsamen Bemühungen und nicht übereinstimmender Einschätzung vielleicht nicht, vielleicht auch später nicht, lösen können, d.h. wenn eine Kindesgefährdung nicht abgebaut werden kann, vermittelt SPFH als Aufgabe an die Familie und die öffentliche Jugendhilfe zurück’“ (Fremdhilfe vor Selbsthilfe).

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  25. Vgl. dazu exemplarisch für das Feld der Jugend-und Familienhilfe Helming/ Schattner/ Blüml 1997, S. 139: Professionelle soziale Hilfe läuft in diesem Bereich an, „wenn in Familien eine dem Wohl des Kindes/Jugendlichen entsprechende Erziehung nicht gewährleistet ist; es geht ihr also um eine Situation des Mangels, in der ein erzieherischer Bedarf besteht. Der Ausgangspunkt der Arbeit ist also immer in gewisser Weise die Feststellung eines Defizits“.

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  26. Siehe demgegenüber Merten 1997a, S. 81ff., der die Problemorientierung der Sozialarbeit theoretisch wegzureden versucht, weil er sie u.a. gleichsetzt mit Devianzorientierung, die jedoch, wie auch in dieser Arbeit mehrfach verdeutlicht (siehe z. B. III./3.2.4; IV./1.), der Sozialarbeit in der funktional differenzierten Gesellschaft nicht (mehr) entspricht.

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  27. Vgl. grundsätzlich dazu Staub-Bernasconi 1995b, S. 168, die die strukturelle Sichtweise der Sozialarbeit im Unterschied zur Psychotherapie verdeutlicht, wenn sie ausführt: „Das neue, therapeutischen Ansätzen entnommene Schlagwort der Ressourcen-und Lösungsorientierung im Gegensatz zur Problemorientierung geht von der merkwürdigen Annahme aus, dass die Identifikation von Problemen der mangelnden Bedürfniserfüllung, des unfairen Tausches, der behindernden Machtstruktur, der uneingelösten Menschenrechte und-pflichten u.a.m. den Blick auf die Ressourcen und Handlungsspielräume der AdressatInnen verdunkle. Wäre aber nicht die umgekehrte Feststellung zumindest ebenso berechtigt, nämlich dass ein pragmatischinstrumenteller Zugang zur KlientInnenrealität die Verdunklung sozialer Probleme und damit auch der Frage nach ihrer Entstehung wie der Frage nach ihrer ‚Rückgabe ‘an wirtschaftliche, politische, oder wissenschaftliche Steuerungszentren mitsichbringen kann“.

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  28. Im Neurolinguistischen Programmieren (NLP) findet die funktionale Analyse im Sechs-Schritt-Reframing ihre praktische Anwendung. Denn in dieser therapeutischen Intervention geht es darum, als problematisch empfundene Verhaltensweisen durch weniger problematisch bewertete zu ersetzen. Dazu wurde im NLP ein Verfahren entwickelt, das dabei helfen soll, die intendierte (‚positive‘) Absicht und das bisher damit verbundene (‚negative‘) Verhalten zu trennen. Dem liegt die Hypothese zugrunde, daß die Absicht, die den als problematisch empfundenen Verhaltensweisen zugrunde liegt, sinnvoll und nützlich ist, so daß es gilt, alternative Handlungen, welche dieselbe Absicht bzw. denselben Zweck erfüllen, zu konstruieren und in Zukunft auszuführen (vgl. dazu ausführlich: Bandler/ Grinder 1979; 1982; Dilts/Bandler/Grinder u.a. 1980).

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  29. Siehe dazu auch Baraldi/ Corsi/ Esposito 1997, S. 215: „Für jeden Beobachter [...] entsteht Zeit vor allem dadurch, daß jede Unterscheidung zwei Seiten aufweist und daß man, um von einer Seite zur anderen zu wechseln, eine Operation und damit Zeit benötigt. So entsteht eine Differenz zwischen dem Beobachter selbst, der immer aktuell ist, und der Differenz von Vorher und Nachher, die von dem Ereignis generiert wird, das den Übergang ermöglicht hat. Die Unterscheidung zwischen Gleichzeitigkeit einerseits und der Differenz Vorher/Nachher andererseits ist die Zeit“.

