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Ausgangspunkte, Begriffe, Thesen

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Postmoderne Sozialarbeit
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Auszug

Die Sozialarbeit ist Teil eines Projektes, das Zygmunt Bauman (1991) als ein permanentes Ringen um Ordnung, Eindeutigkeit, Rationalisierung, Kontrolle, Klassifizierung und Bestimmung beschreibt: des Projektes der Moderne. Die ‚Moderne‘ läßt sich als eine „historische Periode“ (Bauman 1991, S. 348, Anm. 1) kennzeichnen, „die in Westeuropa mit einer Reihe von grundlegenden sozio-kulturellen und intellektuellen Transformationen des 17. Jahrhunderts begann und ihre Reife erreichte“ erstens „als ein kulturelles Projekt — mit dem Entstehen der Aufklärung“ und zweitens „als eine sozial vollendete Lebensform - mit dem Entstehen der industriellen Gesellschaft“ (ebd.). Die Durchsetzung der Moderne kann um die Zeit des Eintritts in das 20. Jahrhundert datiert werden (vgl. Merten/Olk 1996, S. 583), in welcher der Übergang von einer stratifikatorisch zu einer funktional differenzierten, zur modernen Gesellschaft (vgl. Luhmann 1997) vollzogen wurde. Zugleich ist dies der Zeitpunkt, an dem sich die soziale Hilfe von einer moralisch inspirierten, sozusagen ehrenamtlichen ‚Mildtätigkeit‘ wandelte in die professionelle — zunächst ausschließlich frauenberufliche —Sozialarbeit (vgl. etwa Luhmann 1973; Thiersch 1992; Merten/Olk 1996; Wendt 1995).

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Literatur

  1. Siehe zur Unterscheidung von Risiko und Gefahr Luhmann 1990e; 1991a. Risiken lassen sich als Unsicherheiten, als nicht kalkulierbare Nebenfolgen kennzeichnen, die das Handeln von Entscheidungsträgern begleiten und die erlebt werden können als Gefahren auf der Seite von Betroffenen: „Von Risiken spricht man dann, wenn etwaige künftige Schäden auf die eigene Entscheidung zurückgeführt werden. [...] Bei Gefahren handelt es sich dagegen um von außen kommende Schäden“ (Luhmann 1991a, S. 88). Siehe zum Begriff des Risikos auch Beck 1986, der hierauf eine soziologische Diagnose der (reflexiv) modernen Gesellschaft als „Risikogesellschaft“ aufbaut, in der sich Unsicherheit auf alle Fragen der gesellschaftlichen Entwicklung und persönlichen Lebensführung ausdehne.

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  2. Siehe zur Differenztheorie Spencer-Browns und zu deren Anwendung auf sozialwissenschaftliche Fragestellungen auch Baecker 1993a; 1993b und Simon 1993, S. 52ff, weiterhin sämtliche Publikationen von Luhmann zur Theorie sozialer Systeme, die eine Theorie darstellt, die gegen ein Grundverbot der logischen Typentheorie verstößt: sie ist nämlich zirkulär gebaut und schützt sich somit nicht vor Paradoxien und Ambivalenzen (vgl. Luhmann 1984, S. 647ff.): „Dies und nichts anderes ist von einer Theorie zu erwarten, wenn die Theorie sich selbst in ihrem Gegenstandsfeld wiedererkennt als einer ihrer Gegenstände unter anderen“ (ebd., S. 660).

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  3. Heinz J. Kersting wies mich darauf hin, daß Mehrbzw. Vieldeutigkeit eigentlich nicht mit Ambivalenz, sondern angemessener mit Polyvalenz zu bezeichnen wäre (siehe dazu auch Bardmann 1996b, S. 19); da dieser Begriff allerdings in der sozialwissenschaftlichen Literatur-abgesehen von einigen aktuellen Publikationen — siehe bezüglich ästhetisch-philosophischer Fragestellungen etwa Welsch 1993, S. 21 und bezüglich einer sozialwissenschaftlichen Reflexion helfender Professionen Mühlum/Bartholomeyczik/Göpel 1997, S. 181 — bisher kaum Verwendung findet, aber jener geradezu als ein Synonym und Syndrom für die postmoderne bzw. reflexiv moderne Lebens-, Denk-, Sozial-und Identitätsform gelten kann (vgl. etwa Welsch 1990b; Bauman 1991; Keupp 1992; 1994; Beck 1993; Luthe/Wiedenmann 1997), wollen wir bei dem Ausdruck ‚Ambivalenz ‘auch dann bleiben, wenn wir nicht lediglich die strukturellen Zwei-, sondern die strukturellen Vieldeutigkeiten der Sozialarbeit beobachten und beschreiben.

