Zusammenfassung
Nicht zufällig taucht der Begriff der Theorie bereits im Etikett „Grounded Theory“ auf: Von Beginn an haben sowohl Glaser als auch Strauss die Formulierung erklärend-verstehender Theorien über den erforschten Gegenstandsbereich zum Ziel des von ihnen verfochtenen Verfahrens erkoren und dazu einen analytischen Prozess zur Voraussetzung erklärt. Von forschungsstrategischen Alternativen wie etwa einer „dichten Beschreibung“ setzen sie sich unter Hinweis auf ihren Anspruch an Systematik und konzeptuelle Dichte der angestrebten Forschungsergebnisse ab. Der vor allem von Strauss entwickelte und an den Pragmatismus anschließende prozessuale Theoriebegriff der Grounded Theory wird auf den folgenden Seiten dargestellt und auf seine Konsequenzen für den Forschungsstil befragt.
The published word is not the final one, but only a pause in the never-ending process of generating theory
(Glaser und Strauss 1967, S. 40)
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Notes
- 1.
Hier enden allerdings die Parallelen zu Weber, denn schon in der Wahl der zentralen Untersuchungskategorie (Handeln versus Interaktion) liegen Interaktionisten und rationalistische Handlungstheorien weit auseinander.
- 2.
Obwohl sie tatsächlich diese Position gleich zu Beginn des Buches ausdrücklich von sich weisen: „Selbstverständlich nähert sich der Forscher der Realität nicht als einer tabula rasa“ (Glaser und Strauss 1998, S. 13).
- 3.
Vgl. auch den selbstkritischen Hinweis von Strauss (1991b, S. 38).
- 4.
Ich beziehe mich hier auf meine eigene Übersetzung das amerikanischen Originals, weil die publizierte deutsche Fassung den Aspekt induktiver Emergenz unangemessen abschwächt: „… was in diesem Bereich relevant ist, wird sich erst im Forschungsprozess herausstellen“ (Strauss und Corbin 1996, S. 8).
- 5.
Erfahrung ist hier für Peirce allenfalls insofern von Bedeutung, als sie uns helfen kann, Situationen herzustellen, die für das Auftreten dieser spontanen Einfälle besonders günstig sind (vgl. Reichertz 2000).
- 6.
Wenngleich er neben Continual permutations of action noch eine Reihe weiterer soziologiegeschichtlicher und sozialtheoretischer Arbeiten veröffentlicht hat (vgl. Strauss 1991a, c, 1994).
- 7.
Reichertz bringt Strauss’ werkgeschichtlich eher späten Bezug auf die Abduktion mit einem Deutschland-Aufenthalt von Strauss in den frühen 1980er Jahren in Zusammenhang, bei dem dieser gerade mit Hans-Georg Soeffner, Fritz Schütze und Richard Grathoff in engem Kontakt stand, die sich just zu jener Zeit mit Abduktion beschäftigten (Reichertz 2007, S. 226 f.). Doch für den insgesamt eher sporadischen und unsystematischen Widerhall des Abduktionskonzeptes in den methodologischen Schriften von Strauss bietet auch diese These keine Erklärung.
- 8.
Es kommt hinzu, dass Peirce’ Verständnis von Abduktion erst in den letzten Jahren in seiner ganzen erkenntnispraktischen und methodologischen Tragweite rezipiert wurde. Zur Zeit der Entstehung von The discovery waren diese Teile des Peirceschen Werkes noch weitgehend unbekannt.
- 9.
Glaser vertritt diese Position auch später noch vehement (Glaser 1978, S. 31, vgl. auch Kap. 4).
- 10.
Strauss und Corbin widmen den möglichen und sinnvollen Verwendungsweisen von Literatur im Forschungsprozess sogar ein eigenes Kapitel in ihrem Lehrbuch (Strauss und Corbin 1996, S. 31 ff.).
- 11.
Hier ergibt sich auf den ersten Blick ein Gegensatz zu Schütz’ Vorschlag, die Konstruktionen der (Sozial-)Wissenschaften als „Konstruktionen zweiten Grades“ von alltagsweltlichen Konstruktionen zu unterscheiden (Schütz 2004, S. 159). Allerdings würde das pragmatistische Argument hier lauten, dass „Konstruktionen zweiten Grades“, also Deutungen einer bereits gedeuteten Welt, nicht auf die Wissenschaften beschränkt, sondern alltägliche Praxis handelnder Gesellschaftsmitglieder sind.
- 12.
Hier würde im Übrigen auch der kritische Rationalismus nicht widersprechen.
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Strübing, J. (2014). Theoriebegriff, Vorwissen und das Problem der Induktion. In: Grounded Theory. Qualitative Sozialforschung. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-531-19897-2_4
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Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden
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