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Litigation-PR: Strategische Rechtskommunikation bei Unternehmenskrisen

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Handbuch Krisenmanagement

Zusammenfassung

Der vorliegende Beitrag stellt eine aus der Praxis heraus entwickelte systematisierte Herangehensweise an Litigation-PR-Mandate vor. Es handelt sich dabei um ein integratives Modell zum kommunikativen Management der „Krise Rechtsstreit“. Der Beitrag stellt unterschiedliche Einsatzgebiete für Litigation-PR vor, beschreibt mögliche Ziele, skizziert grundsätzliche Strategien und Vorgehensweisen und stellt weiterhin drei ErfolgsFaktoren vor, die sich in der Praxis als besonders relevant für den Erfolg von Litigation-PR herausstellten.

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Notes

  1. 1.

    Ein Beispiel für einen solchen Imageschaden lieferte Josef Ackermann. Am 21. Januar 2004 spreizte er im Sitzungssaal des Landgerichtes Düsseldorf, vor Beginn der Hauptverhandlung im sogenannten Mannesmann-Prozess, seinen Zeige- und Mittelfinger zu einem Victory-Zeichen (vgl. Reisewitz und Schmitt-Geiger 2010). Er ahmte dabei, wie er später sagte, Michael Jackson nach (vgl. Altenbockum, 2006), der zur selben Zeit in Amerika wegen Kindesmissbrauchs vor Gericht stand und sich beim Verlassen des kalifornischen Gerichtsgebäudes fotografieren ließ. Die unbedachte Geste Ackermanns hielt ein Presse-Fotograf fest. Sein Bild passte zu einer Stimmung, die seit längerer Zeit unter deutschen Journalisten sowie in der deutschen Bevölkerung herrschte. Es wurde das Bild zur Geschichte von gierigen Managern, die ihre Unternehmen als Selbstbedienungsladen betrachten (vgl. Reisewitz und Schmitt-Geiger 2010, S. VII). Das Bild schaffte es auf die Titelseiten der wichtigsten Medien im Land. Es wurde zur Ikone der Kapitalismuskritik (vgl. ebenda). Und die Folgen: Ackermann wurde in diesem Prozess freigesprochen – doch die Öffentlichkeit hat ein anderes Urteil gefällt. Das Image der Deutschen Bank und das von Josef Ackermann wurde stark beschädigt. Das Manager-Magazin sprach von einem Kommunikations-GAU (vgl. Manager-Magazin 2004).

  2. 2.

    Dazu ein Beispiel:

    Der Käufer eines Unternehmens warf dem Verkäufer vor, ihn bei den Verkaufsverhandlungen über den Wert des Unternehmens getäuscht zu haben. Ein Millionenbetrug stand im Raum. Mehrere Zivilverfahren, die schon Jahre andauerten, wurden bis zum Ende des Strafverfahrens ausgesetzt. Und die Staatsanwaltschaft wollte aus kaum nachvollziehbaren Gründen das Verfahren einstellen. Wäre das passiert, hätte der Käufer auch in den Zivilverfahren verloren und wäre wirtschaftlich ruiniert gewesen. Das Thema tauchte bis dahin noch nicht in den Medien auf.

    In dieser prozessual ungünstigen Situation begann der Käufer Rechtskommunikation einzusetzen. Eine einzige Pressemitteilung machte Journalisten auf die Vorgänge aufmerksam. Die Medienvertreter begannen zu recherchieren und baten beim völlig überraschten Verkäufer um Stellungnahme. Daraufhin war dieser umgehend zur außergerichtlichen Einigung bereit. Den drohenden Imageschaden schätzte er offensichtlich größer ein, als einen für ihn ungünstigen Vergleich.

  3. 3.

    Auch hierzu ein Beispiel:

    Eine Kommune versagte einem Unternehmen die weitere Betriebserlaubnis für Vergnügungseinrichtungen, die von der Bevölkerung bislang sehr gut angenommen wurden. Für den Inhaber der Vergnügungsstätten sah es deshalb formaljuristisch schlecht aus. Denn grundsätzlich darf eine Kommune bestimmen, was auf ihrem öffentlichem Grund betrieben wird. Mit dem Argument, dass die Bevölkerung ebenfalls mitbestimmen können sollte, welches Vergnügungsangebot in der Kommune besteht gelang es, die Öffentlichkeit zu mobilisieren. Mit Hilfe der Öffentlichkeit konnten politische Entscheider von den Vorteilen des eigenen Standpunktes überzeugt werden. Und dadurch konnte der politische Wille beeinflusst und im Sinne des Mandanten geändert werden.

  4. 4.

