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Wie untersucht man ein Musikvideo?

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Part of the book series: Qualitative Sozialforschung ((QUALSOZFO,volume 22))

Zusammenfassung

Im Falle audiovisueller Medienprodukte handelt es sich um sinnstrukturierte Gebilde (also um kulturelle Artefakte im Sinne von Objektivationen (vgl. Berger und Luckmann 1969)), welche als audiovisuelle Speicher- und Wiedergabemedien grundsätzlich in der Lage sind, reale Prozesse wahrnehmungsnah zu registrieren und › wiederzugeben ‹ (vgl. hierzu Sachs-Hombach 2003, Schmidt 1994, Hörisch 2006), um damit Wirklichkeit zu repräsentieren.71 Medienprodukte in diesem Sinne verstanden » als Elemente der Repräsentationsordnung einer Gesellschaft « (Mikos 2005: 458) haben demzufolge in Hinblick auf ihre Datenqualität den Status von Primärquellen (vgl. ebd.: 458). Zudem weisen sie als Reproduktions- und Ablaufmedien eine fixierte Zeitstruktur auf, weshalb das › filmische Werk ‹ als Objekt der Auslegung sowohl beständig (vgl. Bellour 1999: 12) als auch gleichzeitig in Hinblick auf seine Protokollierung – wenn man so möchte – › sekundär flüchtig ‹ ist, da es als zeitbasiertes Wahrnehmungsanalogon aus Prozessen besteht, die nicht (vollständig) einer schriftlichen Notierung unterworfen werden können (vgl. ebd.: 15 ff.). Kurz: AV-Produkte sind Artefakte, in welchen Sinn nicht bloß als menschliches Handlungsresultat geronnen ist, sondern die ihrerseits Ereignisprozesse bzw.

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Notes

  1. 1.

    Repräsentation ist in einem allgemeinen Sinn als die Darstellung von Inhalten zu verstehen (siehe hierzu grundlegend Mikos 2003: 40 ff. und 101 ff.) und impliziert noch keine Aussagen bezüglich des Realitätsstatus des Dargestellten (siehe hierzu ausführlich Schmidt 2011).

  2. 2.

    Ursprünglich der Kultursoziologie Karl Mannheims (vgl. Mannheim 2004) entstammend und durch Erwin Panofsky (vgl. Panofsky 1975 sowie zusammenfassend Bätschmann 2001: 68 ff.) in die Kunstwissenschaft eingeführt, lässt sich dieses » Dreischrittschema « (Müller 2003: 34) als methodischer Konsens in der Auslegung (film)bildlicher bzw. audiovisueller Artefakte begreifen (vgl. Mikos 2003: 74, Müller-Doohm 1995, 1997, Bohnsack 2003, Reichertz 2005).

  3. 3.

    Die Differenzierung in Phänomen-, Bedeutungs- und Dokumentsinn stammt von Panofsky (1975).

  4. 4.

    Bezug genommen wird hier auf das, was Souriau (1997) als die filmographische Wirklichkeit bezeichnet hat.

  5. 5.

    Krotz (1992) spricht daher – mit Blick auf das Produkt – davon, dass der Rezipient » strukturell bedeutungslos « (237) sei. Ausnahmen stellen hier lediglich televisuelle LiveSendungen mit der Möglichkeit einer Partizipation des Fernsehpublikums dar.

  6. 6.

    Vgl. Mikos (2003: 82) unter Rekurs auf Wuss (1993).

  7. 7.

    Grundlage hierfür ist, dass solche flüchtigen Prozesse in irgendeiner Form aufgezeichnet wurden, also ihrerseits bereits in reproduzierbarer Form vorliegen (vgl. hierzu Ayaß 2005). Während naturwüchsige Kommunikationsprozesse in aller Regel einer entsprechenden, durch die Forschenden induzierten Aufzeichnung bedürfen (vgl. Deppermann 1999: 21 ff., Dittmar 2002: 55 ff. sowie Hartung 2006), liegen solche Aufzeichnungen im Falle audiovisueller Kommunikate bereits vor, bei welchen – folgt man Oevermann (2000) – es sich daher um editierte Protokolle der zu untersuchenden Praxis selbst handelt, so dass protokollierte Wirklichkeit und Protokollierungshandlungen und damit auch Eröffnung und Beendigung sozialer Praxis im und des Produkts koinzidieren (siehe hierzu auch die Rubrik » Medienprodukte als konstruierte Daten « im Sammelband » Qualitative Methoden der Medienforschung « (Ayaß und Bergmann 2006)).

  8. 8.

    Bei der Transkription gesprochener Sprache etwa spricht Dittmar (2002) von » › Verdauerung ‹ «.

  9. 9.

    Für die Gesprächsforschung vgl. grundsätzlich Redder (2001) sowie Deppermann (1999), für die Medienforschung Ayaß (2005).

  10. 10.

