Zusammenfassung
Allzu häufig findet man in der Geschichte des anthropologischen Denkens, die auch die der Pädagogischen Anthropologie einschließt, einen sehr starken individualistischen Grundzug. Der Mensch erscheint als solitaire (Rousseau), der allein in diese Welt geworfen wird (Heidegger), einsam seinen Weg der Freiheit geht (Sartre), dabei die anderen prinzipiell als Konkurrenten erlebt (Hobbes) und sich daher ein bestimmtes Image zulegt, um sein Gegenüber zu manipulieren (Goffman). Dagegen muss die Sozialität des Menschen ausdrücklich betont werden. Der Mensch ist, und darauf hat in der Antike etwa Aristoteles schon eindringlich hingewiesen, ein zoon politikon, ein soziales Wesen. Menschen sind von Anfang an soziale Wesen, die auf die Fürsorge und Anerkennung anderer fundamental angewiesen sind und die das „Abenteuer des Zusammenlebens“ (Todorov 1996) gemeinsam bewältigen müssen (vgl. Claessens 1980). Pädagogische Beziehungen, die nicht auf egoistische, agonistische, hegemoniale oder machtsüchtige Motive zielen, konzentrieren sich in diesem Sinne um die, für menschliches Zusammenleben konstitutiven, Gedanken der Erziehungsbedürftigkeit und -möglichkeit sowie um Begriffe der wechselseitigen Achtung und Wertschätzung. So impliziert die anthropologische Idee der Offenheit des Humanen pädagogische Maßnahmen der Unterstützung der Selbstbestimmung, und die anthropologische Idee der Erziehungsnotwendigkeit zielt auf die Angewiesenheit auf einen pädagogischen Anderen, ohne den Selbstbestimmung und individuelle Entfaltung nicht möglich wären.
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Literatur
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Wulf, C., Zirfas, J. (2014). Gemeinschaft und Gesellschaft. In: Wulf, C., Zirfas, J. (eds) Handbuch Pädagogische Anthropologie. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-531-18970-3_20
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