Auszug
Von den bisher diskutierten Ansätzen einer konzeptionellen Deutung des Faschismus unterscheidet sich ihre modernisierungstheoretische Variante dadurch, dass sie ihn unmittelbar mit dem Prozess der Industrialisierung in Verbindung bringt. Zugleich als Reaktion auf die Etablierung der Diktatur Mussolinis in Italien schon früh auf den Faschismus angewandt, erlebte die Modernisierungstheorie ihren großen Aufschwung erst nach dem Zweiten Weltkrieg.339 Es kann im Folgenden nicht darum gehen, alle Fassetten dieser sozialwissenschaftlichen Globaltheorie auszuleuchten. Doch hinzuweisen ist auf vier ihrer Dimensionen, die von Anfang an bei ihrer faschismustheoretischen Konzeptualisierung eine zentrale Rolle spielten, „nämlich — die Wirtschaftsentwicklung, verstanden als Industrialisierung und sich selbst tragendes Wachstum des Pro-Kopf-Einkommens; — die politische Entwicklung, konzipiert als Staaten- und Nationenbildung mit wachsender Staatspenetration, aber auch erweitertem Zugang zu Elitenpositionen und Ausdehnung der Partizipation; — die Veränderung der Sozialstruktur im Sinne sozialer Mobilisierung, d.h. des Aufbruchs traditioneller Bindungen und zugeschriebener Rollen durch Verstädterung, Bildungsexpansion, zunehmender Kommunikationsdichte und Übergang von Status- zu Leistungskriterien sozialer Plazierung; — die kulturelle Entwicklung, verstanden als Rationalisierung, Säkularisierung und Ersetzung partikularistischer durch universalistische Orientierungen“.340
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Literatur
Vgl. Wehler 1975, S. 14f.
Alber 1989, S. 349.
Talcott Parsons, amerikanischer Soziologe, wurde bei Colorado Springs (Colo.) am 13.12.1903 geboren; er starb am 8.5.1979 in München. Bei Studienaufenthalten in Europa machte er sich mit der Kulturanthropologie Bronislaw Malinowskis und dem soziologischen Denken Max Webers vertraut. 1944–79 war er Prof. für Soziologie an der Harvard University in Cambridge/Mass. In seinem ersten großen Werk „The structure of social action“ entwickelte Parsons in Anknüpfung an die Werke europäischer Sozialtheoretiker und Ökonomen eine voluntaristische Theorie des sozialen Handelns. Daneben ist Parsons u.a. als Modernisierungstheoretiker und durch Arbeiten zur Sozialisation und zur Persönlichkeitsentwicklung hervorgetreten (Quelle: Brockhaus Enzyklopädie, 22. Auflage, Bd. 16, S. 559).
Parsons 1968, S. 98.
Ebd.
Der Philosoph und Literaturhistoriker Georg Lukács wurde am 13.4.1885 in Budapest geboren, wo er am 4.6.1971 starb. 1918 trat er der KP Ungarns bei, war während der ungarischen Räterepublik 1919 stellvertretender Volkskommissar für Unterrichtswesen in der Regierung von Bela Kun und 1945 bis 1958 Professor für Ästhetik und Kulturphilosophie in Budapest. Während seines Exils in Moskau in den 30er und 40er Jahren entkam er den stalinistischen Säuberungen nur knapp. 1944/45 kehrte er nach Ungarn zurück. Er geriet — da er zwar ein orthodoxer Marxist, aber kein Anhänger des Stalinismus war — bald in Konflikt mit der KP. 1949 bis 1956 war er Mitglied des ungarischen Parlaments. Er wurde einer der Führer des ungarischen Aufstandes von 1956 und Kultusminister in der Regierung von I. Nagy, mit dem er nach der Niederschlagung des Aufstandes verhaftet wurde. Seither war er verfemt, seines Lehramtes enthoben und aus der Akademie ausgeschlossen. Seine Werke wurden nur noch in westeuropäischen Ländern gedruckt, wo sie erheblichen Einfluss auf die Neue Linke hatten (Quelle: Brockhaus Enzyklopädie, 22. Auflage, Bd. 13, S. 606f).