    Wie etwa Simmels Beschreibungen von Vasen und Henkeln (vgl. Simmel 1919).

  11. 11.

    Die wissenschaftliche Zweckgebundenheit betont insbesondere Redder (2001).

  12. 12.

    Langer (1992) hat dies in grundsätzlicher Weise als einen Wechsel von diskursiven zu präsentativen Kommunikationsweisen gefasst. Vgl. hierzu auch grundsätzlich Rapp (1973: 82 ff.).

  13. 13.

    Vgl. Sachs-Hombach (2003); Reichertz (1992: 143) gebraucht zur Charakterisierung stehender (Werbe-) Bilder die Metapher der » optischen Sinfonie «.

  14. 14.

    Vgl. für den Film Opl (1990: 292 f.), der, verschiedene filmsemiotische Ansätze zusammenfassend, sechs Code-Ebenen unterscheidet: Ebene 0: ÜbertragungsCode (= Produktion und Wiedergabe durch Maschinen); Filmische Code-Ebene 1: Reproduktion von Teilaspekten der natürlichen Wahrnehmung; Ebene 2: Kamerahandlung bzw. deren Selektionslogik; Ebene 3: Handlung vor der Kamera bzw. präexistente Objekte und Bedeutungen; Ebene 4: filmische Intertextualität; Ebene 5: Kotext oder Montage; Ebene 6: formal-ästhetische Intertextualität.

  15. 15.

    Vgl. hierzu grundlegend Kühnel (2008: 155 ff.) sowie Keppler (2006: 59 ff.).

  16. 16.

    Vgl. Souriau (1997).

  17. 17.

    Jede » Deskription wird – gewissermaßen noch ehe sie überhaupt anfängt – die rein formalen Darstellungsfaktoren bereits zu Symbolen von etwas Dargestelltem umgedeutet haben müssen; und damit wächst sie bereits, sie mag es machen wie sie will, aus einer rein formalen Sphäre schon in eine Sinnregion hinauf « (Panofsky 1992: 211).

  18. 18.

    Siehe hierzu grundlegend Schütz (2003).

  19. 19.

    Vgl. für Gesprächsforschung Dittmar (2002). Grundsätzlich geht es darum, sinnlich wahrnehmbaren Phänomenen, welche nicht adäquat durch die alphabetische Lautschrift (also mittels Buchstaben) dargestellt werden können (etwa Akzente, Tonhöhen, Dehnungen oder Pausen etc.) Codes zuzuordnen, um sie auf diese Weise skriptural repräsentieren zu können. Ein vereinheitlichendes System für die Gesprächsforschung schlagen Selting et al. (1998) vor.

  20. 20.

    Mit Blick auf die Qualität der Daten folgt die Transkription idealiter der Logik einer Registrierung bzw. einer sinnfremden Wiedergabe und die Deskription jener einer Rekonstruktion bzw. einer intelligiblen Darstellung (vgl. Oervermann 2000: 84 ff.; zur Differenz von registrierendem und rekonstruktivem Modus der Datenerhebung vgl. grundlegend Bergmann 1985).

  21. 21.

    Am Beispiel des Fernsehens hat etwa Meyrowitz (1986: 256) mit dem Konzept der » ParaProxemics « eindrücklich aufgeschlüsselt, wie körperliche Distanzen als eine relevante Dimension kopräsenter Interaktionen durch den filmischen Code der Einstellungsgrößen auf die Beziehung zwischen filmisch dargestellter Person und Zuschauer übertragen wird.

  22. 22.

    Die Termini der Transkription und Protokollierung werden weitestgehend synonym verwandt (vgl. etwa Korte 2004: 45 ff. sowie Keppler 2006). Zur Anfertigung von Protokollen audiovisueller Produkte siehe Bienk (2008: 188 ff.), Borstnar et al. (2002: 131 ff.), Faulstich (2008: 169 ff.), Hickethier (1996: 36 ff.), Korte (2004: 45 ff.), Korte (2005) sowie kritisch Wulff (2006).

  23. 23.

    Vgl. hierzu insbesondere Korte (2004), der unterschiedliche Verfahren der Visualisierung filmischer Strukturen erörtert.

  24. 24.

    Im Falle von fiktionalen Filmen sind dies prominent narrative Strukturen (also der Zusammenhang von erzählter Geschichte und › textuellen ‹ Erzählstrukturen), welche durch das dargestellte Handeln von Figuren in bestimmten Situationen getragen ist. Dies ist jedoch mit Blick auf AV-Produkte im Allgemeinen nicht zwingend und daher entsprechend zu erweitern. Im Falle von Musikvideos etwa spielen narrative Strukturen neben performatorischen, illustrativen und situativen häufig nur eine untergeordnete Rolle; zudem kommt der Animation von Bewegung jenseits menschlicher Handlungen bzw. filmischer Handlung (plot) eine bedeutsame Rolle zu (vgl. grundlegend Altrogge 2001a – c).

