Auszug
Die Politik sieht sich in der Frage nach Legitimierung in einer pluralistischen Wertegesellschaft einem nahezu ausweglosen Dilemma ausgesetzt. Auf der einen Seite stehen die politischen Mandatsträger sowie die Vertreter von Behörden, die eine bestimmte Lösung bevorzugen, auf der anderen Seite stehen unvereinbare Anforderungen und Wünsche pluraler Gruppen, die in der Regel die von der Politik oder Verwaltung vorgeschlagenen Lösungen ablehnen. Die Gegenvorschläge dieser Gruppen werden wiederum von vielen Politikern und manchen Verwaltungen als problematisch, illusorisch oder politisch nicht machbar eingestuft. Diese Situation wird dadurch erschwert, dass sowohl innerhalb der öffentlichen Hände unterschiedliche Meinungen vorherrschen als auch gesellschaftliche Gruppen keine einheitliche Front darstellen, sondern selbst wieder in vielerlei Interessen-und Wertgruppen zersplittert auftreten. Angesichts dieser Unübersichtlichkeit von Forderungen, Entwürfen und Gegenentwürfen fällt es den politischen Entscheidungsträgern schwer, eine sachlich angemessene und politisch ausgewogene Entscheidung zu treffen. Selbst wenn sich die Politiker durchringen, eine Entscheidung zugunsten einer der möglichen Optionen zu treffen, geraten sie angesichts der Pluralität an Meinungen und Bewertungen unausweichlich in das Kreuzfeuer der Kritik. In diesem Dilemma neigen viele Politiker dazu, so lange mit Entscheidungen zu warten, bis sie von äußeren Kräften zum Handeln gezwungen werden (etwa durch nationale oder europäische Gesetzgebung), oder sie wälzen unpopuläre Entscheidung auf andere Institutionen ab. Besonders beliebt ist die Abwälzung auf Beratergremien, die entweder aus der Wissenschaft oder aus den so genannten relevanten gesellschaftlichen Gruppen (Korporatismus-Modell) rekrutiert werden.
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