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Globaler Anspruch und bürokratische Umsetzung: Peacekeeping der Vereinten Nationen als Weltorganisation

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Zusammenfassung

Weltorganisationen haben den Anspruch, global zu denken und zu handeln. So integrieren sie die „Welt“ als Teil ihrer Semantik, interagieren mit der „Welt“ als Teil ihrer Organisationsumwelt und generieren Ordnungen für die „Welt“. Des Weiteren setzen viele dieser Weltorganisationen ihren Anspruch auch durch eigene „Aktion“ ihrer Bürokratie um (vgl. Barnett und Finnemore 2004). Peacekeeping der Vereinten Nationen (VN) ist in diesem Zusammenhang ein besonders interessanter Fall. Zum einen beruht Peacekeeping auf den Beschlüssen des (zwischenstaatlichen) Sicherheitsrats der Vereinten Nationen, dem aufgrund der Charta der Vereinten Nationen die Aufgabe zufällt, Sicherheit und Frieden in der Welt zu bewahren – notfalls auch durch die Mandatierung militärischer Interventionen (vgl. ICISS 2001). Eine Peacekeeping-Mission repräsentiert somit einen Beschluss des Sicherheitsrates. VN-Peacekeeping ist allerdings auch die programmatische und die technisch angewandte Lösung der VN-Bürokratie für diese spezifischen Problemlagen.

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Notes

  1. 1.

    Dies gilt natürlich nicht für alle Weltorganisationen. Wie Koch (Einleitung, in diesem Bd.) zu Recht hinweist, stellen z. B. die Beschlussfassungen der WTO zwar Interventionen in der Wirtschaftsordnung der Welt dar, doch existiert kein eigener bürokratischer Apparat, der diese Beschlussfassungen im Einzelnen implementiert.

  2. 2.

    In manchen Fällen wie z. B. Bosnien und Herzegowina hat der Sicherheitsrat allerdings der VN-Bürokratie auch explizit das Vertrauen entzogen.

  3. 3.

    Interviews mit VN-Offiziellen in Liberia und New York, 2010/2011.

  4. 4.

    Für eine ausführliche Version dieser Systematisierung siehe Winckler (2012).

  5. 5.

    Für einen Überblick siehe Theis (1994).

  6. 6.

    Dies ist vielleicht noch dringender von Nöten in Nachkriegssituationen, die geprägt sind von einem so hohen Maß an (physischer) Unsicherheit und Ungewissheit, dass der Einsatz militärischer Mittel notwendig werden kann. „Realistische Informationen“ – womit nicht nur der Transfer von Informationen, sondern auch deren situationsbedingte Interpretation gemeint sind – können hier die Basis dafür bieten, nicht nur das Leben des eigenen Personals zu retten, sondern auch das anderer Personen der lokalen Umwelt, in die die Organisation direkt involviert ist (vgl. Barnett und Finnemore 2004, Kap. 5).

  7. 7.

    Des Weiteren kann durch formale Kommunikation auch der externen Öffentlichkeit gezeigt werden, dass Probleme effizient, transparent und verantwortungsvoll bearbeitet werden. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass formale Kommunikationsprozedere nicht unbedingt nur geschaffen werden als Notwendigkeit für die interne Funktions- und Handlungsfähigkeit einer Organisation, sondern auch um externen Ansprüchen der Organisationsumwelt gerecht zu werden (vgl. Meyer und Rowan 1991).

  8. 8.

    Hierbei ist es wichtig festzustellen, dass der Zusammenhang zwischen Kopplung und Kommunikation als ein Spannungsfeld analysiert werden sollte, welches eine Organisation oder auch jede einzelne Organisationseinheit, Struktur, Akteur oder Ereignis beschreiten. Entkoppelte formale Elemente des Managements verhindern somit nicht notwendigerweise die Existenz von informellen, eng gekoppelten Praktiken. Im Gegenteil kann sogar die Existenz beider Faktoren notwendig sein für den Vollzug und der Aufrechterhaltung organisationeller Funktionen, auch wenn dessen Relevanz für das tägliche Arbeitsleben des Organisationsmitglieds über Zeit und Raum stark variieren kann.

  9. 9.