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  30. Auch das Konzept der Autopoiesis von Systemen läßt sich in dieser Hinsicht zeittheoretisch fassen. Denn die autopoietischen Reproduktionen von Sozialsystemen oder Bewußtseinen würden zusammenbrechen, wenn es ihnen nicht gelänge, die in der Zeit verschwindenen Elemente von Systemen (Kommunikationen oder Gedanken) permanent neu hervorzubringen. Siehe dazu Luhmann 1984, S. 79: „Alle Elemente verschwinden, sie können sich als Elemente in der Zeit nicht halten, sie müssen also laufend neu hervorgebracht werden und dies auf Grund der Konstellation von Elementen, die im Moment aktuell ist. Reproduktion heißt also nicht einfach: Wiederholung der Produktion des Gleichen, sondern reflexive Produktion aus Produktion“.

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  31. Dies ist ebenfalls eine Grundaussage des Zen-Buddhismus. Siehe dazu etwa Brandon 1976, S. 68: „Das Jetzt ist der einzige Zeitpunkt, in dem wir wirklich etwas ausrichten können. Ich kann wegen Vergangenem Schuldgefühle empfinden, dem Zukünftigen besorgt entgegenblikken, aber nur jetzt kann ich handeln“. Die meditative Praxis des Zen soll gerade eine Erfahrung vermitteln, die Brandon (ebd., S. 82) so ausdrückt: „JETZT war ich jetzt — die Antwort war JETZT. Ich bin/war/werde sein alles, was sich entfaltet und sich bewegt, denkt, fragt und spricht — und zwar genau in diesem Augenblick.“

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  32. Beispielsweise wird diesbezüglich die ‚Wunderfrage ‘gestellt: „‚Angenommen, es würde eines Nachts, während sie schlafen ein Wunder geschehen und das Problem [...] ist gelöst. Da Sie schlafen, merken Sie nicht, daß ein Wunder geschehen und ihr Problem verschwunden ist. Was, glauben Sie, werden Sie am nächsten Morgen anders wahrnehmen, das Ihnen sagt, daß ein Wunder geschehen ist?‘“ (Berg 1991, S. 93).

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  33. Im Gegensatz zu Bardmann (1997e) unterscheiden wir im folgenden nicht eigens die Typen ‚Reparatur ‘und ‚Vergeßlichkeit‘, denn diese scheinen sich dem Geschichtenerzählen einzupassen. Es wird nämlich in Abwandlung von Bardmanns Ausführungen unterstellt, daß die Geschichtsforschung Zeithorizonte schließt, während das Geschichtenerzählen Zeithorizonte öffnet bzw. abwechselnd öffnet und schließt. Ich komme darauf zurück.

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  34. Freud (1937) selbst vergleicht die psychoanalytische Technik des ‚Deutens ‘der ‚freien Assoziationen ‘und der im psychoanalytischen Setting ‚wiederholten ‘Verhaltensweisen aus der ‚verdrängten ‘(früh)kindlichen Vergangenheit (vgl. auch Freud 1914) seiner Patient(inn)en mit der Aufgabe eines Archäologen, „der eine zerstörte und verschüttete Wohnstätte oder ein Bauwerk der Vergangenheit ausgräbt“ (Freud 1937, S. 117). Die Archäologie sei sogar „identisch“ (ebd.) mit dem psychoanalytischen Konstruieren von Deutungen: „[...] wie der Archäologe aus stehengebliebenen Mauerresten die Wandungen des Gebäudes aufbaut, aus Vertiefungen im Boden die Anzahl und Stellung von Säulen bestimmt, aus den im Schutt gefundenen Resten die einstigen Wandverzierungen und Wandgemälde wiederherstellt, genauso geht der Analytiker vor, wenn er seine Schlüsse aus Erinnerungsbrocken, Assoziationen und aktiven Äußerungen des Analysierten zieht“ (ebd.).

