Auszug
Warum ist in einer Einführung in die politikwissenschaftliche Teildisziplin der Vergleichenden Regierungslehre ein Abschnitt zur Europäischen Union1 enthalten? Diese Frage ist keineswegs rein rhetorischer Natur, denn ein Blick in die gängigen Einführungswerke in die Vergleichende Regierungs- oder Systemlehre zeigt, dass die EU in der Regel nicht explizit betrachtet wird. Dies ist erstaunlich, zumal der Grad der Verflechtung der nationalen politischen Systeme mit der EU stark gewachsen ist: Bis zu 60 Prozent — mit steigender Tendenz — der deutschen Gesetze gehen mittlerweile auf Rechtsakte der EU zurück. Über 80 Prozent der Bestimmungen über den grenzüberschreitenden Transfer von Dienstleistungen, Personen und Gütern werden direkt von der EU erlassen (Hix 2005: 3). Die Entscheidungen der EU-Institutionen greifen immer stärker direkt in die Lebenszusammenhänge der EU-Bürger ein. Sie erstrecken sich mittlerweile auf alle Politikbereiche. Die Vorstellung von einer reinen Wirtschaftsgemeinschaft EU ist von der politischen Entwicklung völlig überholt, bleibt nichtsdestotrotz aber durchaus noch im Bewusstsein vieler Bürger der Mitgliedsstaaten präsent. Der wesentliche Grund für die Vernachlässigung der EU im Mainstream der vergleichenden Politikwissenschaft ist der Charakter der EU. Die in den Sozial- und Rechtswissenschaften gleichermaßen kontrovers diskutierte Gretchenfrage lautet: Welche Art von Staat, System oder Akteur stellt die EU überhaupt dar?
Die Bezeichnung EU wird für den Zeitraum ab Inkrafttreten des Vertrages von Maastricht verwendet, demgegenüber bezieht sich die Bezeichnung EG (Europäische Gemeinschaften) auf den Zeitraum von der Unterzeichnung der Römischen Verträge im Jahr 1957 bis 1993.
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© 2006 VS Verlag für Sozialwissenschaften ü GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden
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Schmidt, S. (2006). Die Europäische Union in der Vergleichenden Politikwissenschaft. In: Lauth, HJ. (eds) Vergleichende Regierungslehre. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-90106-0_6
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