Auszug
Mit dem Blick auf unterschiedliche Verfassungstraditionen und ihren Einfluss auf den Prozess der europäischen Konstitutionalisierung nimmt die Arbeit eine prinzipiell strukturalistisch-kulturalistische Perspektive ein. Diese soll im Folgenden in die politikwissenschaftliche Diskussion über Erklärungsmodelle für den Prozess der europäischen Einigung eingeordnet werden. Dazu werden zunächst die klassischen, in der positivistischen Ontologie verankerten Integrationstheorien sehr knapp skizziert, bevor die grundlegende konstruktivistische Kritik an diesen Theorien und erste konstruktivistisch inspirierte Erklärungsansätze vorgestellt werden. In diesen Kontext der sozialwissenschaftlichen Theoriebildung wird der eigene Ansatz als „historisch-institutionalistisch orientierter Konstruktivismus“284 eingeordnet und dem sog. „middle-ground“285 zugerechnet, der durch Kombination einer konstruktivistischen Sozialontologie mit einer positivistisch orientierten Epistemologie gekennzeichnet ist. Vor dem Hintergrund dieser (meta-)theoretischen Einordnung werden schließlich konkurrierende Hypothesen abgeleitet werden, die in der späteren Analyse der Konstitutionalisierungsdiskurse des Europäischen Konvents auf ihre Erklärungskraft überprüft werden.
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Literatur
Zum Begriff, siehe: Wagner (1999).
Adler (1997); Risse (2004); Schwellnus (2005).
Sehr gute Überblicksdarstellungen über die Entwicklung der politikwissenschaftlichen Theoriebildung geben: Rosamond (2000); Chryssochoou (2001); Wiener / Diez (2004a). Auf deutsch und z.T. aus interdisziplinärer Perspektive: Wessels / Loth (2001) Bieling / Lerch (2005); Faber (2005). Eine Zusammenstellung wichtiger Originaltexte bieten: Nelsen / Stubb (2003).
Wiener / Diez (2004b, 245, 246).
Zum Zusammenhang zwischen Integration und Konstitutionalisierung, siehe auch: Jachtenfuchs (2002b, 44–49), aus juristischer Perspektive Oeter (1999); Neisser (2002).
Zur Theorie des Föderalismus im Zusammenhang mit der EU, siehe z.B. Burgess (1989); Sidjanski (2001); Schneider / Wessels (1994), allgemein, siehe: Deuerlein (1972).
Zu einer aktuellen Bewertung des (neo)funktionalen Ansatzes, siehe: Schmitter (2004). Die klassische Ausformulierung dieses Ansatzes stammt von Haas (1968).
Zum realistischen Ansatz in den internationalen Beziehungen, siehe: Waltz (1979); Morgenthau (1985).
Ebenfalls klassisch zu nennender Aufsatz: Hoffmann (1966).
Einen Vergleich neo-funktionalistischer und intergouvernementalistischer Ansätze bietet: Faber (2005).
Haas (1968).
Milward (1992).
Ausführlich zur Präferenzbildung in rationalistischen Theorien: Moravcsik (1997), zum liberalen Intergouvernementalismus, sieheMoravcsik (1997).
Moravcsik (1998). Zu spieltheoretischen Modellen, siehe: Keck (1994) Scharpf (1997); Schneider / Aspinwall (2001); Tsebelis (2002).
Legro (1996) betont, dass der Schwerpunkt rationalistischer Theoriebildung auf der zweiten Stufe, der Aushandlung von Präferenzen gelegen habe.
Vgl. z.B. Arbeiten von: Kratochwil / Ruggie (1986); Wendt (1987); Kratochwil (1989); Katzenstein (1996).
Gute Überblicke bei: Christiansen / Jorgensen et al. (1999) und aktueller: Risse (2004); Schwellnus (2005).
Der als konstruktivistische Wende bezeichnete Perspektivwechsel hat dabei sehr unterschiedliche Ausprägungen erfahren, die hier nur angedeutet werden können. Zu grundlegenderen und ausführlicheren Differenzierungen innerhalb des konstruktivistischen ‚Lagers’, siehe: Ruggie (1998).