  25. 25.

    Im Sinne potenzieller nicht empirischer Rezeption (vgl. Keppler 2006: 42 ff. sowie 87 ff.). John Fiske (1987) hat dies mit den Konzepten der › Textualität ‹ bzw. der › produzierbaren Texte ‹ zu erfassen versucht (95 ff.).

  26. 26.

    Panofsky (1975) fasst den Sinn, den die Analyse (welche bei ihm der Ikonographie i. e. S. entspricht) zu ermitteln hat, als » die bewusste Absicht des Künstlers « (40) und damit als intendierten.

  27. 27.

    Müller (2003: 35 ff.) verdeutlicht dies am Beispiel eines Wahlplakats, welches u. a. Helmut Kohl zeigt: Während unser Phänomensinn (gestützt auf unsere vitale Daseinserfassung) einen stehenden Mann erkennen kann, vermag eine Bedeutungszuweisung auf der Grundlage unseres kulturellen Wissens diesen Mann als Altkanzler › Helmut Kohl ‹ zu bestimmen.

  28. 28.

    Reichertz (2005) beschreibt diesen Prozess etwa als offenes Codieren, durch welches das Material mit theoretischen Konzepten belegt wird.

  29. 29.

    Vgl. Borstnar, Pabst, Wulff 2002: 48 ff.

  30. 30.

    Folgt man Panofsky, geht es letztlich darum, zu eruieren, ob, und wenn ja, welchem zugrunde liegenden Text eine bildliche Darstellung folgt, um herauszufinden, was die bildliche Darstellung darzustellen beabsichtigt (vgl. zusammenfassend Bätschmann 2001: 58 ff.). Verallgemeinert heißt das, nach Kontexten und Quellen zu suchen, die Auskunft über die kommunikativen Zwecke der Produktherstellung und -distribution geben sowie Rückschlüsse auf mögliche Sinnbezüge (= Referenz) der dargestellten Objekte und Ereignisse zulassen.

  31. 31.

    Vgl. hierzu grundlegend Schütz (2004) sowie Soeffner (1989).

  32. 32.

    Panofsky (1975) folgend stellt die Ebene der Interpretation (in Panofskys Modell die ikonologische Ebene) die höchste Stufe der Analyse i. w. S. dar, auf der der eigentliche Bedeutungsgehalt des infrage stehenden Produkts ermittelt wird. Zugleich folgt der auf diese Weise vollständig durchlaufene Dreischritt – folgt man der Interpretation Bätschmanns – dem klassischen Modell wissenschaftlicher Erklärung, innerhalb dessen der Ermittlung der Bedeutung (Ikonographie) der Status von Antezedenzbedingungen (oder: Motive bzw. subjektiver Sinn) und der Rekonstruktion spezifischer soziohistorischer Kontexte der Status von Gesetzeshypothesen (oder: historisch spezifischer Verhaltensregeln bzw. Sinnzusammenhänge) – zusammengenommen bilden diese beiden Aussagekomplexe das Explanans – und der Erfassung und Beschreibung der bildlichen Darstellung (im Sinne eines Feststellens von Tatsachen) schließlich der Status eines Explanandums zukommt (vgl. zfs. Bätschmann 2001: 68 ff.). Was bedeutet: Der Fall (= die bildliche Darstellung) wurde mit Hilfe der Angabe von Randbedingungen (Motive) und Gesetzeshypothesen (Kontexte) erklärt.

  33. 33.

    Der Terminus » Dokumentsinn « entstammt ursprünglich der Kultursoziologie Karl Mannheims (2004).

  34. 34.

    Unter Rekurs auf Panofskys Interpretations- und Erklärungsmodell fasst Bätschmann (2001: 70) diesen Perspektivenwechsel wie folgt: » Beschreibung und ikonografische Analyse geben sich mit dem Kunstwerk ab, fassen es als Monument auf, die Ikonologie beschäftigt sich mit dem Kunstwerk als Dokument für etwas anderes als es selbst. Dieses andere sind zugrundeliegende Prinzipien oder Symptome « (Herv. i. Orig.).

  35. 35.

    Hinzu kommen noch Plug-ins zur Soundgestaltung (EQ, Kompressor, Mastering sowie (virtuelle) Instrumente und Effektgeräte). Die Veränderung klanglicher Parameter wird in diesen in Form von Drehregler-/Fader-Einstellunge, Hüllkurven, Lichtsignalen, Spektrum-Analysatoren etc. optisch wiedergegeben.

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Jost, C., Klug, D., Schmidt, A., Neumann-Braun, K., Reautschnig, A. (2013). Wie untersucht man ein Musikvideo?. In: Computergestützte Analyse von audiovisuellen Medienprodukten. Qualitative Sozialforschung, vol 22. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-531-19459-2_3

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