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Individualitätsperformanz. Bildungsbiographische Anspruchsindividualitäten in sich wandelnden Kontexten

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Bildung unter Bedingungen kultureller Pluralität

Zusammenfassung

Bildungsbiographien sind eine exponierte Form der kommunikativen Gestaltung der an Individuen in modernen Gesellschaften gerichteten Erwartung, eine Individualität auszubilden. Vor diesem Hintergrund eines performativen Verständnisses von Bildungsbiographien rekonstruiert der Beitrag an zwei signifikanten Fällen die Entwicklung grundlegender Ausprägungen von Anspruchsindividualitäten. Auf der sozialen Ebene - so wird herausgearbeitet - geht es um die Strukturierung von Individualität durch die Differenz Abweichung/Konformität, auf der temporalen Ebene durch die Differenz von Diskontinuität/Kontinuität. Diese Strukturierungsformen bleiben im Zeitverlauf bildungsbiographisch weitgehend stabil trotz der zahlreichen Veränderungen von Bildungsgestalten zwischen 1984 und 2009 und der Kontexte, in die sie eingebettet sind. Dabei lassen sich an den Fällen zur Fokussierung der Prozesshaftigkeit von Individualität vektorial lineare und rekursiv zirkuläre Prozessformen beobachten. Diese Unterscheidung wird abschließend genutzt, um die Fallrekonstruktionen in den Zusammenhang des zeitdiagnostischen Diskurses über Individualitätsformen im Spannungsverhältnis von Biographie und Karriere zu stellen.

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Notes

  1. 1.

    Zum Konzept der Performanz vgl. Goffman 1969; Wirth 2002; zur Relation von Biographie und Performanz vgl. Kolesch 2009.

  2. 2.

    Traditionelle Individualitäten basieren eher auf Erfahrungen der Einheit. Beide Individualitätsformen stehen jedoch nicht, wie Luhmann nahe legt, alternativ zueinander. Zu einem anthropologischen Begriff vom Menschen, der die „Differenz im Menschen, den Menschen als Differenz“ betont, vgl. Menke 2007, S. 44.

  3. 3.

    Vgl. in historischer Sicht Langewand 1994; zur Bedeutung des Konzepts narrativer Identität vgl. Koller 2012a, insbes.: 34 ff.; zur Relevanz der sprachlichen Artikulation insbes.: 153 ff.

  4. 4.

    Zur Individualität als „Kommunikationsform“ siehe: Lehmann (2011, S. 41).

  5. 5.

    Zur biographischen Identität vgl.: Zirfass und Jörissen 2007, insbes. S. 166 ff.

  6. 6.

    Zur Empirie unabgeschlossener Bildungsprozesse vgl.: Kade 1985, 2011, zum „Scheitern als Bildungsprozess“ vgl.: Koller 2012a, S. 183 ff.; zu empirischen Formen des Scheiterns von Individuen an ihrer unbewältigten Individualisierung im Kontext von gerade auch pädagogisch strukturierten alltäglich-normalen Bildungsprozessen vgl.: Kade und Seitter 1996, insbes. 143 ff.; zum Scheitern als „akzeptable Option“ von Individualität: Lehmann 2011; zum „eingebildeten Individuum“ vgl. Bunia (2010, S. 673).

  7. 7.

    Zur Serialität von bildungsbiographischen Gestalten und Bildungsbiographie im Prozess des Biographisierens vgl.: Kade (2011, S. 33 ff.).

  8. 8.

    Die Fälle entstammen dem Zusammenhang eines von der DFG geförderten Projekts zur Analyse prekärer Bildungsbiographien zwischen 1984 und 2009 (vgl. Fischer und Kade 2012). Sigle und Zählung beziehen sich auf den Status (Teilnehmer/-in) der Befragten in den Erstinterviews aus den 1980er Jahren und die laufende Nummer der Datenerhebung. Dass es sich in beiden Fällen um Frauen handelt, wird nicht als Besonderheit verstanden, sondern als Möglichkeit, die für modernen Bildungsbiographien typische Mischung von Kontinuität und Diskontinuität besonders gut sichtbar werden zu lassen, ohne die Besonderheit der strukturellen Benachteilungen von Frauen im Blick auf Biographie und Lebenslauf (vgl. Krüger 2010) zu leugnen.

  9. 9.

    Üblicherweise versteht man solche Personennamen als Maskierungen der interviewten Personen. Diese Funktion haben sie auch. Wir markieren damit aber zugleich einen Verweis darauf, dass man sich mit der Re-Konstruktion immer auch von den ‚ursprünglichen‘ Personen entfernt und eine ihnen gegenüber zumindest partiell eigenständige Wirklichkeit erzeugt. Siehe in diesem Zusammenhang auch den seit den 1980er Jahren sich unter dem Stichwort „autofiction“ entwickelnden Diskurs (vgl. www.autofiction.org;) im Spannungsfeld von „Wahrheit und Erfindung“ (Koschorke 2012).

  10. 10.

    Das Soziologie-Studium hat in dieser Hinsicht eine ähnliche Problematik wie die Philosophie, der außerhalb der Universität kein Beruf zugeordnet ist.

  11. 11.

    Zur „rekursiven Bildung“ vgl.: Kade und Nolda 2012.

  12. 12.

    Diese Abhängigkeit ist von Foucault (1973) in Bezug auf die jeweils in einer Zeit und einer Gesellschaft herrschenden Diskurse und des dadurch bedingten Sagbaren quasi paradigmatisch aufgezeigt worden.

  13. 13.

    Vgl. Koschorke 2012; aus systemtheoretische Sicht sind Erzählungen eine „Inklusionspraxis, die sich der Reduktion von Komplexität verdankt“ (Saake 2006, S. 99).

  14. 14.

    Ralf Bohnsack spricht von „Orientierungsmustern“, Peter Alheit von „Beschreibungsformaten“, Niklas Luhmann von „Formen“ oder auch von „Schemata“.

  15. 15.

    So eine Formulierung von Rudolf Stichweh (1998, S. 232; Hervorhebung von JK/SN) bezogen auf die Romantische Liebe als eines der wichtigsten ‚Programme‘ zur Kommunikation von Individualität.

  16. 16.

    Vgl. in dieser Hinsicht grundlegend: Lehmann 2011; kritisch dazu Kade 2013.

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Kade, J., Nolda, S. (2014). Individualitätsperformanz. Bildungsbiographische Anspruchsindividualitäten in sich wandelnden Kontexten. In: von Rosenberg, F., Geimer, A. (eds) Bildung unter Bedingungen kultureller Pluralität. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-531-19038-9_8

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