Brasiliens zivilgesellschaftliche Organisationen und die Regierung Lula

Auszug

Schon theoretisch sind die Beziehungen zwischen Nichtregierungsorganisationen (NRO) und politischen Parteien kompliziert genug, ja widersprüchlich - zielen Erstere doch auf die Vertretung sozialer, kultureller, umweit- und geschlechterbezogener Forderungen ab, während Letztere auf die Schaffung von Wähler- und Parlamentsmehrheiten aus sind, was zwangsläufig auch Kompromisse mit anderen Interessenträgern statt nur mit der eigenen sozialen Basis einschließt. In der Praxis können sich diese Beziehungen bis zur Zerreißprobe anspannen. Sie können aber auch zur Anbahnung neuer Zusammenarbeit führen, die bis hin zur Aufstellung etwa eines neuen Entwicklungsmodells reichen können. Die Wahl von Luiz Inácio Lula da Silva zum Staats- und Regierungschef erweiterte die potenziellen Widersprüche eines neuen Zusammengehens von NRO und Regierung, aber auch dessen Chancen ganz erheblich (für diese und folgende Ausführungen: vgl. Hochstetler 2004: 7 ff). Denn zum einen verkörpert der neue Präsident in seiner Person die Doppelmitgliedschaft in einer Metallarbeitergewerkschaft, als deren Führer er seine öffentliche und politische Karriere als Chef der Zentralregierung begann. Zum anderen ist die führende Koalitionspartei selbst — die Arbeiterpartei Partido dos Trabalhadores (PT) - schon von ihrer Gründung her tief in der sozialen und gewerkschaftlichen Bewegung verwurzelt.