Kritisch hierzu Grebing 1986.
Vgl. Plessner 1982 sowie Kapitel VII, § 3.
Lukács 1953, S. 31f.
A.a.O., S. 48f.
A.a.O., S. 38.
A.a.O., S. 72f.
Vgl. Lukács 1953, S. 601.
Ebd.
Grebing 1974, S. 81.
Franz Borkenau, österreichischer Historiker und Publizist, wurde am 15.12.1900 in Wien geboren; er starb am 22.5.1957 in Zürich. Er studierte in Wien und Leipzig. 1921–29 war er Mitglied der KPD, 1924–29 arbeitete er für die Kommunistische Internationale (Komintern). Borkenau galt — bis er 1929 mit dem Kommunismus brach — als Theoretiker des Marxismus. 1934 emigrierte er nach Großbritannien. Er nahm auf republikanischer Seite am Spanischen Bürgerkrieg teil. Nach dem Zweiten Weltkrieg lehrte er Geschichte an der Universität Marburg (Quelle: Brockhaus Enzyklopädie, 22. Auflage, Bd. 3, S. 545).
Borkenau 1984, S. 164.
Ebd.
A.a.O., S. 165.
Ebd.
Vgl. Hamburger o.J.; Ellenbogen 1923; Olberg 1923; Matteotti 1924; Kaminski 1925; Silone 1984.
Vgl. Sarti 1971; Priester 1972, Rafalski 1984.
Borkenau 1984, S. 179f.
Ralf Gustav Dahrendorf, Soziologe und Politiker, wurde am 1.5.1929 in Hamburg geboren. Er war Professor für Soziologie in Hamburg 1958–1960, Tübingen von 1960–66 und in Konstanz seit 1966 ( 1969–1984 beurlaubt). 1947–1960 Mitglied der SPD, seit 1967 der FDP, war er 1968–74 Mitglied ihres Bundesvorstandes. Und 1969–70 MdB sowie parlamentarischer Staatssekretär im Auswärtigen Amt. 1970–74 EG-Kommissar (1970–72 zuständig für die Außenbeziehungen der EG, 1972–74 für Bildungs-, Forschungs-und Wissenschaftsfragen), übernahm er 1974 die Leitung der „London School of Economics“ (bis 1984) und 1987 das Rektorat des Saint Anthony’s College in Oxford; seit 1972 ist er Vorsitzender der Friedrich-Naumann-Stiftung (Quelle: Brockhaus Enzyklopädie, 22. Auflage, Bd.5, S. 85).
Dahrendorf 1965, S. 436.
Ebd.
Vgl. a.a.O., S. 438–441.
A.a.O., S. 443.
A.a.O., S. 444.
A.a.O., S. 448.
Vgl. Mommsen 1999, S. 317–334.
Schoenbaum 1968, S. 26.
A.a.O., S. 348.
A.a.O., S. 333f.
A.a.O., S. 351.
Vgl. Alber, J. 1989, S. 347f.
Schoenbaum 1968, S. 350.
Ebd.
Zitelmann 1994, S. 16.
Ebd.
Turner 1980, S. 171.
A.a.O., S. 173.
Vgl. Agnoli o. J., S. 46, 49.
Vgl. Hirsch/ Majer/ Meinck 1984, S. 199–202.
Vgl. Delzell 1970, S. 111–120.
Alber 1989, S. 358.
Garofalo/ Veresani 1994, S. 640.
Columba 1994, S. 623
A.a.O., S. 621.
Vgl. Petersen 1988, S. 23.
A.a.O., S. 12.
Mommsen 1990, S. 42.
A.a.O., S. 41.
A.a.O., S. 42.
A.a.O., S. 41.
Alber 1989, S. 357.
A.a.O., S. 358.
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(2007). Der Faschismus als Gegenstand der Modernisierungstheorie. In: Faschismus. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-90551-8_6
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