Auszug
Rita Sprengel reiste im Dezember 1941 im Auftrag der illegalen KPD an die Grenze zwischen Deutschland und der Schweiz. Sie schien für diesen Auftrag besonders geeignet zu sein — seit 1933 verrichtete sie illegale Arbeit vor allem in Berlin, schon vorher war sie Teil des parteiinternen Geheimdientes. Ihrer autobiographischen Darstellung nach war Sprengeis Ziel, an der Grenze eine Passage ausfindig zu machen, über die zunächst zwei Genossen, die zusätzlich als Juden gefährdet waren und die wichtige Informationen über die Wehrmacht an sowjetische Stellen übermitteln konnten, in die Schweiz gelangen konnten (vgl. Sprengel 1994). Sprengeis Genossen war es gelungen, ins Telefonnetz des OKW einzudringen und die Ergebnisse sollten nun regelmäßig weitergeleitet werden. Von Berlin aus reiste Sprengel nach Freiburg/Breisgau, von dort aus fuhr sie das Grenzgebiet zur Schweiz ab und fand schließlich mit der rechtsrheinischen schweizerischen Enklave bei Schaffhausen ein Gebiet, welches Chancen für den illegalen Grenzverkehr zu bieten schien. Zum Ausspähen von Grenze und Grenzschutz bezog sie im kleinen Ort Pfützen Quartier. Dort suchte sie, sich als erholungssuchende Ausgebombte ausgebend — das Grenzgebiet zur Schweiz wurde kaum bombardiert —, den Kontakt zu den hier eingesetzten Grenzschützern. Sie sammelte Informationen über Patrouillen, Bewaffnung, Hunde etc. und wollte im besten Falle einen Grenzer auf ihre Seite ziehen. Der aus Österreich stammende Grenzschützer Heller zeigte Interesse an ihr und von ihm erfuhr sie von den hohen „Fangzahlen“.
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Literatur
Sprengel berichtet von Wehrmachtsangehörigen. Tatsächlich ist davon auszugehen, dass es sich am beschrieben Ort zum beschreiben Zeitpunkt um Zollgrenzschutz handelte, dessen Uniformen sich kaum von denen der Wehrmacht unterschieden.
Fluchthilfe wird hier verstanden als die Unterstützung von Flüchtlingen auf der Flucht außerhalb des rechtlich gesetzten Rahmens in Herkunfts-, Transit-oder Zielregion der Migration (vgl. Unabhängige Expertenkommission Schweiz — Zweiter Weltkrieg 2001: 147).
Karl Haushofer (1869–1946) verfasste als Vertreter einer naturdeterministischen Geopolitik die für die Nazis zentrale Schrift zum Thema Grenze (vgl. Haushofer 1927).
Vgl. hierzu Bronnen (1929), Stephan (1933); Schmitz, H.J. (1938); vgl. dazu auch: Reif (1994): 30-50.
Dass die Deutschen die Grenze zur Schweiz trotzdem im Auge hatten, geht aus Sprüchen wie „Für die Schweiz nehmen wir die Feuerwehr“ oder „Und die Schweiz, das Stachelschwein, nehmen wir beim Rückmarsch ein“ hervor (vgl. Moser 1992: 60).
Der hier durch von den Nazis erpresste Erlös stieg von 38,1 Mio. RM im Rechnungsjahr 1934/35 auf 342,6 Mio. RM 1938/39 urn dann 1939/40 auf 47,7 Mio. 1940/41 zu fallen (vgl. Blumberg 1999).
Im folgenden sind Zitate aus den Originalquellen, die vor allem autobiographische Zeugnisse sind, ohne inhaltliche oder stilistische Veränderungen, vom Autor orthographisch überarbeitet.
Einen Sonderfall dieser Vorspiegelung „falscher“ Familienverhältnisse, stellt die „Adoption“ von Kindern dar. So berichtet Funk (YVA 02/949), dass Aufgrund der Tatsache, dass die Schweiz Mütter mit Kindern nicht abschob, in einigen Fällen kinderlose Frauen in Begleitung von Kindern anderer Leute die Grenze überschritten.
Der Publizist Shraga Elam hat schwere, aber sehr umstrittene Vorwürfe gegen Grüninger erhoben, indem er sein Handeln auf Nazisympathien und Kollaboration zurückführt. Vgl. dazu Neue Züricher Zeitung (NZZ), 22.1.1999 und 8.2.04, WochenZeitung (WoZ), 19.2.2004.
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© 2006 VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden
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Pfau, J. (2006). Die totale Grenze Mobilisierung, Verfolgung und Flucht im nationalsozialistischen Grenzregime. In: Eigmüller, M., Vobruba, G. (eds) Grenzsoziologie. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-90245-6_6
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Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften
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