Auszug
Systemische Therapie- und Beratungsansätze lassen sich nicht auf einen Gründungsvater oder eine Gründungsmutter zurückführen, sondern sind von verschiedenen theoretischen Richtungen gespeist. Seitdem man in den 1950er Jahren begonnen hatte, „das gewohnte Feld der Einzel- und Gruppentherapie zu verlassen und mit Familien zu arbeiten“ (v. Schlippe & Schweitzer 1996: 17), hat sich eine rasante Entwicklung hin zu einer systemischen Perspektive entfaltet, welche sich zunehmend von der anfänglichen Familientherapie und -beratung abkoppelte und statt dessen generell das Denken in Systemen (Beziehungs-, Kommunikations- und/oder Bedeutungssystemen) akzentuierte. Betrachtet man die Entwicklungslinie von den wachstumsorientierten (Satir) oder strukturellen (Minuchin) oder strategischen (Haley) familientherapeutischen Modellen über die klassische systemische Familientherapie des ursprünglichen Mailänder Teams (um Mara Selvini Palazzoli) hin zur ‚modernen‘ systemischkonstruktivistischen Position und den nachfolgenden narrativen Ansätzen der Postmoderne1, so stellt insbesondere die Wende zum systemisch-konstruktivistischen Denkansatz eine Art Paradigmenwechsel dar, mit dem auch die Differenzierung von Beratung und Therapie weitest gehend aufgehoben wurde. Indem man sich von den traditionellen therapeutischen Zielvorgaben und Settings abzulösen begann, gewann die systemische Perspektive auch in Feldern der Sozialen Arbeit (als systemische Beratung oder systemisch inspirierte Sozialarbeit oder systemorientierte Sozialpädagogik) zunehmend an Bedeutung.2
Zum Überblick über die verschiedenen Modelle siehe v. Schlippe/Schweitzer 1996: 24.
Zwar werden Therapie und Beratung somit nicht mehr strikt unterschieden (s.a. Punkt 4.2), da aber die systemischen Ansätze zuerst in therapeutischen Kontexten umgesetzt wurden, macht es Sinn, jene Therapie-Konzepte zunächst kennenzulernen und sie dann auf Arbeitsfelder der Sozialen Arbeit (etwa der psychosozialen Beratungspraxis, der sozialpädagogischen Familienhilfe etc. etc.) zu übertragen. Grundsätzlich werden von der systemischen Sozialarbeit jedenfalls die in systemischen Therapien entwickelten Methoden und Haltungen adaptiert.
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Haselmann, S. (2007). Systemische Beratung und der systemische Ansatz in der Sozialen Arbeit. In: Michel-Schwartze, B. (eds) Methodenbuch Soziale Arbeit. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-90428-3_6
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