So der Titel einer frühen wegweisenden Studie von Berger / Luckmann (1969).
Ruggie (1998) nennt als Beispiele für solche „sozialen Fakten“, die nur aufgrund intersubjektiver Vereinbarungen bestünden, Geld, Eigentumsrechte, Souveränität oder Ehe.
Risse (2004, 160).
Lepsius (1990); Jachtenfuchs (1993); Braun (1998).
Dazu gehören z.B.: „Weltbilder“ (Jachtenfuchs (1993)), „Grundverständnisse“ (Schneider (1998)), „Kultur“ (Jeffrey (1996); Katzenstein (1996); Ulbert (1997)), „Ideen“ (Lepsius (1990); Braun (1998); Jachtenfuchs (2002b)), „Wertesysteme (structures of meaning)“ (Jetschke / Liese (1998)), „Normen, Regeln“ (Kratochwil (1989); Finnemore (1996); Hurrel (2002)), „Identitäten“ (Berger (1996); Katzenstein (1996); Ruggie (1997); Risse (1998)), „cognitive frames/maps“ (Goffman (1974); Braun (1999)).
Finnemore (1996); Schwellnus (2005, 323).
Wendt (1987).
Wagner (2002a), Schmalz (2004).
Für einen Überblick über unterschiedliche institutionalistische Strömungen: Kaiser (1999); Schneider / Aspinwall (2001); Stone Sweet / Sandholtz et al. (2001).
Zum sog. soziologischen Institutionalismus, siehe: Finnemore (1996); Yee (1996).
Eine solche vermittelnde Position zwischen strukturalistischen Theorien (z.B. Marxismus) und individualistischen (z.B. Behaviourismus) wurde am prominentesten von Anthony Giddens vertreten, der in seinem ‚structuration’-Ansatz die gegenseitige Konstituiertheit von Struktur und Akteur darlegt. Vgl. Giddens (1988). Siehe auch: Wendt (1999). Zu den problematischen Folgen des ‚structuration’-Ansatzes für die empirische Forschungsarbeit, vgl. Kap. 3.3.1.
Auf die grundlegendere philosophische Debatte über die Rolle von Sprache verweisen: Kratochwil (1989); Yee (1996); Risse (2000).
Risse (2004, 163).
March / Olsen (1989); Checkel / Moravcsik (2001).
Thomas Risse weist noch auf eine dritte Handlungslogik hin, der des „Argumentierens“ Risse (2000), wobei er auf die politikwissenschaftliche Debatte über „Verhandeln“ und „Argumentieren“ in politischen Institutionen verweist Zangl / Zürn (1996); Elster (2000), die in engem Zusammenhang steht mit dem von Habermas entwickelten normativen Konzept einer „deliberativen Politik“Habermas (1996) Habermas (1981). Vgl. Joerges / Neyer (1998); Steiner / Bächtiger et al. (2004). Diese z.T. normative Debatte um Interaktionsmodi, die auch im Zusammenhang mit dem institutionellen Arrangement des europäischen Konvents geführt wird, soll in dieser Arbeit aber nicht im Mittelpunkt stehen. Vgl. statt dessen: Magnette (2003); Maurer (2003a); Closa / Fossum (2004); Göler (2005).
Risse-Kappen (1994); Zangl / Zürn (1996); Checkel / Moravcsik (2001); Jupille / Caporaso et al. (2003).
Einen aktuellen Überblick über die verschiedenen konstruktivistischen Forschungsrichtungen: Risse (2004); Schwellnus (2005).
Zum Problem der doppelten Hermeneutik: Wagner (2002a, 167/168); Schmalz (2004, 106).
Für eine relativ weit gehende konstruktivistische Perspektive in der EU Forschung, siehe: Diez (1997)
Adler (1997); Schwellnus (2005, 325).
