Zusammenfassung
Die moderne Bürokratie, so Niklas Luhmann in einer frühen soziologischen Abhandlung, müsse sich immer häufiger auch opportunistisch Verhalten: „Je komplexer und widerspruchsreicher die Wertstruktur und je höher der Erfüllungsstand aller einzelnen Werte, desto rascher muβ das System seine Präferenzen wechseln, desto opportunistischer muβ es handeln können, um in einem beschleunigten Turnus alle Werte auf Kosten aller fördern zu können.“ (Luhmann 2010, 228)
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Notes
- 1.
Vgl. dazu die Überlegungen von Anne Bosche in diesem Band.
- 2.
Vgl. diesen Punkt im auch als Denkschrift publizierten Thesenpapier von Karl Knies (1863). Zu Entwurf und Umsetzung Becker 1973, 115ff.
- 3.
Der Gemeinderat übernahm nun „unter Zuzug eines Ortspfarrers von jedem in der Schulgemeinde vertretenen Bekenntnisse, sowie des ersten Lehrers von jeder in derselben bestehenden Volksschule“ alle Befugnisse des vormaligen Ortsschulrats. Vgl. das Gesetz, die Aenderung einiger Bestimmungen des Gesetzes vom 8. März 1868 über den Elementarunterricht betreffend. (Verordnungsblatt des Groβherzoglichen Oberschulraths 1876)
- 4.
Das badische Innenministerium an das Staatsministerium vom 14. November 1864. (GLA 233/32477)
- 5.
Das badische Innenministerium an das Staatsministerium vom 26. November 1864. (GLA 233/32477)
- 6.
Siehe Gesetz, den Elementarunterricht betreffend vom 8. März 1868, §22. (Verordnungsblatt des Groβherzoglichen Oberschulraths 1868)
- 7.
So 1902 im Bericht des Nationalliberalen Rudolf Obkircher für die Budgetkommission in der Zweiten Kammer. Vgl. 72. öffentliche Sitzung der Zweiten Kammer am 29. April 1902, Protokollheft.
- 8.
Vgl. zu Werk und Person Tenorth 2003.
- 9.
Die Laienaufsicht in der Schweiz sieht sich aber vermehrt durch Professionalisierungserwartungen in Frage gestellt. Vgl. dazu Kussau/Rosenmund 2005; Eigenmann 2011; Studer 2012.
- 10.
Zu den Möglichkeiten systemtheoretischer Ansätze für die Erforschung der frühen Neuzeit vgl. Schlögl 2008.
- 11.
Latour geht so weit, auch den Dingen den Status von Akteuren zuzubilligen. So sei „jedes Ding, das eine gegebene Situation verändert, indem es einen Unterschied macht, ein Akteur“. „Dies bedeutet selbstverständlich nicht“, so Latour weiter, „daβ diese Beteiligten das Handeln ‚determinieren’, daβ Körbe das Halten von Vorräten ‚verursachen’ oder daβ Hämmer das Schlagen von Nägeln ‚erzwingen’ […]. Sondern es bedeutet, daβ zwischen voller Kausalität und schierer Inexistenz viele metaphysische Schattierungen existieren können.“ (Latour 2007, 123f.)
- 12.
Diesen Punkt entwickelt Gudrun König (2012) in materialitätstheoretischer Hinsicht.
- 13.
Dieser Zusammenhang wurde von John W. Meyer und Brian Rowan (1977) theoretisch ausgearbeitet.
- 14.
Sallwürk reformuliert hier die Vorstellung des Kulturstaats, die für die preuβische Unterrichtsverwaltung auch analytisch genutzt werden kann, um einen „historischen Prozess“ zu beschreiben. Vgl. dazu Neugebauer 2004.
Quellen und Literatur
Handschriftliche Quellen
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Gedruckte Quellen
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Sallwürk, Ernst v. (1893): Art und Bedeutung einer kulturgemäβen Schulaufsicht. Gotha: Behrend.
Verhandlungen der Badischen Zweiten Kammer der Ständeversammlung.
Verordnungsblatt des Groβherzoglichen Badischen Oberschulraths.
Literatur
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Geiss, M. (2012). Opportunismus der Kommunikation: Die Einheit der Bildungsverwaltung als methodisches Problem. In: Geiss, M., De Vincenti, A. (eds) Verwaltete Schule. Educational Governance, vol 20. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-531-19469-1_5
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