Zusammenfassung
Der Beitrag zeigt, dass die im Topos von der Sozialen Arbeit „zwischen Individuum und Gesellschaft“ behauptete Trennung von Individuum hie und Gesellschaft da unzutreffend ist.
Sowohl das in der Perspektive des methodologischen Holismus liegende Theoriekonzept der Strukturalen Anthropologie von Claude Levi-Strauss als auch das in der Perspektive des methodologischen Individualismus liegende Theoriekonzept der phänomenologischen Soziologie von Berger/Luckmann entziehen sich der behaupteten Trennung und konzeptualisieren auf je eigene Weise die Vergesellschaftungsprozesse.
Ein weithin geteilter Topos besagt, dass sich Soziale Arbeit als Disziplin wie Profession im „Schnittpunkt von Individuum und Gesellschaft“ befindet. Bis in die Definition der Sozialen Arbeit durch die IFSW (International Federation of Social Workers) und IASSW (International Association of Schools of Social Work) wird diese Metaphorik bemüht: „& interveniert Soziale Arbeit im Schnittpunkt zwischen Individuum und Umwelt/Gesellschaft“ (zitiert nach Staub-Bernasconi, 2007). Dieses Verständnis zielt einerseits auf die disziplinäre Abgrenzung zu Psychologie und Soziologie in dem Versuch, einen bestimmten gesellschaftlichen Ausschnitt für die Soziale Arbeit zu reklamieren; andererseits scheint diese Metaphorik die Erfahrung wiederzugeben, dass die Profession es mit handelnden Individuen in widerständigen gesellschaftlichen Settings zu tun hat. Wenn man davon ausgehen kann, dass Soziale Arbeit als sozialwissenschaftliche Handlungstheorie (nicht: angewandte Theorie) begriffen werden kann, dann liegt es nahe, bezüglich dieser Problematik sich bei den sozialwissenschaftlichen Handlungstheorien umzusehen. Dabei wird man unschwer feststellen, dass es nicht nur eine zunächst unüberschaubare Fülle theoretischer Konzeptualisierung sozialen Handelns gibt, sondern dass die hier in Rede stehende Problematik als eine grundlegende Dichotomie im sozialwissenschaftlichen Denken wiederkehrt: Handeln versus Struktur.
Auf der einen Seite spricht man vom methodologischen Individualismus; eine Position, die auch Institutionen und soziale Strukturen aus der Perspektive handelnder Individuen betrachtet. Dem gegenüber setzt der methodologische Holismus soziale Kollektive als Ganzheiten voraus, aus denen individuelles Verhalten abgeleitet werden kann. Diese Position setzt voraus, dass kollektive Phänomene nicht durch das Handeln von einzelnen Individuen erklärt werden kann; insofern ist das Ganze (Kollektiv) mehr als die Summe seiner Teile (Handelnde).
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Literatur
Berger, P.L./Luckmann, T. (1982): Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit. Eine Theorie der Wissenssoziologie, Frankfurt/M.
Joas, H./Knöbl, W. (2004): Sozialtheorie. Zwanzig einführende Vorlesungen. Frankfurt/M.
Levi-Strauss, C. (1981): Strukturale Anthropologie I, Frankfurt/M. 2. Auflage.
Miebach, B. (2010): Soziologische Handlungstheorie. Eine Einführung, 3. Aktualisierte Auflage, Wiesbaden.
Münch, R. (2004): Soziologische Theorie. Band 3: Gesellschaftstheorie, Frankfurt/M.
Münch, R. (2007): Soziologische Theorie. Band 2: Handlungstheorie, Frankfurt/M.
Staub-Bernasconi, S. (2007): Soziale Arbeit: Dienstleistung oder Menschenrechtsprofession? In: Andreas Lob-Hüdepohl/Walter Lesch (Hrsg.): Ethik Sozialer Arbeit – Ein Handbuch, 20-54.
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Scheer, KD. (2013). Im Schnittpunkt von Individuum und Gesellschaft. In: Birgmeier, B., Mührel, E. (eds) Handlung in Theorie und Wissenschaft Sozialer Arbeit. Soziale Arbeit in Theorie und Wissenschaft. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-531-19285-7_14
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