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  4. Vgl. zur Dreiteilung ‚Beschreiben, Erklären, Bewerten ‘Simon 1995b, S. 17ff., der auf die Frage, was ein Beobachter mit seinen Beobachtungen, seinen Unterscheidungen und Bezeichnungen macht, antwortet: er differenziert sie in der aufgeführten dreifachen Weise.

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  5. Ohne allerdings auszuführen, was genau damit bezeichnet sein soll, spricht auch Hamburger (1995, S. 20) von „strukturellen Ambivalenzen, die der Sozialpädagogik [h.] eigen sind“ (Hervorhebung im Original), aber „erst durch Aneignung der sozialwissenschaftlichen Diskurse“ verdeutlicht werden können. Eingehender kennzeichnen Olk/Otto (1987, S. 8) „strukturelle Ambivalenzen“ der sozialarbeiterischen Profession, die allerdings verengt werden auf — durch Strukturmuster der Sozialarbeit hervorgerufene — „ambivalente Orientierungen der Adressaten“, die daraus resultieren, daß Soziale Arbeit Hilfe als Beruf anbietet und nicht (mehr) aufgrund vorberuflicher Nächstenliebe (siehe dazu eingehender IV./4.).

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  6. Siehe zum Begriff der Kontingenz allgemein Luhmann 1984, S. 152, zu seinen soziologischen Implikationen Luhmann 1992b und aus sozialphilosophischer Sicht Rorty 1989.

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  7. Die Bezeichnung ‚Sozialarbeitswissenschaft‘, welche bereits in den siebziger Jahren zur Bezeichnung von theoretischen Reflexionen der Sozialarbeit benutzt wurde (siehe z.B. Rössner 1977; Lukas 1979), ist inzwischen zu einem Markenzeichen für einen kontrovers geführten Diskurs innerhalb der akademischen Sozialarbeit geworden. Vor allem das Buch von Engelke (1992) Soziale Arbeit als Wissenschaft. Eine Orientierung hat einen Stein ins Rollen gebracht, der die ‚Reflexionseliten ‘der Sozialarbeit/Sozialpädagogik vor allem an den Fachhochschulen angestoßen hat, die wissenschaftstheoretischen, aber auch wissenschaftspolitischen Kontexte der Sozialen Arbeit neu zu markieren; siehe dazu vor allem Wendt 1994; Puhl 1996; Merten/ Sommerfeld/Koditek 1996; Mühlum/Bartholomeyczik/Göpel 1997.

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  8. Siehe dazu nur die Kontroverse zwischen Mühlum 1997; 1998 und Merten 1997b, in der es u.a. um die Frage geht, ob die akademische Sozialarbeit schon oder noch nicht als eigenständige, insbesondere von der Erziehungswissenschaft unabhängige sozialwissenschaftliche Disziplin bezeichnet werden kann. Siehe dazu auch die bereits klassische Analyse von Lukas 1979.

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  9. Siehe zur Bestimmung des Gegenstandsbereiches Sozialer Arbeit, der als tätiger und reflexiver Umgang mit sozialen Problemen konzipiert wird, z.B. Engelke 1992; Lüssi 1992; Mühluhm 1994; Staub-Bernasconi 1993a; 1994; Puhl/Burmeister/Löcherbach 1996; siehe dazu kritisch bzw. anders optierend Erath/Göppner 1996; Maier 1996; Merten 1995; 1996a; 1996b; 1997a.

