Zusammenfassung
Mit Blick auf den Titel des Bandes ist hier sicher ein ungewöhnlicher Fokus gewählt, wenn in Bezug auf „Bildung und Migration“ im Folgenden die Bildungsorientierungen Jugendlicher mit vietnamesischem Migrationshintergrund in den neuen Bundesländern im Zentrum dieses Beitrages stehen. Denn diese – so der Konsens in den Medien und in der Wissenschaft – gehören zu den bildungsambitionierten Migrantinnen und Migranten in Deutschland, deren Bildungserfolg für eine gelungene Integration steht. Das heißt, die objektiven Benachteiligungsstrukturen für Migrantinnen und Migranten im deutschen Bildungssystem, wie sie in den Studien bei PISA (Baumert/Schümer 2001; Schümer 2004; Ramm et al. 2004) und IGLU herausgearbeitet wurden, scheinen sich hinsichtlich der Bildungserfolge der jungen Vietnamesinnen und Vietnamesen nicht zu bestätigen und liegen somit quer zu den Erklärungszusammenhängen, die im Rahmen quantitativer Studien für den Zusammenhang von Bildungsbeteiligung und Migration konstatiert werden.
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Notes
- 1.
Signifikant sind zum Beispiel für die PISA-Studie die nach Nationalität ausgewählten Migranten dann, wenn ihr Anteil zehn Prozent eines Jahrganges ausmacht, und dies ist auch in keinem der neuen Bundesländer der Fall (vgl. Prenzel et al. 2004).
- 2.
Die abhängige Variable „Bildungserfolg“ prüft Diefenbach (2006) in Bezug auf den familialen Hintergrund, die schulische Sozialisation und anhand des elterlichen Engagements für die Kinder.
- 3.
Ohne den Verdienst der statistischen Erhebungen in Abrede stellen zu wollen, zeigt sich hier mit der Formulierung „ausländische Kinder und Jugendliche“ die Unschärfe der berechneten Faktoren. Nimmt man die Definition von Destatis (2010) ernst, in der als Ausländerinnen und Ausländer alle Personen bestimmt werden, die im Sinne des Art. 116, Abs. 1 des Grundgesetzes keine Deutschen sind, also nicht die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen (vgl. ebd.), dann sind in dieser Berechnung Migrantinnen und Migranten und Personen mit Migrationshintergrund nicht eingeschlossen.
- 4.
Gemendes Hauptaugenmerk innerhalb der Studie liegt in der Betrachtung von Lebensweisen aller in den neuen Bundesländern lebenden Migrantinnen und Migranten (wie z. B. Männer und Frauen aus Polen, der ehemaligen Sowjetunion, Angola), wobei die Vietnamesinnen und Vietnamesen zahlenmäßig die stärkste Gruppe darstellen.
- 5.
Diese sind anschlussfähig an die Ergebnisse US-amerikanischer Studien z. B. von Chen/Stevenson (1995), Feagin/Feagin (1996), in denen die positiven Auswirkungen des kulturellen Hintergrunds auf den Bildungserfolg der asiatischen Schülerinnen und Schüler empirisch belegt wurden (vgl. dazu auch Diefenbach 2009).
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Busse, S. (2013). Bildungsorientierungen Jugendlicher mit vietnamesischem Migrationshintergrund zwischen Stigmatisierung und Entthematisierung. In: Siebholz, S., Schneider, E., Schippling, A., Busse, S., Sandring, S. (eds) Prozesse sozialer Ungleichheit. Studien zur Schul- und Bildungsforschung, vol 40. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-531-18988-8_10
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