Auszug
Die Strategie, bei der Suche nach der adäquaten Bezeichnung für moderne westliche Systeme auf den Demokratiebegriff zu verzichten und stattdessen Begriffe aus dem klassischen Vokabular der Staatsformenlehre heranzuziehen, kann in der Politikwissenschaft vor allem auf die Traditionslinie des „italienischen Realismus“ von Vilfredo Pareto und Gentano Mosca über Norberto Bobbio und Johannes Agnoli bis zu Danilo Zolo zurückblicken.1 Folgt man etwa Zolos Argumentation (Zolo 1998), dann ist die gegenwärtige Demokratietheorie — und er bezieht sich hier ausdrücklich auf die normativ abgespeckten Varianten in der Tradition Schumpeters — nicht „realistisch“ genug, wenn sie westliche Gesellschaften allein aufgrund ihrer rechtsstaatlichen Verfasstheit und der Durchführung periodischer Wahlen als „demokratisch“ bezeichnet. Wirklich realistisch wäre sie, wenn sie endlich darauf verzichtete, moderne westliche politische Systeme „Demokratien“ zu nennen. Zolo zufolge ist es wissenschaftlich angemessener, sie als „liberale Oligarchien“ zu bezeichnen. Eine Bezeichnung, die auch Michael Lind aufgrund fundamentaler sozialer und politischer Ungleichheiten in seiner Beschreibung des politischen Systems der USA gewählt hat (Lind 1996). Gemeinsam ist diesen Autoren eine grundlegende Skepsis gegenüber einem demokratietheoretischen Diskurs, der seinen Gegenstand mit realen Gesellschaften identifiziert.2
Für Kritik und Anregungen möchte ich mich bei Hubertus Buchstein und Ingo Take bedanken. Eine leicht gekürzte Fassung ist unter dem Titel „Auf dem Weg zur Postdemokratie“ im Leviathan 33 (4/05), S. 482–491, erschienen.
Siehe auch den Beitrag von Alexander Weiß in diesem Band.
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4. Literatur
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Jörke, D. (2006). Warum Postdemokratie?. In: Pickel, G., Pickel, S. (eds) Demokratisierung im internationalen Vergleich. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-90423-8_2
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