Zusammenfassung
Beim Blick auf die seit einiger Zeit aktuelle bundesdeutsche politische und sozialwissenschaftliche Diskussion um ländliche Räume erscheint vor allem die Kritik im Vordergrund, „der ländliche Raum“ sei gegenüber urbanen Räumen (förder-) politisch benachteiligt und im Zuge von Alterung und Schrumpfung in der Bevölkerung, Strukturschwäche und peripherer Lage zur Restkategorie im Raumordnungsgefüge abgestempelt. Auch in der alltäglichen Wahrnehmung wird „der ländliche Raum“ einerseits mit entvölkerten Regionen, verfallenden Häusern und brachliegenden Industrieruinen assoziiert, andererseits aber noch das romantisierte Bild einer ländlichen Idylle reproduziert. Was ländliche Räume in ihrer Vielfalt, nicht nur in Kategorien von Siedlungsdichte und Lage, sondern hinsichtlich ihrer gesellschaftlichen Strukturen und spezifischen Potentiale ausmacht, wird vielfach nicht ausreichend differenziert betrachtet. Dieser Beitrag untersucht daher zunächst, welche typischen, aber auch vielfältigen Merkmale ländliche Räume aufweisen, und welche Versuche von Raumkategorisierungen bestehen, um schließlich auf grundlegende gesellschaftliche und förderpolitische Strukturen und die Frage territorialer Ungleichheit zu rekurrieren. Es wird sich zeigen, dass die hier vorgestellten Konzepte und Ordnungen eine erhebliche Bedeutung für die Gestaltung Sozialer Arbeit haben.
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Notes
- 1.
„Tagesbevölkerung bedeutet, dass nicht nur die die Wohnbevölkerung repräsentierende Einwohnerzahl sondern die Einwohnerzahl mitsamt des (Berufs-)Pendlersaldos der Gemeindeverbände einbezogen wird, um die funktionale Bedeutung von (Arbeitsmarkt-) Zentren zu berücksichtigen.“ (BBR 2005: 203 f.).
- 2.
Dies illustriert das Beispiel verarmter Bauern, die über wenig (Transfer-)einkommen, aber einen großen Hof und Ländereien verfügen.
- 3.
Leitbild 1 „Wachstum und Innovation“, Leitbild 2 „Daseinsvorsorge sichern“, Leitbild 3 „Ressourcen bewahren, Kulturlandschaften sichern“ (BMVBS 2006).
- 4.
„Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ (GAK) und „Verbesserung der regionalen Wirtschaftstruktur“ (GRW).
- 5.
Das Konzept beinhaltet die Vorstellung, die sozioökonomische Entwicklung einer Region nicht (mehr) von außen zu lenken, sondern von innen zu initiieren. Die regionseigenen – endogenen – Potentiale oder Ressourcen sollen aktiviert werden, während sich der Staat auf eine Art „Hilfe zur Selbsthilfe“ zurück zieht (Henckel et al. 2010: 286).
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Penke, S. (2012). Ländliche Räume und Strukturen – mehr als eine „Restkategorie“ mit Defiziten. In: Debiel, S., Engel, A., Hermann-Stietz, I., Litges, G., Penke, S., Wagner, L. (eds) Soziale Arbeit in ländlichen Räumen. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-531-18946-8_2
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