Auszug
Das Leitbild Nachhaltiger Entwicklung entstand aus der Verbindung zweier zuvor separater Ziele: Umweltschutz und Entwicklung. In ihrem Bericht stellte die Brundtland Kommission besonders die Verflechtung ökologischer Krisenphänomene mit wachsenden Entwicklungsungleichheiten zwischen dem Norden und dem Süden heraus. Gleichwohl erweist sich diese Perspektive nicht unbedingt als geeignet, die Dynamik von Umweltpolitik innerhalb der Industrieländer zu verstehen (vgl. Baker et al. 1997a). Nachhaltige Entwicklung soll im Folgenden explizit im Kontext der industrialisierten Welt betrachtet werden. Der gesamte Komplex von Umwelt und Entwicklung in der Dritten Welt, die Zusammenhänge zwischen reichtumsbedingter Umweltzerstörung in den Ländern des Nordens und armutsbedingter Umweltzerstörung in den Ländern des Südens fallen somit aus der Betrachtung heraus. In den Mittelpunkt rücken vielmehr das prekäre Verhältnis zwischen dem konventionellen Wachstumsmodell industrieller Gesellschaften und der natürlichen Umwelt sowie die als notwendig erachteten Wandlungsprozesse im Übergang zu einer Politik der Nachhaltigkeit. Wie wird also Nachhaltige Entwicklung im industriegesellschaftlichen Diskurs interpretiert? Wie soll in Anbetracht der gegenwärtigen ökologischen Probleme die weitere industriegesellschaftliche Entwicklung verlaufen?
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Literatur
Ganz andere Ideen zur Bewältigung der ökologischen Krise entwickelte „Blueprint for Survival“ (Goldsmith 1972), neben „Limits to Growth“ die zweite einflussreiche Studie dieser Jahre. Interessanterweise gründete ihre Analyse auf der gleichen Datenbasis wie die Untersuchung des Club of Rome, die resultierenden Forderungen konnten unterschiedlicher aber kaum sein. „Blueprint for Survival“ strebte die Dezentralisierung der Industriegesellschaft in kleine autarke Einheiten an, die auf der Basis sog. intermediärer, d. h. nach dem Vorbild „ökologischer“ Gesetze entworfener Technologien arbeiten. Als romantische Kritik der modernen Gesellschaft argumentierte die Studie für eine anti-technokratische und dezentralistische Utopie (vgl. auch Schumacher 1973). Gleichzeitig bezog sie sich aber, wie ihr Gegenpart, auf die Kybernetik zum Aufweis der Dringlichkeit ihrer Forderungen und beabsichtigte, die Vision einer suffizienten Gesellschaft durch Anwendung von Planungstechniken zu realisieren. Für einen Überblick über den frühen umweltpolitischen Diskurs vgl. auch Cotgrove 1982.
Zum Verhältnis von Nachhaltiger Entwicklung und ökologischer Modernisierung vgl. Spaargaren/ Mol 1992: 333f.; Weiland 2000: 241–243; Langheile 2000.
Schenkt man Martin Jänicke Glauben, so entstammt die Formel „ökologische Modernisierung“ einer Debatte aus dem Berliner Abgeordnetenhaus vom Januar 1982, in der der umweltpolitische Sprecher einer Oppositionspartei der Regierung die ökologische Modernisierung ihrer Politik empfahl. Dieser Umweltsprecher war freilich Jänicke selbst (Jänicke 1993b: 161f.).
Die Diskussion über die „neue Generation“ umweltpolitischer Instrumente ist ebenso weitläufig wie unübersichtlich. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit sei hier nur hingewiesen auf: Jordan et al. 2007; Hammar 2006; Hatch 2005; Harrington 2004; Jordan et al. 2003; Carraro/Lévêque 1999; Golub 1998; Guimingham et al. 1998; Taschner 1998; Rehbinder 1997; Rennings et al. 1996; Eckersley 1993, 1995.
In den ersten fünf Jahren nach Erscheinen der „Risikogesellschaft“ wurden bereits über 60 000 Exemplare verkauft. Viele der Gedanken, Bilder und Zitate des Buches avancierten zum Gemeingut in den deutschen Medien und der politischen Debatte (Goldblatt 1996: 154). Die englische Übersetzung erschien 1992.
Im vorliegenden Zusammenhang wird lediglich auf ökologische Risiken eingegangen. Becks Argumentation ist freilich weiter und umfasst neben der ökologischen Problematik auch solche Modernisierungsrisiken, die aus dem sozialen Wandel der Gesellschaft erwachsen (Beck 1986: Zweiter Teil). Diese sog. „Individualisierungsthese“ stellt bei Beck aber ein separates Argument ohne nennenswerten Bezug zum ökologischen Thema dar.
Einschränkend ist allenfalls anzumerken, dass es hier um den Bereich von public policy geht. Dies schließt Stränge der umweltpolitischen Debatte aus, die als Ansatzpunkt für Veränderungen der industriegesellschaftlichen Lebens-und Wirtschaftsweise den einzelnen Menschen im Auge haben. So sehen beispielsweise „romantizistische“ Ideen die Bewältigung ökologischer Probleme in der Verwirklichung einer neuen „ökologischen Vernunft“, der zufolge die innere Natur des Menschen mit der äußeren in Einklang gebracht werden soll. Solche Vorstellungen zielen auf einen individuellen Bewusstseinswandel und vernachlässigen soziale, politische und ökonomische Strukturen. Veränderungen in der politischen Sphäre können so allenfalls indirekt, vermittelt über individuelle Akteure erreicht werden. Vgl. Jamison 2001: 76f., 81; Dryzek 1997: 163–171.
Vgl. zum Verhältnis der Ideen ökologischer Modernisierung und Risikopolitik: Mol/ Spaargaren 1993; Cohen 1997; Blowers 1997; Hogenboom et al. 2000.
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(2007). Der industriegesellschaftliche Diskurs über Nachhaltige Entwicklung. In: Politik der Ideen. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-90558-7_3
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-531-90558-7_3
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften
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