Engelmann / Knopf et al. (1997); Ruggie (1997); Banchoff (1999); Eder (2000); Risse (2004, 167).
Schimmelfennig (1999).
Marcussen (2000).
Eine Sammlung konstruktivistischer Zugänge zur europäischen Integration bieten: Christiansen / Jorgensen et al. (1999).
Auf die Unterscheidung zwischen Ideen und Interessen im Werk von Max Weber verweisen Ruggie (1998, 856–861) Lepsius (1990).
Denzau / North (1994); Braun (1999).
Goldstein / Keohane (1993); Denzau / North (1994); Yee (1996). Zugespitzt auf die Frage der amerikanischen Verfassungsgebung wurde diese Diskussion bereits in den 80er Jahren geführt: Jillson / Eubanks (1984); Rakove (1987).
Wendt (1987); Jachtenfuchs (1993).
Finnemore (1996).
Sehr gute Überblicke aus ihrer jeweils unterschiedlichen Perspektive geben Hall (1989); Ruggie (1998); Braun (1999).
Goldstein / Keohane (1993). Dieses „Nullhypothesenargument“ wurde von Ruggie aus konstruktivistischer Perspektive als aufgesetzter ideenorientierter Ansatz kritisiert. Ruggie (1998, 856,866).
Adler (1997).
Schneider (1977); Schneider (1998); Schneider (2002).
Jopp / Rovna et al. (2004).
Schneider (2002).
In jüngerer Zeit wurden einige Arbeiten im Anschluss an Schneider vorgelegt: Marhold (2002b); Münch (2005). Zu einem aktuellen Forschungsprojekt, siehe: Jopp / Rovna et al. (2004), website: http://www.iepberlin.de/forschung/leitbilder/index.htm.
Jachtenfuchs (1993).
Diez (1997); Jachtenfuchs / Diez et al. (1998); Jung (1999); Jachtenfuchs (2002b). Die deutsche Leitbilddebatte wurde von der Forschergruppe kaum rezipiert. Zur angelsächsischen Debatte um ‚polity ideas’, siehe: Parsons (2002).
Jachtenfuchs / Diez et al. (1998, 410).
Jachtenfuchs (2002b, 66–70, 298–302).
Jachtenfuchs (2002b, 242–260).
Eine Übersicht gibt Waever (2004).
Während Jachtenfuchs et. al. eine apriori Privilegierung nationaler Wertesysteme dadurch zu umgehen suchen, dass sie sich Parteidokumente ansehen, gehen Wagner (2002a) und Risse (1998) von national geprägten Weltsichten und Identitäten aus. Dabei legt Risse, wie Jachtenfuchs auch, den Schwerpunkt auf den ideenbasierten Ansatz, während Wagner konstruktivistische und rationalistische Erklärungsansätze gleichrangig behandelt.
Zu kompetitiven und komplementären Forschungsdesigns auf der Basis rationalistischer und konstruktivistischer Annahmen, siehe: Jupille / Caporaso et al. (2003).
Rittberger (2003).
Pollak (2004)
Schwellnus (2005, 324).
Siehe zu einer Einteilung der Europäisierungsstudien: Eising (2003),. Für eine top-down Europäisierungs-Studie, die sich mit der Veränderung der nationalen Polity-Strukturen auseinandersetzt, siehe Hansen / Scholl (2002). Einen alternativen Ansatz verfolgen: Wessels / Maurer et al. (2003).
Siehe z.B. das Arbeitspapier von Ziller (2004). Zur grundsätzlichen Übertragbarkeit nationaler Strukturen, vgl. Walker (2003); Bogdandy (2004b).
Ein solcher sehr langwieriger Prozess könnte in Ansätzen zugänglich sein, über z.B. Ratifizierungsdiskussionen, in denen die eigene Verfassungstradition in Bezug auf die Europäische Union umgedeutet wird. Einen Solche Umdeutungen und die Inkorporierung der europäischen Ebene in die eigene Identität belegen Risse (1998) und Engelmann / Knopf et al. (1997) in ihrer Arbeit zu den Debatten um die Euro-Einführung in unterschiedlichen EU-Mitgliedstaaten.