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  10. Siehe zur Rezeption einiger der genannten Theorien in der Sozialarbeitswissenschaft etwa Hollstein-Brinkmann 1993; Pfeifer-Schaupp 1995; Daßler/Müller/Schwarz 1997; Milowitz 1998 und insbesondere die Schriften des Instituts für Beratung und Supervision Aachen, in denen spätestens seit Beginn der 1990er Jahre versucht wird, systemtheoretisch-konstruktivistisches Theoriegut für die Reflexion von Sozialarbeit und Supervision zu verwerten: etwa Bardmann/Kersting/Vogel/Woltmann 1991; Bardmann/Kersting/Vogel 1992; Kersting 1992; Bardmann/Hansen 1996; Kleve 1996a; Bardmann 1997a; Nebel/Woltmann-Zingsheim 1997. Siehe zur frühen Rezeption konstruktivistischer Positionen insbesondere aus der ‚Palo Alto Schule ‘der Kommunikationstheorie und-therapie (z.B. Watzlawick/Beavin/Jackson 1969; Watzlawick/Weakland/Fisch 1974; Watzlawick/Weakland 1977; Watzlawick 1977, 1978) auch Kersting 1975; 1977; 1979; 1980 (vgl. hierzu ausführlich auch Kleve 1997d). Siehe weiterhin zu systemtheoretischen, allerdings dem Konstruktivismus kritisch bis ablehnend gegenüberstehenden Orientierungen z.B. die Arbeiten von Heiner/Meinhold/Spiegel/Staub-Bernasconi 1994; Staub-Bernasconi 1995b oder Obrecht 1996.

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  11. Siehe dazu auch Schöppe 1995, der die These vertritt, daß Paradoxien, mithin Widersprüchlichkeiten und Ambivalenzen vor allem in systemischen Theorieunternehmungen genauso kreativitätsfördernd wirken und ungeahnte Potentiale freisetzen wie beispielsweise paradoxe Interventionen in systemisch bzw. kommunikationspragmatisch orientierten Therapien; siehe grundlegend zu derartigen Therapiekonzepten Watzlawick/Beavin/Jackson 1969; Selvini Palazzoli u.a. 1975.

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  12. Mit diesem Vorhaben möchte ich zugleich jene postmodernen Theorieansätze, die ich bereits an anderer Stelle —siehe Kleve 1996a, insb. S. 145ff.; 1996b; 1997a; 1997b; 1997c; 1998-bezüglich unterschiedlicher reflexions-, sozial-und praxistheoretischer Fragestellungen Sozialer Arbeit skizziert habe, entfalten, ausbauen, anreichern und verfeinern.

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  13. Siehe für den klassischen ‚Bruchteil’ sozialarbeiterischer Arbeitsfelder, die etwa als „FürSorge“, „KinderGarten“, „ErziehungsHeim“, „JugendHaus“, „ObDach“ und “AltenHeim” bezeichnet werden können, Müller 1985.

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  14. Siehe zu einer umfassenden und gründlichen Analyse der Begriffsgeschichte von ‚Postmoderne ‘bzw. ‚Postmodernismus‘, zur „Genealogie des Ausdrucks“ Welsch 1987, S. 9ff. oder auch Zima 1997.

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  15. Siehe dazu auch Eco 1983, S. 77 und Bauman 1992, S. 5f., die ebenfalls davon sprechen, daß postmodern die Bezeichnung einer Geisteshaltung bzw. eines Geisteszustandes sei.

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  16. Vgl. zum Begriff der ‚Beobachtung ‘als eine (biologische, psychische oder soziale) Operation des Unterscheidens von zwei Seiten, wobei zur Informationsgewinnung jeweils nur die eine Seite und nicht auch gleichzeitig die andere Seite bezeichnet werden kann im Anschluß an Spencer-Brown 1996 vor allem Luhmann 1984; 1990a; Baecker 1993a; 1993b; Simon 1993, S. 52ff.; Jokisch 1996, S. 62ff.