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  35. Siehe zur Bedeutung von Geschichten für die professionelle psycho-soziale Hilfe auch Stark 1996, S. 47ff., der, um diese Bedeutung zu unterstreichen, eine Parabel aus einem Film von Dan Benett erzählt, die zwar mythologisch, aber sehr eindrücklich vermittelt, wie „Geschichten die Menschen am Leben erhalten“ (ebd., S. 48): In dem Film geht es um einen „10-jährigen Jungen, der seiner Lehrerin dadurch auffällt, daß er im Unterricht meist in sein Heft schreibt und ganz verrückt nach den Büchern aus der Schulbibliothek ist. Als sie — als Aushilfslehrerin — mit seinen Eltern sprechen will, findet sie heraus, daß seine Eltern vor einem Jahr bei einem Autounfall ums Leben gekommen sind. Er lebt seitdem mit seinem Großvater, der aber — so versichert er eindringlich — nicht zu sprechen sei. Sie solle ihm doch ein Brief schreiben, er würde auch ganz bestimmt antworten. Neugierig geworden schaut sie eines Abends durch das Fenster seines Hauses und sieht den Jungen, wie er einem sehr alten Mann leidenschaftlich etwas erzählt. Der Junge ertappt die Lehrerin beim Lauschen und beichtet ihr nach einigem Zögern, daß der Mann, den er Großvater nenne, in Wirklichkeit sein Ur-Ur-Großvater sei und mittlerweile etwa 150 Jahre alt sein müsse. Seine Familie habe ihn die ganze Zeit am Leben erhalten, indem sie ihm jeden Abend eine Geschichte erzählte. Nach dem Tode seiner Eltern sei diese Aufgabe nun ihm zugewachsen. Deshalb müsse er sich täglich eine neue Geschichte ausdenken, die er dann abends genau bis zur spannendsten Stelle dem Großvater erzähle. Die Neugier über den Ausgang der Geschichte halte den alten Mann dann bis zum nächsten Abend am Leben, wo er dann den Schluß der alten und wieder den Anfang einer neuen Geschichte erzähle. Verständlicherweise kann die Lehrerin diese Erklärung nicht akzeptieren, etwas hat wohl jedoch einen Zweifel an ihrer rationalen Weltsicht ausgelöst. Denn als der Junge sich eines Tages den Arm bricht und die Nacht im Krankenhaus verbringen muß, teilt sie seinem Großvater diese Nachricht mit. Als der Junge dann am nächsten Morgen voller Sorge ins Haus stürmt, findet er — nach einem ersten Schrecken — einen zwar fest schlafenden, aber doch noch lebendigen Großvater vor. Erfreut und verwirrt entdeckt er die Lehrerin, die aus der Küche tritt und ihm erzählt, sie habe im Haus sein Geschichtenheft gefunden und daraufhin dem Großvater das Ende der gestrigen und den Anfang einer neuen Geschichte erzählt...“ (ebd.).

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  36. Siehe dazu eingehender Luhmann 1988, S. 329, der im Zusammenhang mit politischer Planung bzw. Steuerung als Beispiel für ‚self-defeating prophecies ‘anführt, daß „es sehr soziale, wertgeladene, gewerkschaftsunterstützte Programme zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Frauen [gibt]. Sie wirken aber, wenn eingeführt, als Exklusion der Frauen vom Zugang zum Arbeitsmarkt und werden deshalb gerade von Frauen bekämpft“.

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  37. Im Gegensatz zu Bardmann (1997e, S. 66; Bardmann/Gerhard 1994, S. 72), der das Probieren und die Desperasie als zukunftsorientiert einstuft, wird im folgenden die Gegenwartsorientierung dieser beiden Zeitpraxen herausgestellt, die entweder weitgehend erwartungsunsensibel bzw. probierend oder gänzlich hoffnungslos bzw. desperat radikal im Jetzt zu bleiben versuchen.

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  38. Bardmann (1997e, S. 65) weist darauf hin, daß er diesen Begriff Josef Kopperschmidt verdankt.

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  39. Siehe etwa Luhmann 1984, S. 318f.: „Alle Moral bezieht sich letztlich auf die Frage, ob und unter welchen Bedingungen Menschen einander achten bzw. mißachten. Mit Achtung (estime, esteem) soll eine generalisierte Anerkennung und Wertschätzung gemeint sein, mit der honoriert wird, daß ein anderer den Erwartungen entspricht, die man für eine Fortsetzung der sozialen Beziehung voraussetzen zu müssen meint. [...] Als Moral eines sozialen Systems wollen wir die Gesamtheit der Bedingungen bezeichnen, nach denen in diesem System über Achtung und Mißachtung entschieden wird. [...] Im Hinblick auf den Zusammenhang und die Kompatibilität moralischer Anforderungen gibt es Systematisierungsbemühungen. Ihre Theorieform heißt seit Aristoteles üblicherweise Ethik. Im Rahmen von Ethiken bilden sich, besonders im neuzeitlichen Eruopa, Reflexionstheorien heraus“, die die sozial kontingenten Regeln der Achtung/Mißachtung beobachten, mithin — insbesondere auch mit präskriptiv-normativen Intentionen — beschreiben, erklären oder bewerten.