Zu diesem Begriff, siehe auch: Wagner (1999). Für eine ähnliche Perspektive, aber ohne genauere Systematisierung, siehe: Nicolaidis / Weatherhill (2004), die von „narratives of projection“ sprechen.
Adler (1997).
Ruggie (1998); Schwellnus (2005).
Mittlerweile ein klassisches Methodenhandbuch für Sozialwissenschaftler, das auf einer strikt positivistischen Epistemologie aufbaut: King / Keohane et al. (1994).
Popper (1969).
Zum ‚Structuration’-Ansatz, siehe: Giddens (1988); Wendt (1999).
Kratochwil / Ruggie (1986).
Schmalz (2004, 99–106)nutzt dafür in Anlehung an Marcussen (2000)den Begriff des „Einfrierens“. In seiner Analyse der Europäisierung außenpolitischer Konzepte in der Bundesrepublik untersucht er mehrere dieser von ihm sog. „Gefrierstufen“.
Zu einem Einstieg in die Diskussion um die Möglichkeit, kausale Mechanismen aufzudecken, vgl. Hurrel (2002, 144–146), der u.a. auf Kratochwil (1989); Onuf (1989); Searl (1995) verweist.
Checkel / Moravcsik (2001, 226).
Solche Ansätze wurden insbesondere von Jachtenfuchs (2002b) und Wagner (2002b) verfolgt. Zur grundsätzlichen Herangehensweise, siehe: Jupille / Caporaso et al. (2003).
Jachtenfuchs / Diez et al. (1998).
Finnemore (1996); Legro (1996); Hurrel (2002).
Ikenberry (1998), noch genereller Stone Sweet (1999, 157): „Normative systems are inherently expansionary to the extent to which they enable people to reason from one situation to another, by way of analogy.”
Einen ausführlichen Überblick über die vielschichtige Debatte, die sich oftmals auf die Etablierung einer neuen Weltordnung konzentrierte, gibt: Suganami (1989).
Zum Europäischen Parlament, siehe: Rittberger (2005). Zur Europäischen Zentralbank und dem Europäischen Gerichtshof: Heisenberg / Richmond (2002).
Marcussen (2000); Wagner (2002a); Koenig-Archibugi (2004).
Bulmer verweist z.B. auf die strukturelle Ähnlichkeit zwischen dem bundesdeutschen und dem EU-System: Bulmer (1997).
Bogdandy (2004b).
Hix (1994); Hix (2005).
Boeckle / Rittberger et al. (1999)bezeichnen dies als „transnationale Sozialisierung“. Diese Formulierung ist allerdings missverständlich, weil sie sich nicht auf die klassische Definition von „transnationalen“ Beziehungen als den grenzüberschreitenden Beziehungen unterhalb der staatlichen Regierungsebene bezieht Kaiser (1971). Da Böckle et al. sich gerade auf staatliche außenpolitische Akteure beziehen, würde der Begriff wohl besser je nach angebrachter Situation „internationale“ oder „supranationale Sozialisierung“ lauten.
Zu lerntheoretischen Ansätzen, siehe: Hall (1993); Ruggie (1998); Nullmeier (2001).
Hurrel (2002, 145) bezeichnet diesen Mechanismus als: discursive enmeshment. Checkel / Moravcsik (2001, 222) führt eine ganze Reihe unterschiedlicher Rahmenbedingungen auf, unter denen durch Argumentation ein Lernprozess zu erwarten ist.
Siehe ausführlich dazu: Göler / Marhold (2003); Göler (2005), Beiträge in: Closa / Fossum (2004).
Checkel (2001). Zu einem Überblick über das Problem der Endogenisierung in der institutionalistischen Literatur, siehe: Rittberger (2003).
Ulbert (1997).
Durham (1993).
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(2006). Theoretischer Erklärungsansatz und Untersuchungsdesign. In: Europas symbolische Verfassung. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-90434-4_4
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