    Ein Beispiel dafür, dass die mediale Berichterstattung Einfluss auf Gerichtsentscheidungen ausüben kann, ist in dem Arbeitsrechtsstreit um die fristlose Kündigung der langjährig beschäftigten Kassiererin „Emmely“ zu sehen. „Emmely“ saß seit 15 Jahren an der Kasse eines Supermarktes von Kaisers Tengelmann. 2008 wurde ihr fristlos gekündigt. Die Kassiererin soll zwei verlorene Leergutbons im Gesamtwert von 1,30 Euro eigenmächtig eingelöst haben, die ihr vom Filialleiter bis zur Abholung durch die Eigentümer anvertraut worden seien (vgl. Harms und El-Sharif, 2010). Das Bundesarbeitsgericht erklärte letztendlich die Kündigung für rechtswidrig und trennte sich damit von der bislang gefestigten Rechtsprechung in solchen Fällen sogenannter Bagatellkündigungen. Bislang wertete nämlich das Bundesarbeitsgericht Kündigungen als wirksam, die gegen Angestellte ausgesprochen wurden, welche Vermögensdelikte zum Nachteil des Arbeitgebers begingen – und zwar selbst dann, wenn nur ein äußerst geringer Schaden entstanden war. Ja sogar dann, wenn nur der dringende Verdacht eines Deliktes bestand. Das bisherige Argument: Aufgrund des (vermuteten) Deliktes sei das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zerstört und dem Arbeitgeber sei deshalb eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zumutbar.

    Der Fall von „Emmely“ rief 2009 eine kontroverse mediale und gesellschaftliche Diskussion über Bagatellkündigungen hervor. Weite Teile der Öffentlichkeit empfanden es als nicht legitim, dass bei einem Vermögensdelikt des Arbeitnehmers mit Bagatellschaden für den Arbeitgeber, der oftmals wirtschaftlich weitaus stärkere Arbeitgeber kündigen kann. Die Abkehr von der bis dahin gefestigten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes, wäre ohne diese gesellschaftliche und mediale Debatte um Bagatellkündigungen nicht erfolgt.

  5. 5.

    Prominentes Beispiel dazu ist die Verhaftung von Klaus Zumwinkel. Als der ehemalige Postchef am 14.02.2008 gegen 07:00 Uhr morgens von Polizei, Staatsanwaltschaft und Steuerfahndung aufgesucht und verhaftet wurde, waren diverse Journalisten und Kamerateams zugegen. Journalisten müssen von Behördenseite vorab Informationen zur geplanten Aktion bekommen haben. Zumwinkel wurde öffentlich ab- und vorgeführt. Dies geschah vermutlich deshalb, um auf diese Weise weitere Steuersünder einzuschüchtern und sie zur Selbstanzeige zu bewegen.

  6. 6.

    Ein Beispiel dafür ist der Fall eines bei dem Terroranschlages auf der tunesischen Halbinsel Djerba schwer verletzten Kindes. Am 11. April 2002 erlitt ein deutscher Junge bei der Explosion einer Bombe in der Synagoge „La Ghriba“, die er in Begleitung seiner Eltern mit einer Touristengruppe besuchte, Verbrennungen zweiten und dritten Grades. Die Eltern klagten gegen den Reiseveranstalter auf Schadenersatz aus dem Reisevertrag. Die Medien zeichneten ein eindeutiges Bild: David gegen Goliath. Auf der einen Seite das schwer verletzte Kind in der Rolle des David, dass für den Rest seines Lebens gezeichnet sein wird. Auf der anderen Seite der große Touristikkonzern in der Rolle des Goliath, der dem armen Kind die Zahlung von Schadenersatz verweigerte (vgl.u. a. Schröm 2004).

    Hier gelang es, Journalisten eine andere Sicht auf den Fall zu vermitteln. Die Berichterstattung wandelte sich vom David-Goliath-Motiv zu einer weniger emotionalen Erläuterung der vor Gericht verhandelten Rechtsfragen und deren jeweilige Bedeutung für die Streitparteien (vgl. u. a. Blinda 2005). Journalisten konnte verständlich gemacht werden, dass es dem Reiseveranstalter nicht darum ging, auf Kosten eines verletzten Kindes die geforderte Schadenersatzsumme einzusparen. Zum Beweis schloss der Reiseveranstalter, ohne Anerkennung einer Rechtspflicht, eine Ausbildungsversicherung für den Jungen ab. Sondern den Journalisten konnte vermittelt werden, dass es dem Reiseveranstalter vielmehr um Rechtssicherheit in Zeiten gestiegener Terrorgefahr ging. Dem Touristikunternehmen ging es in dem Prozess um die Klärung der für ihn existenziell wichtigen Frage, ob und inwieweit Kunden über mögliche Terrorgefahren aufgeklärt werden müssen und ob ein Reiseveranstalter für eventuelle Schäden eines Terroranschlages zu haften hat. Mit diesen Erklärungen gelang es dem Touristikunternehmen, die mediale Berichterstattung zu versachlichen und damit den Reputationsschaden, der durch emotionalisierte Medienberichte entstanden war, abzumildern.

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Schmitt-Geiger, A. (2013). Litigation-PR: Strategische Rechtskommunikation bei Unternehmenskrisen. In: Thießen, A. (eds) Handbuch Krisenmanagement. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-531-19367-0_16

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