Auszug
Am 26. September 1951, als das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in Karlsruhe feierlich eröffnet wurde, begann für die deutsche Staatsrechtslehre ein neues Zeitalter.Sie galt bis dahin als oberste Autorität der Verfassungsinterpretation. Ausdruck ihres weit reichenden Wirkungsanspruchs war etwa der 1922 erfolgte Zusammenschluss zur „Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer“ und die alljährliche Publikation ihrer wissenschaftlichen Verbandstagungen unter dem Titel „Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer“. Die prominentesten Staatsrechtslehrer hatten zudem im Jahre 1932 auf spektakuläre Weise Einfluss auf die Zukunft der Weimarer Republik genommen, indem sie nach dem Preußenschlag im Prozess „Preußen contra Reich“ vor dem Staatsgerichtshof als Gutachter oder Berater gewirkt hatten.Im Jahre 1951 rückte die Staatsrechtslehre hingegen von einem Tag auf den nächsten in die zweite Reihe. Ein Gericht war nun berufen, nicht wie die Staatsrechtslehre informell, sondern autoritativ als Verfassungsorgan zu wirken und — im Vergleich zum Weimarer Staatsgerichtshof — mit erheblich erweiterten Kompetenzen Verfassungsstreitigkeit auf verbindliche Weise zu entscheiden.
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© 2006 VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden
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Günther, F. (2006). Wer beeinflusst hier wen? Die westdeutsche Staatsrechtslehre und das Bundesverfassungsgericht während der 1950er und 1960er Jahre. In: van Ooyen, R.C., Möllers, M.H.W. (eds) Das Bundesverfassungsgericht im politischen System. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-90289-0_9
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