    So hat nicht nur die VN-Mission als Ganzes ein hohes Maß an Autonomie, sondern die VN-Hierarchie an sich ist durch ein hoch komplexes Netz an formal delegierten Autoritäten gekennzeichnet, was für die tägliche Arbeit sowohl im DPKO als auch in der Mission von großer Relevanz ist. Keine Aktion wird auf den Weg gebracht ohne die Absicherung, dass etwaige (relevante) Ansprüche anderer Personen oder Stellen berücksichtigt werden. Einer der Posten mit der vielleicht größten Autonomie und Gestaltungsfreiheit ist der des SRSG (Hintergrundgespräch mit ehemaligem SRSG, 2010), wobei sich diese insbesondere hinsichtlich der Art und Weise, wie der SRSG seine Gestaltungsfreiheit auslegt und nutzt, unterscheiden können. So ist der erste SRSG von UNMIL in Liberia, Jacques Paul Klein, berüchtigt für seine eigenmächtigen Überschreitungen des Mandats, indem er ähnlich wie ein „imperial pro-consul“ agierte (ICG 2003, S. 12). In anderen Missionen kann die formale Gestaltungsfreiheit zwar groß sein, doch de facto gibt es sehr wenig zu gestalten im lokalen Arbeitskontext – das prominenteste Beispiel hierfür ist die VN-Peacekeeping Force in Cyprus, UNFICYP (Interviews mit VN-Offiziellen im DPKO, New York, 2010). Formale Kooperationen sind im Rahmen von VN-Peacekeeping sehr verbreitet (z. B. mit der Regierung, VN-Unterorganisationen oder Nichtregierungsorganisationen), die ihren formalen Ausdruck meist in der Form eines Steering-Komitees finden (Interviews mit VN-Offiziellen in Liberia, 2010/2011).

  10. 10.

    So wird die Loyalität des Personals in der VN nicht nur durch hierarchische Kontrolle gesichert, sondern auch durch eine informelle kollektive Identität, die als „UN-minded“ bezeichnet wird. Wird ein/e MitarbeiterIn nicht als „UN-minded“ wahrgenommen, wird er/sie als illoyal betrachtet und vice versa. Dies kann dann formale Konsequenzen nach sich ziehen wie die Nichtverlängerung des auslaufenden Arbeitsvertrages (Hintergrundgespräch mit ehemaligem SRSG 2010).

  11. 11.

    Ein Beispiel für ein solches Netzwerk sind die so genannten Communities of Practice, die sich auf Gruppen beziehen, auf denen Lernen und Informations- und Wissenstransfer auf einer Identität oder einem sozialen Kontext basiert, der geteilt wird von ihren Mitgliedern aufgrund ihrer praktischen Involvierung (vgl. Brown und Duguid 2001). Das DPKO betreibt unter dem gleichen Namen eine etwas formalisierte Version eines solchen Netzwerkes in der Form von Internetforen, über die sich VN-Mitarbeiter aus der ganzen Welt zu bestimmten Themen äußern und Erfahrungen austauschen können. Das Problem hierbei scheint vor allem die Vertrauensbasis zu sein, da sich die Teilnehmer nicht persönlich kennen. So wird z. B. der Zugang zu den Foren von New York aus streng kontrolliert, ebenso werden die Foren moderiert (Interviews im DPKO, New York, 2010).

  12. 12.

    Interview mit VN-Offiziellem in Liberia 2011.

  13. 13.

    Beide Illustrationen basieren insbesondere auf Ergebnisse von Feldforschungsaufenthalten in Liberia und New York, 2010/2011.

  14. 14.

    Die Paragraphen der Resolution des VN-Sicherheitsrats, welche den mandatierten Aktionsrahmen der VN-Mission in Liberia festlegen.

  15. 15.

    Die Festlegung der genauen Struktur und Belegschaft der Mission findet zudem nicht im Sicherheitsrat, sondern in den Budgetverhandlungen im ACABQ statt, welches somit für die Mission neben dem Sicherheitsrat das zentrale zwischenstaatliche Entscheidungsgremium darstellt (Hintergrundgespräch mit ehemaligen Chief of Staff, Berlin 2010).

  16. 16.

    Interview im DPKO, New York, 2010.

  17. 17.