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  40. Obwohl etwa Lyotard (1983) sein Gerechtigkeitskonzept sprachanalytisch anlegt, ist es zwar gewagt, aber m.E. nicht unmöglich, sein Konzept zu verallgemeinern und mit ihm jede psychische oder soziale Situation zu begreifen, in der zwischen verschiedenen heterogenen Denk-und Kommunikationsmöglichkeiten gewählt bzw. entschieden werden muß, welche der Möglichkeiten inkludiert wird und welche anderen Möglichkeiten damit zwangsläufig exkludiert bleiben. Siehe dazu auch Welsch 1987, S. 234: „Wenn Lyotard anscheinend ‚nur ‘von der Sprache handelt (er bezieht sich sogar ausschließlich auf Sätze, weil Sätze das einzig Unzweifelbare sind, könnte doch ihre Bezweiflung wiederum nur satzhaft erfolgen [...]), so ist diese Beschränkung erstens offensichtlich methodisch motiviert, denn die Satzanalyse und im besonderen die Untersuchung der Verkettung [...] von Sätzen bietet ein ideal prägnantes Untersuchungsfeld. Zugleich ist der Sprachaspekt aber auch universell relevant. So geht es in der mikroskopischen Analyse der Bruchstellen und Übergänge zwischen Sätzen stets um mehr als Linguistisches: Es stehen die Differenzen und Reibungen von Lebensformen und Weltkonzepten zur Debatte“. Vgl. dazu weiterführend auch Welsch 1994b; 1996b, S. 698ff.

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  41. Vgl. eingehend Lyotard 1983, S. 9, der einen Widerstreit definiert als „einen Konfliktfall zwischen (wenigstens) zwei Parteien, der nicht angemessen entschieden werden kann, da eine auf beide Argumentationen anwendbare Urteilsregel fehlt. Die Legitimität der einen Argumentation schlösse nicht auch ein, daß die andere nicht legitim ist. Wendet man dennoch dieselbe Urteilsregel auf beide zugleich an, um ihren Widerstreit zu schlichten, so fügt man einer von ihnen Unrecht zu (einer von ihnen zumindest, und allen beiden, wenn keine diese Regel gelten läßt)“. Siehe dazu auch die Diskussionen der Lyotardschen Konzeption bei Welsch 1987, S. 230ff.; 1996b, S. 303ff. oder Nassehi 1995, S. 38ff.

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  42. Siehe dazu grandlegend auch Welsch 1987, S. 240, der im Anschluß an Lyotard festhält: „Die Faktizität der Welt — die Heterogenität der Diskursarten — macht eine harmonische Gesamtordung und damit eine Form durchgängiger Gerechtigkeit unmöglich. Die Gerechtigkeit ist nicht bloß faktisch getrübt, sie ist in der Konstruktion der Wirklichkeit notwendig mit ihrem Gegenteil verbunden. Genau das weist darauf hin, daß Gerechtigkeit eine Idee ist, und macht beides notwendig: sie festzuhalten — aber mit dem Bewußtsein, daß es sich um eine Idee handelt. Man kann und soll ihr zuarbeiten — bündig installieren aber kann man sie nicht. Es ist leichter, Ungerechtigkeit aufzudecken, als Gerechtes zu tun“ (Hervorhebung im Original).

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  43. Siehe dazu auch Fuchs/ Schneider 1995, S. 219: In der Sozialarbeit „geschieht, was geschieht: die befristete Reparatur (und die vorwegeilende Verhinderung) von schwierigen Lebenslagen — als Simulation von Caritas in einem christlichen Sinne, als Wohltätigkeit in einer fundamental defekten, hienieden aus Leidensdruck nicht erlösbaren Welt“.

