Auszug
Bis vor wenigen Jahren wurde das Internet als eine Kommunikationstechnologie gepriesen, die zu einer revolutionären Transformation der etablierten politischen Ordnung führen werde. Der computervermittelten Kommunikation wurde das Potenzial zugeschrieben, bestehende Machtstrukturen und politische Hierarchien zu sprengen und dadurch den Bürgern unmittelbare politische Entscheidungsgewalt zu geben. Die Utopie umfassender Demokratisierung in der „elektronischen Agora“ schien sich durch das Internet endlich verwirklichen zu lassen (exemplarisch Rheingold 1993; Negroponte 1995; Budge 1996; Grossman 1995). Die politische Beteiligung im „Cyberspace“ eröffnet aus Sicht vieler Internetenthusiasten aufgrund der unterstellten Reziprozität der Machtverteilung zwischen Nutzern und Anbietern vielfältige Chancen einer grundlegenden politischsozialen Transformation. Über digitale Netzwerke vermittelte politische Willensbildung könne jenseits hierarchischer Vermachtungen erfolgen, da die Agenda-Setting-Funktion, die offline von durchsetzungsstarken Interessen, einflussreichen Institutionen und Medienkonzernen dominiert wird, nun vermehrt von den Bürgern wahrgenommen werden könne. Ferner entstünde ein neuer Ort politischer Öffentlichkeit, in dem die Qualität politischer Diskurse substanziell verbessert werde, da alle von einer Entscheidung potenziell Betroffenen sich Gehör verschaffen könnten-und zwar unabhängig von realweltlichen Beschränkungen wie Raum und Zeit sowie frei von Diskriminierungen aufgrund von Rasse, Geschlecht oder sozio-ökonomischem Status (Selnow 1998: 187ff).
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Literatur
Einen Überblick über die Literaturlage der 1990er Jahre bietet Bieber (1999: 13–20). Im Bereich der politischen Theorie liegt der Schwerpunkt der Arbeiten zum Thema Internet und Politik klar auf demokratietheoretischen Fragestellungen (etwa Buchstein 1996; Hagen 1997; Kamarck/Nye 1999; Wilhelm 2000). Die politische Soziologie konzentriert sich überwiegend auf die (vergleichen-de) Analyse politischer Parteien und Bewegungen (u.a. Bieber 1999; Gibson et al. 2003; McCaughey/Ayers 2003; Donk et al. 2004a), während die politische Systemforschung ihren Fokus vor allem auf Parlamente, Regierungsinstitutionen und Steuerungsfragen richtet (u.a. Bellamy/Taylor 1998; Coleman 1999; Coleman et al. 1999; Kubicek et al. 1999; Lenihan 2002; Bilgeri/Siedschlag. 2002; 6, Perri 2004). Nach wie vor sind Politikfeldanalysen mit Bezug zu den IuK selten; die wenigen Aus-nahmen beziehen sich meist auf den Telekommunikationsbereich (u.a. Lorenz-Meyer 2003; Bernhardt 2003; Bennett 2004); ähnlich große Lücken weist das Feld der internationalen Beziehungen auf (mit Ausnahme z.B. von Choucri 2000; Huges 2002). Zu den vielversprechenden Forschungsthemen zählt etwa die Analyse internetgestützter Regulierungs-und Steuerungsformen (u.a. Ahlert 2001, 2003) sowie transnational agierender Organisationen und Bewegungen (u.a. Lee 1997; Deibert 2000; Naughton 2001; Lebert 2003; Rodgers 2003; Langman 2005). Unter der Überschrift „Medienwan-del“ befassen sich Politikwissenschaftler mit der Veränderung der politischen Kommunikation im Zuge der Anwendung der digitalen Kommunikationstechnologien (u.a. Sarcinelli/Wissel 1997).
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(2007). Einleitung. In: Politischer Wandel durch digitale Netzwerkkommunikation?. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-90473-3_1
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