    Die Unterscheidung zwischen „politisch“ und „militärisch“ verläuft zudem in Überschneidung zu einer zweiten zentralen Dichotomie der Organisation von Peacekeeping zwischen „technisch“ und „substantiell“, wobei das Militärische oft dem „technischen“ Bereich zugeordnet wird (außer wenn sie in speziellen Positionen an „politischen“ Entscheidungen teilhaben), das Politische wiederum wird oftmals als substantielle (d. h. inhaltliche) Arbeit bezeichnet (Interviews mit VN-Offiziellen im DPKO, New York, 2010).

  18. 18.

    Neben dem Militär sind die Polizisten der zweite Strang von Personal, welches uniformiert ist und von dem jeweiligen Mitgliedsland sekundiert wird.

  19. 19.

    Nicht das ganze zivile Personal würde sich als „politisches“ Personal bezeichnen, so ist z. B. in den Logistikabteilungen in großem Umfang ziviles Personal beschäftigt. Zudem gelten formal lediglich Personen des Seniormanagements als politische Personen im Sinne der Gestaltung von nationaler Politik außerhalb des bürokratischen Kontextes von UNMIL. Da UNMIL als Schattenbürokratie auf nahezu allen Ebenen alltäglich in größere und kleinere Verhandlungsprozesse mit der nationalen Bürokratie eintritt, ist die Gestaltung, Aushandlung und Intervention in gesellschaftspolitische Prozesse elementarer Bestandteil der Arbeit des substantiell-bürokratischen Apparats von UNMIL.

  20. 20.

    Interviews mit UNMIL-Offiziellen, Monrovia 2010.

  21. 21.

    In Liberia stellen Pakistan, Bangladesch, Nigeria, Ghana, Nepal, Jordanien und China die formierten Einheiten.

  22. 22.

    Interview in Monrovia 2010.

  23. 23.

    Feldbeobachtungen und Gespräche mit Angehörigen formierter militärischer UNMIL-Einheiten in Liberia 2011.

  24. 24.

    Hierfür gibt es zahllose Beispiele, zur Illustration siehe Momodu (2009).

  25. 25.

    Interviews mit VN-Offiziellen im DPKO, New York, 2010.

  26. 26.

    Interviews mit VN-Offiziellen im DPKO, New York, 2010.

  27. 27.

    Interviews mit VN-Offiziellen im DPKO, New York, 2010.

  28. 28.

    Interviews mit VN-Offiziellen im DPKO, New York, 2010.

  29. 29.

    Interview in New York, 2010.

  30. 30.

    Interview mit VN-Offizielle im DPKO, New York, 2010.

  31. 31.

    Fast alle multidimensionalen Peacekeeping-Missionen haben inzwischen einen Best Practice Officer (Benner et al. 2011). Auf Anfrage wurde mir in UNMIL bestätigt, dass es zwar bis Anfang 2010 eine Frau gab, die in einem Teil ihrer Zeit mit Best Practices und Wissensmanagement beschäftigt war, doch dass, seitdem diese nicht mehr Teil der Mission sei, die Aufgabenzuteilung de facto vakant geblieben ist (Interview in UNMIL, Liberia 2010/2011).

  32. 32.

    Interview in Liberia 2011.

  33. 33.

    Diese suchen oftmals auch nach Guidance oder Austausch durch die Communities of Practice.

  34. 34.

    Interviews und Beobachtungen in Liberia und New York, 2010/2011.

  35. 35.

    Interviews im DPKO, New York, 2010.

  36. 36.

    Ein gutes Beispiel hierfür ist das New Horizon Projekt, eine neue Reformagenda für Peacekeeping, dessen Ausarbeitung der Policy Planning Einheit des PBPS von der neuen DPKO/DFS Führung 2008 angetragen wurde. Es entstand ein „Non-Paper“ – ein inoffizielles Standpunktpapier, das nicht offiziell die Meinung des DPKO wiederspiegelt – welches dann in den zwischenstaatlichen Organen der VN debattiert wurde. Interviews im DPKO, New York, 2010, und UN (2009).

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Winckler, J. (2012). Globaler Anspruch und bürokratische Umsetzung: Peacekeeping der Vereinten Nationen als Weltorganisation. In: Koch, M. (eds) Weltorganisationen. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-531-18977-2_7

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