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  44. Daß Gerechtigkeit und Soziale Arbeit als untrennbar zusammengehörende Phänomene bewertet werden, ja daß Gerechtigkeit sogar als zentrales Leitmotiv sozialer Berufe gilt, zeigen auch die Verhandlungen des 1. Bundeskongresses Soziale Arbeit, der sich explizit dem Thema soziale Gerechtigkeit, insbesondere unter den Bedingungen der Konkurrenzgesellschaft, widmete (siehe Akademie für Sozialarbeit und Sozialpolitik 1994).

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  45. Man könnte hier auch sagen, daß die Diskursethik bei der Hegelschen Dialektik stehen bleibt, nämlich bei dem Versuch, Widersprüche (konsensuell) zu synthetisieren, während die Postmoderne, um mit Teubner (1997, S. 320) zu sprechen, eine „Dialektik ohne Synthese“ anstrebt.

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  46. Daher kommt es in der sozialarbeiterischen Beratung auch darauf an, die dissenstilgende Wirkung von Konsensen aufzudecken; es kommt, wie etwa de Shazer (1989; 1991) gezeigt hat, darauf an, totalisierende Sichtweisen zu differenzieren, zu dekonstruieren und Problembeschreibungen beraterisch so zu ‚befragen‘, daß Problem-Ausnahmen sichtbar werden, daß Beschreibungen getätigt werden können, die bisher nicht beobachtbare Beschreibungsoder gar Problemlösungsmöglichkeiten offerieren. Siehe dazu auch White 1992, nach dem wir Therapie und Beratung grundsätzlich als Dekonstruktion von Vereinheitlichungen bzw. Konsensen betrachten könnten, da es beraterisch grundsätzlich darum gehe, erstens: konsensuell unterdrückte, aber ebenso mögliche bzw. plausible Beschreibungen, Bedeutungen etc. sichtbar zu machen und zweitens: jenen Beschreibungen, Bedeutungen etc., die konsensuell als nebensächlich, wertlos oder gar als ‚falsch“ betrachtet wurden, den Vorrang zu geben (vgl. ebenfalls hierzu Haye/Kleve 1998).

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  47. Siehe dazu auch Lyotard 1979, S. 189f., der darüber hinaus feststellt, daß das diskursethische Konsens-Postulat zweierlei voraussetzt, nämlich erstens: „daß alle Sprecher über Regeln oder über die für alle Sprachspiele universell gültigen Metapräskriptionen einig werden können, obwohl diese selbstverständlich heteromorph sind und heterogenen pragmatischen Regeln zugehören“ und zweitens: „daß die Finalität des Dialogs der Konsens ist“ (ebd., S. 190), während dieser allerdings „nur ein Zustand der Diskussionen und nicht ihr Ziel ist“ (ebd.).

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  48. Luhmann spielt mit dieser Formulierung auf den eurozentristischen Überlegenheitswahn gegenüber anderen Kulturen an, wie er zum Teil in Ausführungen von Edmund Husserl hervortritt (vgl. Luhmann 1996b, S. 17ff.), in denen gerade das verworfen wird, was wir heute benötigen: die Traditionen Alteuropas transzendierende Gedanken, Kulturen, Logiken, Beobachtungsschemata, Vernunftformen etc.

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  49. In diesem Sinne liegt es nahe, die Sozialarbeit auch als einen Versuch zu verstehen, dem gerecht zu werden, was in Anlehnung an Emmanuel Lévinas als eine ‚Ethik der Differenz ‘— im Sinne des unbedingten Respekts „vor der nicht zu tilgenden Andersheit des Anderen“ (Weisenberger 1997, S. 34) — bezeichnet werden könnte (vgl. ausführlich dazu Kersting 1998).

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  50. In Anlehnung an Derrida (1991, S. 18) könnte man diesbezüglich fragen, ob Sozialarbeit möglicherweise einer Dekonstruktion genügt, „die im Sinne ihrer eigenen Konsequenzen nicht in rein spekulativen, theoretischen und akademischen Diskursen eingeschlossen bleiben möchte, und die [...] den Anspruch erhebt, Folgen zu haben, die Dinge zu ändern und auf eine Weise einzugreifen, die wirksam und verantwortlich ist“ (Hervorhebung im Original).

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(2007). Praxistheoretische Dimensionen. In: Postmoderne Sozialarbeit. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-90570-9_5

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