Zusammenfassung
In Deutschland stellt Überschuldung von privaten Haushalten ein weitverbreitetes Phänomen dar. So gehen Schätzungen für das Jahr 2010 davon aus, dass nahezu jeder zehnte Volljährige in Deutschland von Überschuldung betroffen ist. Dies entspricht etwa drei Millionen Privathaushalten (Creditreform 2010: 4). Überschuldung bedeutet hierbei, nicht in der Lage zu sein, mit dem Einkommen die eingegangen Zahlungsverpflichtungen nach Abzug der notwendigen – und oft bereits drastisch zurückgeschraubten – Lebenshaltungskosten zu erfüllen (European Commission 2008: 33–37) Es liegt eine akute Zahlungsunfähigkeit vor. Trotz sinkender Arbeitslosenzahlen (Bundesagentur für Arbeit, 2011: 16ff) und Einführung der Privatinsolvenz (Bundesministerium für Justiz 2011: 6–9) ist der Anteil der überschuldeten Menschen im Zuge der Weltwirtschaftskrise für 2010 erstmals wieder mit einer Veränderung um 4,7% leicht angestiegen (Creditreform 2010: 4). Prognosen setzen diesen Trend für 2011 fort (Knobloch et al. 2011: 40).
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Notes
- 1.
Ähnliche Zahlen betroffener Haushalte weisen andere Schätzungen auf. Zimmermann (2010: 80) nennt bspw. für das Jahr 2008 2,8 Millionen überschuldete Haushalte. Im selben Jahr benennt Angele (2008: 1) die Zahl der überschuldeten Haushalte als mindestens 3 Millionen.
- 2.
Für Schätzungen der Quote überschuldeter Haushalte werden sowohl national als auch international unterschiedliche Kriterien zugrunde gelegt. Auskunfteien legen hierbei oft das Zahlungsverhalten ihren Schätzungen zugrunde legen, andere setzen Einkommen und Zahlungsverpflichtungen.
- 3.
Die ASG-Querschnittsstudie (Armut, Schulden und Gesundheit) wurde in den Jahren 2006-2007 vom Institut an 666 (Rücklaufquote 35,5%) Klienten von 53 Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen in Rheinland-Pfalz durchgeführt, die einen Fragebogen an insgesamt 2235 Überschuldete im Alter zwischen 18 und 79 Jahren ausgaben. Es wurde pro Haushalt jeweils nur eine Person befragt. Ein weiteres Inklusionskriterium war der mindestens zweimalige Besuch der Beratungsstelle, um die Ernsthaftigkeit der Schuldenproblematik sicherzustellen. Die Studie und Ergebnisse daraus wurden an andere Stelle ausführlich beschreiben. Siehe dazu: Münster et al. 2007; 2010; Münster und Letzel 2008.
- 4.
Die kodierten Aussagen wurden sowohl hermeneutisch im Hinblick auf die Generierung neuer Ideen als auch im Hinblick auf ihre Häufigkeiten ausgewertet, um besonders verbreitete Ideen aufzufinden.
- 5.
Der bundesweite Kooperationsverbund „Gesundheitsförderung bei sozial Benachteiligten“ wurde von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung initiiert und von dieser maßgeblich getragen und setzt sich für die Verbesserung der Chancengleichheit im Bereich Gesundheit ein.
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Das Manual kann bei Interesse über die Team Gesundheit GmbH bezogen werden.
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Zier, U., Bellwinkel, M., Faryn-Wewel, M., Letzel, S., Münster, E. (2012). Zielgruppenorientierte Präventionsangebote am Standort Schuldner- und Insolvenzberatung als neuer Weg der Stärkung gesundheitlicher Teilhabe überschuldeter Menschen. In: Gesellschaftliche Teilhabe trotz Schulden?. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-531-19449-3_11
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