Zusammenfassung
Angesichts der Vielzahl und Vielfalt sozialer Phänomene, die gesellschaftlich als Scheitern beobachtet werden, befassen sich die Sozialwissenschaften überraschend wenig mit der empirischen Erforschung sowie der theoretischen Aufarbeitung und Präzisierung des Scheiterns. Für die Soziologie, die wie jede andere moderne Wissenschaft auf Erfolg fokussiert ist, führen Malpas und Wickham (Journal of Sociology (ANZJS), 31: 37–50, 1995) den Mangel an Aufmerksamkeit auf ihre konstituierende Fragestellung zurück. Diese einseitige Orientierung korrespondiere mit der bevorzugt am Erfolg ihrer Handlungen ausgerichteten Selbstdefinition der Akteure. Junge (Scheitern. Aspekte eines sozialen Phänomens, S. 15–32, 2004) sieht darin allerdings eine Abkehr der Soziologie von ihrem krisenhaften Gründungsanlass, denn schließlich sei sie ursprünglich als Reaktion auf das Versagen von Gesellschaft entstanden. Unter dem Eindruck der Französischen Revolution und ihrer Folgen bestand ihre Intention zu Zeiten Comtes darin, in der Gesellschaft Gesetzmäßigkeiten zu entdecken, um sie besser zu machen. Seit Marx und Engels ist bis heute dieser Willen zur Verbesserung erhalten geblieben. Die Soziologie und mit ihr alle anderen Sozialwissenschaften sind daher schon um ihrer selbst willen am Erfolg orientiert. Somit scheint ihnen die Vernachlässigung des Scheiterns geradezu inhärent.
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Literatur
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John, R., Langhof, A. (2014). Die heimliche Prominenz des Scheiterns. In: John, R., Langhof, A. (eds) Scheitern - Ein Desiderat der Moderne?. Innovation und Gesellschaft. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-531-19181-2_1
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