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  17. Vgl. dazu auch Nedelmann 1997, S. 153ff., die darauf hinweist, daß eine derartige Form von Ambivalenz bereits von R. K. Merton (1976) soziologisch analysiert und als ‚Normambivalenz‘, als strukturell verankerte „Gegensätzlichkeit, Gleichwertigkeit und Gleichzeitigkeit zweier Normen an die Adresse ein und desselben Rollenspielers in einer gegebenen Situation“ (Nedelmann 1997, S. 154) bezeichnet wurde. Gerade der Aspekt der „Heterogenität“ der die Rolle des Sozialarbeiters normativ „bestimmenden Verhaltenserwartungen“ (Lukas 1979, S. 79) wurde in frühen soziologischen Reflexionen des sozialarbeiterischen Handlungsfeldes bereits als strukturelles Hemmnis der theoretischen Fundierung sozialarbeiterischer Methoden diskutiert (vgl. ebd., S. 78f.). Vor allem die von Rössner (1973; 1977) akribisch ausgearbeitete sozialtechnologisch orientierte sozialarbeitswissenschaftliche Theorie versuchte diesbezüglich, die Heterogenität durch ein starres kritisch-rationalistisches Beschreibungskorsett zu invisibilisieren, um so eine wissenschaftliche Fundierung der Sozialarbeit zu ermöglichen. Aufgrund der Bedeutungslosigkeit, die die zwar wissenschaftstheoretisch reflektierte, aber gesellschafts-und praxistheoretisch blinde Sozialarbeitstheorie Rössners im aktuellen Diskurs um Sozialarbeitswissenschaft hat, kann dieser Fundierungsversuch als gescheitert gelten.

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  18. Diesbezüglich gehen an einem systemtheoretischen Konstruktivismus die kritischen Anmerkungen der Sozialarbeitswissenschaftler/innen Staub-Bernasconi (1993b), Heiner (1994; 1995) oder Obrecht (1996) vorbei, die zum Teil den verschiedenen, äußerst heterogenen konstruktivistischen Konzepten (siehe zum Überblick Knorr-Cetina 1989; Bardmann 1994, S. 45ff.; Bänsch 1997) in undifferenzierter Weise die Behauptung unterstellen, daß Wirklichkeit oder die Erkenntnis von dieser etwas sei, was es gar nicht gebe. Ganz im Gegensatz zu dieser Unterstellung wird mit Luhmann (1990c, S. 41) behauptet: „Erkennende Systeme sind wirkliche (empirische, das heißt beobachtende) Systeme in einer wirklichen Welt. Sie könnten ohne Welt gar nicht existieren und auch nichts erkennen. Die Welt ist ihnen nur kognitiv unzugänglich“.

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  19. Vgl. zur Ambivalenz als heuristisches Konzept Luthe/Wiedenmann 1997, insbesondere Nedelmann 1997, die vorschlägt, Ambivalenz „weder als Weltformel noch als Defizitformel“ (Luthe, zit. nach ebd., S. 151), sondern als heuristisches Konzept zum Auffinden bzw. zum Beobachten, Beschreiben, Erklären und Bewerten (empirischer) sozialer Prozesse zu benutzen. ‚Heuristik ‘bzw. ‚heuristisch ‘bezeichnet in diesem Zusammenhang eine Methode, genauer: ein „Such-und Findeverfahren“ (Kleining 1995, S. 47) zur ‚Entdeckung ‘von Phänomenen, Zusammenhängen oder Strukturen, um theoriegeleitet Thesen, Hypothesen oder ‚Erkenntnisse ‘über diese Phänomene, Zusammenhänge oder Strukturen zu konstruieren (vgl. auch Wienold 1988) bzw. um tradierte Erkenntnisse oder tradiertes Wissen neu zu (re)konstruieren bzw. zu dekonstruieren.

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  20. Eine vierte Ebene, die Vester (1997, S. 129) konstatiert, nämlich die Ambivalenz historischer Ereignisse und Prozesse, spielt in dieser Arbeit — abgesehen von der praxistheoretischen Ambivalenz zwischen Vergangenheit und Zukunft, die im IV Teil (8.) behandelt wird — eher eine untergeordnete Rolle, so daß sie hier zunächst außer Acht gelassen werden kann.

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  21. Siehe dazu näher Vester 1997, S. 129, der ausführt, daß „die moralischen Haltungen, die von Postmodernisten bezogen werden, vom Eskapismus über Gewährenlassen, Zynismus, Ironie bis hin zu einem entschiedenen Einmischen [reichen]“. Gemeinsam sei allen „diesen Haltungen und ihren Konsequenzen ein Anti-Fundamentalismus“ (ebd.), der sich allerdings ebenfalls mit einer Ambivalenz offenbarenden Gegenthese konfrontieren lassen muß; denn „die weltweite Renaissance von Fundamentalismen diverser Couleur [wird] selbst wiederum als ein Symptom der postmodernen Zeit angesehen“ (ebd., Fn. 16).

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(2007). Ausgangspunkte, Begriffe, Thesen. In: Postmoderne Sozialarbeit. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-90570-9_2

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