Auszug
Die administrative Zuständigkeit für die deutsche Außenpolitik liegt nicht nur im Auswärtigen Amt (AA) (→ Auswärtiger Dienst) und seinen Auslandsvertretungen, sondern auch bei den internationalen Abteilungen und Referaten der anderen Fachministerien. Diese institutionelle Zersplitterung ist ein weiteres Indiz dafür, dass die Vorstellung, in den auswärtigen Beziehungen eines Staates würden — primär von einem Außenministerium — sogenannte „nationale Interessen“ vertreten, entweder naiv oder politisch motiviert ist. Im politischen Diskurs dient der Bezug auf ein „nationales Interesse“ dazu, „politische Verhaltensweisen zu rechtfertigen, zu verurteilen oder anzubieten“ (Woyke 1989: 590). Wissenschaftlich erweist sich das Konzept in der Außenpolitik-Analyse aber aus gleich mehreren Gründen als nicht (mehr) tragfähig (Wolf 2000: 35–60). Die Ausdifferenzierung des regierungsadministrativen Akteursfelds liefert ein weiteres Argument dafür, warum die Rede von „nationalen Interessen“ mehr verdeckt als erhellt. Die teilweise gegensätzlichen Interessenlagen von Fachministerien sind offensichtlich und allseits vertraut; sie verschwinden nicht automatisch dadurch, dass politische Entscheidungen auf internationaler Ebene verhandelt und abgestimmt werden sollen. Die internationale Verflochtenheit politischer Problemstellungen lässt deren nationale Bearbeitung nicht mehr zu, wodurch konfligierende Zielorientierungen in noch größerer Zahl aufeinander treffen. Diese internationale Dimension politisch-administrativer Arbeit macht heute vor keinem Fachministerium mehr Halt und findet zugleich unter aufmerksamer Beobachtung des AA statt. Doch ist dieses nicht mehr in der Lage, die internationale Arbeit der Fachministerien zu steuern. Aus diesem Grund ist auch eine Unterscheidung von fachministeriellen „Außenbeziehungen“ (Andreae/Kaiser 1998: 31) auf der einen und einer „Außenpolitik“, die von Kabinett, Kanzler und AA verantwortet wird, auf der anderen Seite, kaum tragfähig, denn angesichts vielschichtiger und differenzierter interministerieller Koordination (s.u.) sind nahezu alle internationalen Beziehungen der Regierung untrennbar miteinander verflochten.
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Weiterführende Literatur
Eberlei, Walter (2001), Globalisierte Politikfelder mitgestalten: Das Auswärtige Amt vor neuen Herausforderungen, in: Fues, Thomas/ Hamm, Brigitte I. (Hrsg.), Die Weltkonferenzen der 90er Jahre: Baustellen für Global Governance, Bonn: Dietz, S. 225–261. Vor dem Hintergrund der zunehmenden internationalen Arbeit der Fachministerien fragt der Beitrag nach der aktuellen und zukünftigen Rolle des Auswärtigen Amtes in globalisierten Politikfeldern.
Eberlei, Walter/ Weller, Christoph (2001), Deutsche Ministerien als Akteure von Global Governance. Eine Bestandsaufnahme der auswärtigen Beziehungen der Bundesministerien (INEF-Report 51), Deisburg: Institut für Entwicklung und Frieden (http://www.inef.uni-due.de/page/documents/report51.pdf). Das Arbeitspapier bietet anhand von Profilen der internationalen Arbeit aller Fachministerien eine systematische Bestandsaufnahme der auswärtigen Beziehungen der Bundesregierung und beschreibt die sich daraus ergebenden Forschungsperspektiven; mit zahlreichen Tabellen.
Haftendorn, Helga/ Karl, Wolf-Dieter/ Krause, Joachim/ Wilker, Lothar (Hrsg.) (1978), Verwaltete Außenpolitik. Sicherheits-und entspannungspolitische Entscheidungsprozesse in Bonn, Köln: Verlag Wissenschaft und Politik. Dieser Sammelband beinhaltet zahlreiche Einzelstudien zur nationalen wie internationalen Verflechtung auβenbzw. sicherheitspolitischer Entscheidungsprozesse der Bundesregierung und seiner Strukturprobleme in den 1970er Jahren. 223
Messner, Dirk (1998), Die Transformation von Staat und Politik im Globalisierungsprozess, in: Messner, Dirk (Hrsg.), Die Zukunft des Staates und der Politik. Möglichkeiten und Grenzen politischer Steuerung in der Weltgesellschaft, Bonn: Dietz, S. 14–43. Der Beitrag erläutert die Notwendigkeit und die Möglichkeiten von Global Governance angesichts der Transformation der Politik im Globalisierungsprozess.
Messner, Dirk (2000), Ist Außenpolitik noch Außenpolitik... und was ist eigentlich Innenpolitik? Die Transformation der Politik in der „Ära des Globalismus“, in: Prokla. Zeitschrift für kritische Sozialwissenschaft 30: 118, S. 123–150. Im Zuge der Globalisierung verliert staatliche Auβenpolitik ihre Gestaltungsmacht, sowohl an internationale Institutionen als auch an Akteure der „ Weltgesellschaf“; internationale Politik wandelt sich zu Global Governance.
Schwarz, Hans-Peter 1975: Die Bundesregierung und die auswärtigen Beziehungen, in: Schwarz, HansPeter (Hrsg.), Handbuch der deutschen Außenpolitik, München: Piper, S. 43–112. Mit besonderer Aufmerksamkeit für institutionelle Fragen beschreibt der sehr ausführliche Handbuchartikel das Verschwimmen der Unterscheidung zwischen Auβen-und Innenpolitik schon Anfang der 1970er Jahre.
Wessels, Wolfgang (2000), Die Öffnung des Staates. Modelle und Wirklichkeit grenzüberschreitender Verwaltungspraxis 1960 — 1995, Opladen: Leske + Budrich. Die Internationalisierung der Politik wird in dieser groβen Studie mit Blick auf die unterschiedlichsten Formen zwischenstaatlichen Regierungs-und Verwaltungshandelns vor dem Hintergrund unterschiedlicher Staatsbilder analysiert.
Wolf, Klaus Dieter (2000), Die Neue Staatsräson — Zwischenstaatliche Kooperation als Demokratieproblem in der Weltgesellschaft, Baden-Baden: Nomos. In diesem Buch wird die These expliziert, dass sich nationale Regierungen durch internationale Vereinbarungen auch Handlungsspielräume gegenüber ihren eigenen Gesellschafen verschaffen wollen.
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Weller, C. (2007). Bundesministerien. In: Schmidt, S., Hellmann, G., Wolf, R. (eds) Handbuch zur deutschen Außenpolitik. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-90250-0_15
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Online ISBN: 978-3-531-90250-0
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