Auszug
Im Zentrum der Genderforschung und der feministischen Forschung stehen zwei Unterscheidungen, nämlich die zwischen Frauen und Männern und die zwischen sex und gender. Die Variationsbreite der Genderforschung besteht darin, wie diese Unterscheidungen gebraucht werden oder wodurch sie ersetzt werden. Gegenstand historischer und gegenwartsbezogener Analysen ist, wie die Unterscheidung zwischen Frauen und Männern hierarchisch gewendet worden ist, wie sie Funktionsbereiche von Gesellschaften strukturiert hat und gegenwärtig (nicht mehr) strukturiert. Die Frage, ob und wenn ja wie die Unterscheidung verschiedene Funktionsbereiche von Gesellschaften strukturieren soll, gibt Anlass für kontroverse Debatten. Die Geschichte des Gebrauchs der Unterscheidung zwischen sex und gender vom produktiven analytischen Instrument zur Selbstkritik am Paradigma der Gegenüberstellung von „gegebenem“ sex und „gemachtem“ gender ist häufig dargestellt und oft wiederholt worden; sie gehört geradezu zu den Kerngeschichten der Genderforschung über sich selbst. Durch diese Reflexion wird im theoretischen Selbstverständnis ein dynamischer Umgang mit Unterscheidungen verankert und die Kritik an fixierten Entgegensetzungen, an Dichotomien, ist fast zum selbstverständlichen Credo geworden.
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Wille, K. (2007). Gendering George Spencer Brown? Die Form der Unterscheidung und die Analyse von Unterscheidungsstrategien in der Genderforschung. In: Weinbach, C. (eds) Geschlechtliche Ungleichheit in systemtheoretischer Perspektive. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-90402-3_2
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